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Gewaltkulisse. Zu massiven Ausschreitungen zwischen Linksautonomen, Randalierern und Polizei kam es Anfang Juli 2017 beim G20-Gipfel in Hamburg.

© Markus Scholz/dpa

Update

Fünf Monate nach dem G20-Gipfel in Hamburg: Foto-Fahndung: 50 Hinweise, ein Geständnis - und Kritik

An der Fahndung mit massenweise Bildern der Medien, Bürger und aus der Überwachungstechnik wird Kritik laut. Linksautonome stellen Polizisten-Fotos ins Internet.

Von Carsten Werner

Einen Tag nach Beginn der öffentlichen Fahndung nach mutmaßlichen G-20-Randalierern hat sich ein Verdächtiger bei der Hamburger Polizei gemeldet und gestanden, an der Plünderung eines Supermarkts beteiligt gewesen zu sein. Darüber hinaus gingen mehr als 50 Hinweise ein. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten am Montag die Fotos von 104 Verdächtigen ins Internet gestellt, denen meist gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch oder Brandstiftung vorgeworfen werden.

Berliner Linksautonome hatten als Reaktion auf die Fahndungsaktion Fotos von 54 Polizisten ins Internet gestellt, die an Häuserräumungen im Berliner Stadtteil Friedrichshain teilgenommen haben sollen. Dazu schrieben sie: „Wir freuen uns über Hinweise, wo sie wohnen oder privat anzutreffen sind.“ Sie könnten „bedenkenlos für die Gewalt der drei Wochen der Belagerung verantwortlich gemacht werden.“ Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster kritisierte die Aktion scharf: „Das ist der Beginn von Terror“, sagte er im ZDF. Der Staat könne es sich nicht bieten lassen, „wenn Jagd gemacht wird auf Polizeibeamte“. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte: „Diese Zeilen sind abscheulich, diffamierend und das Resultat gewaltverherrlichender und -ausübender Grundhaltung.“ Die Verantwortlichen schürten Hass, das müsse „strafrechtliche und politische Konsequenzen haben“.

Linke und Grüne in der Hamburger Bürgerschaft kritisierten die Polizei. „Das ist Stimmungsmache und ich frage mich, wie ein solches Vorgehen durch ein Gericht abgesegnet werden konnte“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider. Den Abgebildeten drohe lebenslange Stigmatisierung, egal ob sie verurteilt würden oder nicht. Es höre „sich an nach Menschenjagd“, dass der Leiter der Soko „Schwarzer Block“ angekündigt habe: „Wir kriegen viele von euch, da könnt ihr sicher sein.“ Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sprach von „Steckbriefen wie zu Zeiten der RAF-Hysterie“. Telefonhotlines öffneten Denunziantentum Tür und Tor.

Bei der Auswertung von zehn Terabyte Bilddaten hilft Gesichtserkennungssoftware

Gut fünf Monate nach den Krawallen beim G-20-Gipfel haben Polizei und Staatsanwaltschaft in Hamburg eine Öffentlichkeitsfahndung mit Fotos und Videos mutmaßlicher Gewalttäter begonnen. Neben polizeilichen Aufnahmen wurden auch Überwachungskameras von Bussen, Bahnen und Bahnhöfen ausgewertet, außerdem luden viele Bürger Tausende Dateien über ein Hinweis-Portal hoch. Das NDR-Magazin „Zapp“ hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass auch zahlreiche Medien gebeten wurden, nicht veröffentlichtes Bildmaterial zur Verfügung zur stellen. Der Polizei liegen riesige Datenmengen von mehr als zehn Terabyte vor, bei deren Auswertung Geodaten und Gesichtserkennungssoftware helfen sollen.

Polizei und Staatsanwaltschaft präsentierten am Montag in Hamburg den Medien Videosequenzen und Fotos, die Verdächtige beim Plündern von Geschäften oder dem Anzünden von Autos zeigen. Die Aufnahmen wurden unter anderem auf den Internetseiten der Hamburger Polizei veröffentlicht. Insgesamt führen die 165 Ermittler der Soko „Schwarzer Block“ 3000 Ermittlungsverfahren, die Aufnahmen wurden für die Öffentlichkeit nach fünf Tatkomplexen geordnet.

Journalistengewerkschaft kritisiert die Nutzung von Medienmaterial

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di hatte die Weitergabe von ungesendeten Aufnahmen der G20-Proteste an die Ermittlungsbehörden abgelehnt: „Das Redaktionsgeheimnis und der Informantenschutz sind ein wertvolles Gut, das es zu schützen und zu bewahren gilt“, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Journalistengewerkschaft, Cornelia Haß. „Journalistinnen und Journalisten sind nicht der verlängerte Ermittlungsarm der Polizei“, kritisierte sie. Die Zusammenarbeit mit der Polizei habe fatale Folgen für die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit journalistischer Arbeit. Laut dem „Zapp“-Bericht sind einige Redaktionen der Bitte der Polizei nachgekommen. Anfragen der Polizei gingen demnach unter anderem an NDR, ZDF, N24, RTL, Sat.1 und n-tv sowie an mehrere Produktionsfirmen.

Der G20-Gipfel vom 6. bis zum 8. Juli in Hamburg war von schweren Krawallen überschattet. Die Polizei schätzt, dass 5000 bis 6000 Täter aktiv waren. Randalierer hatten unter anderem Barrikaden und Autos in Brand gesteckt sowie Polizisten angegriffen. Dabei waren massenhaft Bildaufnahmen entstanden. Bei Razzien in acht Bundesländern hatte die Polizei am vergangenen Dienstag Beweise gesichert, um einen Angriff auf Polizisten am Rande des Gipfels aufzuklären und Anklagen gegen die Tatverdächtigen vorzubereiten. Inzwischen gab es auch die ersten mehr als 20 Strafprozesse gegen Randalierer und Plünderer. Die bislang höchste Strafe dabei verhängte Strafe waren drei Jahre und drei Monate Haft. Sie ist aber bislang nicht rechtskräftig.
(mit dpa/epd/AFP)

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