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G 20: Auf der Suche nach dem Bonus

Angela Merkel und ihr britischer Amtskollege Gordon Brown haben eines gemein: Beim G-20-Gipfel müssen sie auch bei den Wählern punkten. Der Rest zwischen ihnen ist weniger übereinstimmend.

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Unmittelbar vor Beginn des G-20-Gipfels in Pittsburgh haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Donnerstag besorgt über die Erfolgschancen der verabredeten Weltfinanzreform gezeigt. Beide betonten in Berlin, dass sie von Pittsburgh deutliche Zeichen einer Neuordnung der globalen Finanzmärkte erwarten. Für beide Spitzenpolitiker geht es in den internationalen Gesprächen auch darum, der deutschen Öffentlichkeit wenige Tage vor der Bundestagswahl zu zeigen, wie ernst es ihnen mit einer Neuordnung der Märkte ist. Die Opposition kritisierte am Donnerstag, Merkel und Steinbrück versuchten, die internationalen Gespräche im Kreis der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer für ihre Wahlkampfwerbung zu instrumentalisieren. Der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin nannte beide „Maulhelden der Bankenregulierung“, weil sie bisher keine fassbaren Ergebnisse bei der Marktregulierung vorzuweisen hätten.

Die Kanzlerin warnte am Donnerstag, der Elan der G 20 bei der Finanzmarktregulierung könne jederzeit nachlassen. Sie fürchtet, die von US-Präsident Barack Obama angestoßene Grundsatzdebatte über Handelsungleichgewichte könnte die Finanzreform auf dem zweitägigen Gipfel überlagern. Tatsächlich reicht die Gipfel-Agenda von den Banker-Boni über Klimaschutz, den Welthandel und künftige Wachstumsstrategien bis hin zur Debatte über eine Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Schaffung einer Art Weltwirtschaftsregierung.

Punkte für den Wahlkampf zu Hause will auch Großbritanniens Premierminister Gordon Brown beim G-20-Gipfel sammeln. Zwar ist der voraussichtliche Wahltermin in Großbritannien etwa noch sechs Monate entfernt, aber Brown will sich auf dem Labour-Parteitag in Brighton in der kommenden Woche gerne wieder einmal als Retter der Weltwirtschaft, wenn nicht gleich des Globus feiern lassen.

Globale Politik macht dem britischen Regierungschef mehr Spaß als das Gerangel zu Hause, die Spekulationen um seinen Amtsverzicht vor der Wahl oder die Aussicht auf eine fast unvermeidbare Wahlniederlage. Browns Blick ist jetzt weiter in die Zukunft gerichtet, auf die „fünf dringlichen Herausforderungen“, durch die die Welt auf die Probe gestellt werde wie durch keine Krise seit 1945. Vor der UN-Vollversammlung in New York zählte er sie auf: Globales Wachstum, Klimawandel, atomare Abrüstung, Afghanistan und Weltarmut. Bonuszahlungen für Banker gehörten nicht dazu.

Brown sieht die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der G 20 als das entscheidende Gremium für diese weltweite Zusammenarbeit. Am liebsten würde er die G 20 zu einer kontinuierlichen, effektiven Weltwirtschaftsregierung ausbauen. Immer wieder betont er, dass es für die globalen Probleme nur globale Lösungen gebe – das gilt natürlich auch für Bonuszahlungen.

So sieht man in London mit milder Irritation auf den neuen Streit, der sich zwischen Deutschland und Großbritannien, oder Europäern und Angelsachsen, über die Finanzregulierung anbahnt. Im „Stern“ hat Steinbrück diesen Streit nach Kräften geschürt. In London sei „eine Lobby am Werk, die einen Wettbewerbsvorteil mit Zähnen und Klauen verteidigen will“, erklärte er zu Londons angeblicher Weigerung, bei der schärferen Regulierung der Finanzbranche und der Hedgefonds mitzumachen.

„Deutschland erklärt den Wirtschaftskrieg“, bloggte der Journalist Ambrose Evans-Pritchard von der Zeitung „Daily Telegraph“ daraufhin. Steinbrück wolle „einen Teil der britischen Wirtschaft schließen“ – just in dem Moment, da Deutschland versuche, mit Milliardenkrediten Opel-Jobs auf Kosten anderer europäischer Arbeiter zu retten. Die „Financial Times“ blieb zurückhaltender und warnte vor den „Lastern der Provinzpolitik“.

Auch Brown und die Briten wollen Bonuszahlungen regulieren, aber nicht mit der Holzhammermethode und nur im internationalen Verbund. Niemand in London glaubt, dass Hedgefonds irgendetwas mit der Krise zu tun haben. Managergehälter sieht man nur als einen Teil im großen Puzzle der Krise.

Vor dem Gipfel in Pittsburgh hat Brown die Forderung erhoben, dass die Welt ihre Anstrengungen verdoppeln müsse, um Wachstum zu sichern. Der britische Regierungschef fürchtet, dass die Welt zu abrupt von kreditfinanzierten Wachstumshilfen in einen Sparkurs verfällt, und will eine „globale Übereinkunft für Wachstum und Jobs“. Dazu gehöre auch eine Vereinbarung zugunsten einer ausgeglicheneren Weltwirtschaft: China müsse mehr selber konsumieren und weniger exportieren, lautet Browns These. Denn Chinas riesige Währungsreserven, die über billige Kredite den Kreditboom im Westen mitfinanzierten, waren in den Augen des britischen Premiers und der Londoner Banker mindestens genauso verantwortlich für die Krise wie Banker-Boni.

Überraschend machte Brown am Donnerstag dann noch einen Schachzug in Richtung der von ihm gewünschten Weltwirtschaftsregierung, den man in Berlin mit Stirnrunzeln verfolgte. Er bugsierte eine seiner engsten Mitarbeiterinnen, die britische G-20-Koordinatorin Baroness Shriti Vadera, in eine neue Schlüsselposition bei den G 20 – und sicherte sich damit anhaltenden Einfluss.

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