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Der damalige US-Präsident Barack Obama am 24. Juni 2008 an der Siegessäule in Berlin

© dpa/Rainer Jensen

Früherer US-Präsident zu Besuch: Weniger Obama-Nostalgie könnte helfen

Obama widerlegte antiamerikanische Klischees. Er und Trump repräsentieren Facetten eines Landes, das sich für deutsche Träume kaum eignet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Er hat mehr Drohnen eingesetzt als jeder andere US-Präsident. Er ließ die Katastrophe in Syrien geschehen, ohne einzugreifen; selbst als rote Linien überschritten wurden, tat er nichts. Er hat stur an Guantanamo festgehalten. Außerdem verlangte er von Deutschland, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Jetzt ist er wieder hier – und die Liebe der Deutschen zu Barack Obama war innig, ist innig und wird wohl noch inniger werden.

Der ehemalige US-Präsident steht für jene gute, alte Zeit, die mit seinem Wahlkampfauftakt vor der Siegessäule in Berlin begann und mit seiner hemdsärmeligen Verehrungsrede an die Adresse der Deutschen und Angela Merkel in der glühenden Sonne vor dem Brandenburger Tor nicht endete. Obama fühlte sich wie ein Präsident der Deutschen an, als wäre er für sie gemacht.

Das Gefühl ist geblieben. Der Kontrast zu Donald Trump hat es sogar verstärkt. In Obamas Welt gab es Freunde und Partner, Konferenzen und Abkommen. Wann immer er auftrat, wähnte ein jeder, im Hintergrund Beethovens „Ode an die Freude“ zu hören. „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Ein Teil der Realität wurde dabei meist ausgeblendet – die bei Drohnenangriffen getöteten Zivilisten, die Untätigkeit, als das syrische Regime gegen das eigene Volk Giftgas einsetzte.

Weil in wesentlichen Fragen ein Grundkonsens vermutet wurde – von der Dringlichkeit, die globale Erderwärmung zu begrenzen, über die gemeinsamen Anstrengungen, das iranische Atomprogramm einzufrieren, bis zu den aufmunternden Bekenntnissen zu einem westlichen Wertesystem –, trat das Amerikanische in Obama nie in den Vordergrund. Dabei hatte sich auch unter ihm die strategische Wahrnehmung der USA längst in Richtung Asien verschoben. Obama hatte es nur geschickter als sein Nachfolger verstanden, dies den Europäern nicht bei jeder Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Deutschland, Europa: Das schien ihm wichtig zu sein, ein Herzensanliegen.

Der Schein ihres Objekts

Und nun Trump, der Bully, der Frauenverächter, der Unilateralist, der ungehobelte Twitterer, der Ausländerfeind, der Nationalist. Einer, der den Deutschen direkt ins Gesicht sagt, wie irrelevant sie geworden sind, wie bequem. Ohne Amerikas Verteidigungsschirm würden sie wehrlos vom russischen Vielfraß verspeist, dem sie aus Angst vor seiner Gier freiwillig für Milliardensummen Erdgas abkauften. Einer, der Merkels Flüchtlingspolitik als naives Gutmenschentum verspottet, das einst böse enden werde. Einer, der skrupellos Zölle auf Produkte erhebt, wenn er meint, dass die Exportländer sein Volk über den Tisch ziehen würden.

Trumps Deutschlandbild ist das Gegenteil der Vision, die er für sein eigenes Land hat. Das macht die Deutschen, mehr noch als Chinesen oder Russen, zu seinen Lieblingsgegnern.

Obama dagegen diente als perfekte Widerlegung aller antiamerikanischen Klischees. Oberflächlich, militaristisch, gierig, provinziell, rachsüchtig: Mit solchen Begriffen beschreiben Deutsche oft das Wesen der Amerikaner. Ronald Reagan, der Kalte Krieger aus Hollywood, und George W. Bush, der texanische Cowboy, schienen solche Vorurteile zu bestätigen. Doch dann zog der eloquente, charmante, gebildete, anständige Obama ins Weiße Haus ein. Plötzlich war das andere Amerika erwacht, ein Traum wahr geworden, eine neue Zeit angebrochen. Symbolisch steht dafür der manchmal fast verliebt wirkende Blick, den Merkel hatte, wenn sie in seiner Nähe war.

Nun ist Trump Präsident, Obama Ex-Präsident. Und die banale Wahrheit lautet: Beide repräsentieren die oft verwirrenden Facetten eines Landes, das sich als Projektionsfläche für deutsche Träume nur bedingt eignet. Mit etwas weniger Obama-Nostalgie und etwas mehr Willen dazu, Trump zu verstehen, könnten die Gemüter ins Lot kommen. Doch ob sie das wollen, ist eine andere Frage. Denn den Liebenden und Hassenden ist der Schein ihres Objektes in der Regel wichtiger als dessen Sein.

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