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Tatort Weserstadion: Polizeieinsatz im März am Rande des Spiels Werder Bremen gegen HSV.

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Update

Fußball und Gewalt: Bundesliga soll für Polizeieinsätze zahlen

Bremen will einen Teil der Kosten an die Fußballvereine weitergeben, die für Polizeieinsätze gegen gewalttätige Fans entstehen. Berlin und Bayern lehnen das jedoch ab.

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Die rot-grüne Koalition in Bremen macht jetzt ernst mit ihrem Plan, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an den Polizeieinsatzkosten bei Risikospielen zu beteiligen. Die Landesregierung, der Senat, brachte am Dienstag einstimmig eine entsprechende Änderung des Gebührenrechts auf den Weg. Demnach soll die DFL künftig bei allen Bremer Großbegegnungen, bei denen „erfahrungsgemäß mit Gewalthandlungen von Besuchern zu rechnen ist", diejenigen Polizeikosten erstatten, die durch ein verstärktes Beamtenaufgebot entstehen.
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) erläuterte die geplante Neuregelung so: Bei friedlichen Spielen seien etwa 200 Polizisten im Einsatz. Diese „normale Grundlast“ bleibe auch künftig immer gebührenfrei. Bei Begegnungen mit Krawallrisiko müsse der Veranstalter aber die darüber hinaus entstehenden Kosten tragen. Zum Beispiel seien im März beim Nordderby Werder gegen HSV rund 1 200 Beamte im Einsatz gewesen. Künftig müsse die DFL als Bundesliga-Gesamtveranstalter die Differenz zwischen 1200 und 200 Beamten bezahlen. Das könnten 300 000 bis 500 000 Euro pro Spiel sein, so Senator Mäurer. Der Stundensatz pro Polizist betrage 55 Euro; hinzu kämen Fahrzeug- und Unterbringungskosten.

Bis zu zwei Millionen jährlich wegen Fußballgewalt

Nach der Sommerpause soll das Bremer Parlament, die Bürgerschaft, das neue Gebührenrecht beschließen. Nach Mäurers Worten könnte es dann erstmals im Dezember beim Spiel Werder gegen Hannover 96 angewandt werden. Weitere Kandidaten seien der HSV und möglicherweise auch Frankfurt oder Dortmund. Das hänge von einer Risikobewertung im Einzelfall ab.
Fraglich ist allerdings, ob Bremens Alleingang juristisch Bestand haben wird. Die DFL kündigte sofort an, sie werde sich „mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen“. Auch Mäurer räumte ein, dass das Vorhaben „rechtlich alles andere als hundertprozentig sicher“ sei. Aber: „Wir sind überzeugt davon, dass wir gute Argumente haben.“ Die Innenminister der anderen Bundesländer sähen das Thema als „äußerst vermintes Gelände“ und würden ihre ablehnende Haltung zum Bremer Alleingang wohl erst dann ändern, „wenn wir erfolgreich aus dem Verfahren rausgehen“. Mäurer schloss allerdings auch einen Kompromiss mit der DFL nicht aus – je nachdem, wie das Urteil in der ersten Instanz ausgeht. Vielleicht könne man sich dann „in der Mitte treffen“.
Warum die DFL und nicht Werder zahlen soll, begründete Mäurer mit zwei Gesichtspunkten: Der Bremer Club solle keine Wettbewerbsnachteile gegenüber Vereinen in anderen Bundesländern erleiden; außerdem sei er „allenfalls Mitveranstalter“ der Spiele. Hauptveranstalter sei die DFL. Sie treffe die wesentlichen Entscheidungen über die Termine oder die Zahl der Eintrittskarten für gegnerische Fans. Zudem sei sie „wirtschaftlich die Hauptbegünstigte“. Allein für die Medienrechte der nächsten vier Jahre erhalte sie 2,5 Milliarden Euro. Das hoch verschuldete Bremen dagegen müsse jährlich 1,5 bis zwei Millionen Euro für die Sicherung riskanter Spiele ausgeben.

Auch der Innenminister hat Bedenken

Formal gilt die geplante Gebührenpflicht nicht ausdrücklich für Fußballspiele, sondern für alle gewinnorientierten Großveranstaltungen mit mehr als 3 000 Besuchern, bei denen erfahrungsgemäß Ausschreitungen zu erwarten sind. Faktisch erfüllen derzeit aber nur bestimmte Bundesligaspiele diese Kriterien, wie Mäurer betonte. DFL-Präsident Reinhard Rauball nannte Bremens Vorstoß „einen verfassungsrechtlich unhaltbaren Weg“.
Der Senat hatte auch geprüft, ob er statt des Gebührenrechts lieber das Polizeirecht als juristische Grundlage verwenden sollte. Danach könnte eine sogenannte „Störerhaftung“ gelten, wenn die DFL Ausschreitungen billigend in Kauf nähme. Passender ist laut Mäurer aber das Gebührenrecht. Denn dabei gehe es „ohne moralischen Vorwurf“ allein um den „geldwerten Vorteil“, den jemand habe, wenn der Staat Leistungen für ihn erbringe - so ähnlich wie bei Gebühren für die Polizeibegleitung bei Schwertransporten. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sei unabhängig von der Kassenlage allein Aufgabe des Staates. „Das Bremer Anliegen kommt einer Blanko-Vollmacht zur willkürlichen Belastung Einzelner gleich“, meinte Rauball.

Berlin und Bayern machen nicht mit

In Berlin ist nicht geplant, die DFL an Polizeieinsatzkosten bei Risikospielen zu beteiligen. Bremen habe das beschlossen, sei damit aber „allein auf weiter Flur“, hieß es in Senatskreisen. In den Gremien der Innenministerkonferenz sei dieses Thema mehrfach erörtert worden. Statt einer Kostenbeteiligung hätten die DFL und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zugesagt, mehr Geld in die Anti-Gewalt-Fanprojekte zu investieren. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält wenig vom Vorstoß seines Bremer Kollegen. "Die Veranstalter von Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen sind generell in den eigenen Räumen und eigenen Veranstaltungsorten für den geordneten Ablauf selbst zuständig", sagte er. Für die öffentliche Sicherheit und Ordnung habe dagegen der Staat und damit die Polizei zu sorgen. "Wenn HSV-Fans am Marienplatz in München randalieren, kann man nicht den FC Bayern dafür verantwortlich machen." Der Beitrag der Vereine müsse es sein, Gewalttäter auf Dauer von Fußballspielen auszuschließen und gegen Pyrotechnik einzuschreiten."

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