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So würde es heute in der Alten Försterei normalerweise aussehen im Spiel gegen den FC Bayern. Corona lässt es nicht zu.

© Imago

Fußball-Bundesliga in Corona-Zeiten: Wie der kleine 1. FC Union die mächtigen Bayern ohne Fans besiegen will

Jedes Heimspiel ist ihr Highlight, doch gegen Bayern München hätten die Unioner besonders gerne gezeigt, was Fan-Krach bewegt. Ist eine Sensation ohne sie drin?

Das Grün des Rasens, gleichmäßig auf rund 25 Millimeter heruntergeschnitten, glänzt im Sonnenschein. Mehr als zwei Monate wurde hier nicht gespielt, Gras wie Teppich, eine Einladung für jeden Fußballer. Pierre Lüttge hat keinen Ball ins leere Stadion an der Alten Försterei mitgebracht.

Stattdessen zuppelt der mittelgroße Mann mit schwarzem Haar und schwarzer Brille, der viel raucht, aber ruhig redet, noch mal an dicken, hellroten Gummibändern, die hinter den Auswechselbänken um einige Sitzreihen gespannt sind. Die Bänder sollen verhindern, dass man die Sitze herunterklappen kann, sie markieren auch den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zu den Fußballprofis, die nicht alle auf die Ersatzbank dürfen.

Ein Foto davon hat der 36 Jahre alte Veranstaltungsleiter des 1. FC Union an den FC Bayern geschickt, die Verantwortlichen in München wollen sehr genau wissen, was sie hier im Stadion erwartet.

Sonntag um 18 Uhr steigt auch der 1. FC Union in den ersten Corona-Spieltag ein, ins Geisterspielexperiment der Deutschen Fußball-Liga. Hier wird dann der mächtige FC Bayern München auflaufen, den die einen lieben und die anderen hassen. Zu normalen Zeiten wäre es für Union eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte. Lüttge seufzt: „Wenn du Leistungssport machst, willst du dich mit den Besten messen. Jetzt kommen die Besten. Jetzt kommt der FC Bayern. Aber ohne unsere Fans…“

Er schweigt. Denn auch Trainer Urs Fischer wird wegen eines Todesfalls in der Familie nicht im Stadion helfen können.

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Lüttge weiß, dass der organisatorische wie bürokratische Aufwand für so ein Geisterspiel größer ist als für ein normales Match. Was er nicht weiß: Was werden Corona und diese Spiele ohne Zuschauer aus der engen, ja oft innigen und emotionalen Verbindung zwischen Fans und Klubs machen, in Berlin-Köpenick und überall sonst im Land?

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

22 012 Zuschauer passen in das Stadion in der Wuhlheide. Bei Bundesligaspielen sitzen nur 3600 davon, gegen den FC Bayern würden alle anderen wie immer gedrängt stehen und hopsen und Fahnen schwenken. Bengalos würden brennen und die Unioner würden dem Rekordmeister mit viel Leidenschaft zeigen wollen, wer man ist und was es heißt, „eisern“ zu sein. Und dass man damit lebt, was Nina Hagen in der Hymne bezeugt: „Hart sind die Zeiten und hart ist das Team“. Es wäre so krachend laut, dass die Kleinsten Ohrenschützer brauchten.

Vor dem Eingang wird Fieber gemessen

Am Freitagmittag ist nur das Surren des Rasensprengers zu hören und der Rasenmäher des Greenkeepers. Dann klingelt Pierre Lüttges Handy. Und wieder mal muss er ein Problem lösen, das er vor Corona gar nicht kannte. Jeder, der ins Stadion will, muss natürlich gesund sein, es wird vor dem Eingang Fieber gemessen. Damit nicht geschummelt wird, kontrolliert eine zweite Person den Kontrolleur.

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Zeigt das Thermometer mehr als 38,0 Grad, muss die Person draußen bleiben. Jeder muss einen Fragebogen ausfüllen, auf dem steht etwa, ob man Kontakt mit infizierten Personen hatte.

Lüttge stutzt, der Anrufer will wissen, ob das auch für das medizinische Personal gelte, schließlich sei bei denen ja die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Kontakt hoch, und ob die dann nicht rein dürften... Lüttge weiß es nicht. Er rät: „Ruf den Hygienebeauftragten an.“

Unions Veranstaltungsleiter Pierre Lüttge im leeren Stadion in der Alten Försterei.
Unions Veranstaltungsleiter Pierre Lüttge im leeren Stadion in der Alten Försterei.

© ale

Pierre Lüttge ist Angestellter der „Eisernen“, wie sich der Klub aus der Wuhlheide nennt; einst, vor 100 Jahren, waren sie die „Schlosserjungen“, weil die Leute hier bei Siemens oder der AEG in den Kabelfabriken malochten. Lüttges Vater war Unioner mit Leib und Seele, doch weil es Streit zu Hause mit der Mutter gab, die den Fußball überhaupt nicht mochte, war Lüttge erst 2001 das erste Mal im Stadion. Da war Union gerade nach zehn Anläufen in die Zweite Liga aufgestiegen, um bald wieder abzusteigen.

Schriftsteller Nick Hornby hat der Liebe zum Fußball ein Denkmal gesetzt

Der Vater, der den Klub mit seiner Firma unterstützte, hatte Karten für die erste Reihe. Und Lüttge, der jetzt wieder direkt am Spielfeld steht, erinnert sich, dass Grashalme bei Zweikämpfen bis zu ihm hoch spritzten, die Tribüne war damals noch näher am Spielfeld als heute. Jeder Tritt, jeder Schrei, selbst heftiges Atmen nach dem Sprint waren zu hören.

Es war sein Nick-Hornby-Moment, der Schriftsteller hat der Liebe zum Fußball in seinem Roman „Fever Pitch“ ein Denkmal gesetzt mit dem Satz: „Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit…, die damit verbunden sein würden.“

Die Stars des FC Bayern kommen nach Köpenick, hier Mittelstürmer Lewandowski (r.) und Trainer Flick.
Die Stars des FC Bayern kommen nach Köpenick, hier Mittelstürmer Lewandowski (r.) und Trainer Flick.

© Sven Hoppe/dpa

Diese unkritische Liebe wird zurzeit auch für den härtesten Fußballanhänger auf eine Probe gestellt. Seit Samstag läuft nach heftigen Debatten innerhalb und außerhalb des Fußballs dieser erste Geisterspieltag. Von den leeren Rängen der Stadien hallt jeder Ruf und jede Ballberührung auf den Rasen zurück. Der TV-Sender Sky bietet den Zuschauern an, per Fernbedienung „Stadionatmosphäre“ dazuzuschalten, Gesänge und Applaus aus der Konserve.

Die Ultra-Fans, die sonst meist 90 Minuten ohne Pause singen, hatten sich schon vorher klar positioniert: Sie lehnen Geisterspiele ab. Diese seien der letzte Beweis der verkommenen Moral des Fußballs, der nur am Kommerz Interesse habe und daran, dass Fernsehgelder fließen, auch ohne Fans.

Fan-Kultur heißt bei Union, die Ideen der Fans umzusetzen und alle einzubeziehen

In den einschlägigen Fußball-Fanforen oder Podcasts, wie etwa „Drei90Ultras“ oder dem Union-Podcast „Textilvergehen“, sind die Meinungen differenzierter: „Ich will nicht, dass ein Spieler seine Gesundheit, vielleicht sein Leben riskiert für meine Unterhaltung“, sagt ein Unioner. Vereinspräsident Dirk Zingler sagt zu der Kritik: „Niemand glaubt, etwas Gutes zu tun, sondern das Bestmögliche unter den schlechtesten Fällen zu ermöglichen.“

Doch nicht nur hier in Köpenick, sondern landauf, landab, sind selbst die traditionsbewussten Fans verunsichert, gerade weil der Fußball und ihr Klub ihre große Liebe sind.

28000 Fans kommen zum Weihnachtssingen des 1. FC Union in die Alte Försterei
28000 Fans kommen zum Weihnachtssingen des 1. FC Union in die Alte Försterei

© Hannibal Hanschke/Reuters

Der 1. FC Union steht mit seinen Fans, seiner Fan-Kultur, zu der etwa das jährliche Drachenbootrennen, das Weihnachtssingen oder der „Tunnel of Fame“ gehören, in dem man nach britischem Vorbild Stadionsteine mit Gravur kaufen kann, nicht allein. Sondern stellvertretend für viele Fans in aller Welt. Sie eint das Gefühl, dass gewinnen schön ist, aber eben nicht um jeden Preis; und dass der Preis niemals über das Zusammengehörigkeitsgefühl gehen sollte.

Der Kommerz, der Spielerhandel, die astronomischen Ablösen für Fußballer, die gar keine Superstars sind – alles das wird gefährlicher als Corona bleiben für die irrationale Liebe.

Hans van der Meer hat die Verbundenheit zum Fußball eingefangen

Normalerweise gehen jedes Wochenende Hunderttausende Deutsche in Stadien. Und trotzdem werden Menschen, die den Fußball nicht mögen, sie nicht verstehen können. Diese emotionale Bedeutung, das Identitätsschaffende, wird nicht allein dadurch nachgewiesen, dass Milliarden Menschen rund um den Erdball bei Weltmeisterschaften oder Endspielen der Champions League zuschauen. Sie wird nachgewiesen auf den unzähligen und unbekannten Wald- und Wiesenplätzen in Deutschland und anderswo.

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Der holländische Fotograf und Dokumentarist Hans van der Meer hat diese epische Verbundenheit in unterklassigen Ligen gefunden und mit der Foto- und Filmkamera festgehalten. Auf einer Videodokumentation sieht man einen rumpeligen Rasenplatz im belgischen Nirgendwo, dahinter Wiesen, Felder, Hügel.

Berlin spielt nicht international, die Vielfalt der Fußball-Klubs ist es

Auf einer Seite steht ein Pferd allein wie ein einsamer Zuschauer und blickt zum Torwart, auf der anderen Seite sieht man eine alte Holztribüne, vollbesetzt, dann zoomt die Kamera heran an die Gesichter, man sieht und hört das Mitfiebern, Aufstöhnen, Meckern, die Wut und die plötzlich frei werdende Emotion und Freudetrunkenheit beim Tor.

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Berlin ist die einzige europäische Hauptstadt, die keinen Klub hat, der international eine Rolle spielt. Und doch ist diese Fußball-Kultur, die van der Meer sucht, in dieser Stadt auf engem Raum auch ohne „Big City Club“ so ausgeprägt wie sonst wohl nur noch im Ruhrgebiet. In der Doku des britischen Fußball-Digitalkanals Copa90 vor dem ersten Bundesliga-Derby zwischen Union und Hertha staunt der Reporter über diese Vielfalt.

Ein paar von den rund 450 Berliner Klubs werden kurz, aber liebevoll vorgestellt, der Reporter resümiert: „Der Fußball-Klub in Berlin sagt, woher du kommst, wer du bist, welche Identität du hast.“

Einmal Unioner, immer Unioner. Viele Fans schätzen es, dass der Verein sich einbezieht und ihre Ideen aufnimmt.
Einmal Unioner, immer Unioner. Viele Fans schätzen es, dass der Verein sich einbezieht und ihre Ideen aufnimmt.

© imago/Sebastian Wells

Nadine Hornung war mit 18 Jahren unter den 2333 Helferinnen und Helfern, die 2009 das Union-Stadion ausbauten. Sie hat damals Nachtwachen übernommen, damit kein Baumaterial geklaut wird. Freitagnachmittag steht sie in grauem Union-Hoodie vor der geschlossenen Vereinskneipe Abseitsfalle. Vor einem Spiel wie gegen die Bayern, sagt sie, wäre das Gelände rund um das Stadion bis zum S-Bahnhof Köpenick ab mittags voll von Fans. Jedes Heimspiel ist, eigentlich, ein Highlight im Leben.

Die Atmosphäre, der Kampf, die Nähe zum Spielfeld überzeugten sie

Wenn sie mit einem Wort beschreiben sollte, was der 1. FC Union für sie bedeutet, antwortet sie: „Familie“. Und was tut der Verein für sie? „Er nimmt einen ernst und lässt zu, dass jeder sich nach seinen Fähigkeiten einbringen kann.“ Wie jetzt, während der Coronakrise, in der sie ein Web-Radio gegründet und viele soziale Aktionen organisiert haben. Sie selbst twittert für einen der vielen Fan-Klubs.

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Nadine Hornung, von Beruf Postzustellerin, ist hier in Köpenick geboren, hat in Adlershof und Altglienicke als Verteidigerin gekickt. Damals waren ihre Freunde Hertha-Fans, sie ging ins Olympiastadion, aber ihre Horterzieherin in der Schule stichelte und schenkte ihr Union-Utensilien, ein Kissen, eine Spardose, bis sie mit 14 Jahren mitging.

16. Mai 2004, 33. Spieltag, 2:2 gegen den Karlsruher SC. Sie erinnert sich, wie sie auf der Gegentribüne steht, auf die Ultras an der Waldseite schaut, heute sagt sie: „Es war die Atmosphäre, der Kampf, die Nähe zu den Spielern, alles das.“

Auch sie hat mit anderen Unionern viel diskutiert über diese Geisterspiele, aber auch über die Zukunft ihres Klubs. Einerseits macht sie sich Sorgen um die Spieler. Andererseits: Würde es keine Geisterspiele geben, würde es vielleicht auch ihren 1. FC Union bald nicht mehr geben, weil er keine Einnahmen mehr hat.

Nadine Hornung, 29 Jahre alt, vor den geschlossenen Kassen am Eingang.
Nadine Hornung, 29 Jahre alt, vor den geschlossenen Kassen am Eingang.

© ale

Ob sie das Bayern-Spiel anschauen wird, weiß sie noch nicht. „Ich will eigentlich nicht.“ Sie zieht die Schultern hoch. Vermutlich schaue sie es doch. Nur bei einer Frage ist sie ganz sicher. Wird die Beziehung zwischen ihnen und dem Klub dauerhaft wegen der Geisterspiele gestört werden? Sie grinst und sagt: „Nein. Die Beziehung hält ein Leben lang.“

Pierre Lüttge kennt diese Beziehungskiste, mit ihren Tiefs und Hochs, sein Vater hat sie ihm vorgelebt; und Lüttge ist zwar angestellt, aber auch Fan und Teil der Vereinskultur. Als Veranstaltungsleiter muss er seine Gefühle beherrschen, und an die Fans und Mitglieder, knapp 37 000 hat der Verein, appellieren, dass sie „auch wirklich zu Hause bleiben“ – auch wenn Bayern kommt.

Exakt 321 Personen dürfen in das Stadion, 70 von ihnen aus den Teams

Die Polizei wird gleich neben dem Stadion auf dem Lidl-Parkplatz Quartier beziehen und kontrollieren, dass sich tatsächlich niemand nähert. Liebe macht bisweilen unvernünftig, vielleicht auch Bayern-Fans.

Am frühen Sonntagabend dürfen exakt 321 Menschen im Stadion sein: 36 kommen jeweils aus den beiden Teamdelegationen samt Spieler, hinzu kommen 64 Ordner, achtmal Hygienepersonal, vier Polizisten, zwei Feuerwehrleute, zehn Journalisten, drei Fotografen. Der Rest gehört zu Sportcast, einer DFL-Tochter, die das Basissignal für die Übertragung steuert. Eingerechnet sind hier Leute von Sky oder der ARD, ebenso Mitarbeiter für die Übertragungstechnik, die LED-Banden, Datendienste oder das Glasfasernetz.

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Der Veranstaltungsleiter spricht es nicht aus, aber was er wirklich fürchtet, ist ein Fall wie der des nun suspendierten Hertha-Profis Salomon Kalou, der ein Video live aus der Hertha-Kabine auf Facebook streamte, das zeigte, dass die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln nicht ernst genommen werden.

Lüttge weiß, dass ein Spiel des FC Bayern immer „weltweit beachtet“ wird. „Alle schauen auf uns, wir dürfen das nicht verkacken.“ Lüttge meint nicht die Spieler, sondern „Fans und Verein, jeder Mitarbeiter hat Verantwortung“.

Er sollte die Baustelle am laufen halten, und er tat es

Doch Union-Fans neigen nicht zu Dingen, die dem eigenen Klub schaden. Sondern zum Zusammenhalt. Für Pierre Lüttge entstand aus diesem Gemeinsinn der Fans, die nicht nur schon Geld, sondern für Geld auch Blut gespendet haben, sein persönliches Identitätserlebnis. Mit dem Vater war er seit dem 17. Lebensjahr im Stadion, doch neben dem Studium des Sportmanagements, das er in Braunschweig absolvierte, war er bei Union zunächst Praktikant:

Erst in der Kommunikation, dann im Marketing, schließlich im Baubüro, das den Ausbau des Stadions mit den Fans organisierte. „Was ist meine Aufgabe?“, fragte Lüttge, die Antwort: „Deine einzige Aufgabe ist, dass diese Baustelle nie still steht.“ Seitdem hat ihn Union selbst nicht stillstehen lassen.

In einer Ausstellung im Stadion zeigen die Ultras wie sie ihre Choreos im Stadion vorbereiten - harte Arbeit.
In einer Ausstellung im Stadion zeigen die Ultras wie sie ihre Choreos im Stadion vorbereiten - harte Arbeit.

© ale

Wurden damals Metallbauarbeiter gesucht, besorgte er sie, wurden Gärtner gebraucht, holte er die, und wenn einfach viele Hände nötig waren, wie etwa für das Tragen der Sitzplatzschalen, mussten diese Hände eben organisiert werden. Er dokumentierte alles akribisch, schon aus Versicherungsgründen.

Der Vater war dabei - auf einem Bild im Stadion

Deshalb ist die Zahl 2333 verbürgt, die Anzahl derer, die zwölf Monate lang und in 144 000 unbezahlten Arbeitsstunden die neue Tribüne bauten. Heute sind die Namen aller Helfer auf Stahlplatten im hauseigenen Bau-Denkmal eingraviert.

Im Stadion klingelt wieder Pierre Lüttges Handy, Mitarbeiter des Gesundheitsamts warten auf ihn. Als Union 2019 endlich das erste Heimspiel in der Bundesliga spielen durfte, war auch sein 2009 verstorbener Vater im Stadion – auf einem Bild. Die Fans hatten die Aktion „Endlich dabei“ angeregt, der Verein druckte für sie Fotos der Toten, die zu Tausenden im Stadion hochgehalten wurden.

Lüttge musste ja im Stadion arbeiten, deswegen bat er seine Schwester zu kommen, die Fußball hasst und nie in einem Stadion war. Sie kam und hielt das Foto in die Höhe, das Lüttge jetzt auf seinem Handy zeigt. Tränen stehen in seinen Augen.

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