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Friedensprozess in Kolumbien: Ein Land kämpft mit der Droge

Kolumbien ist wieder zum weltgrößten Produzenten von Kokain aufgestiegen. Die daraus resultierenden Probleme drohen den Friedensprozess zu torpedieren.

Sie sind herrlich grün, die Hügel im Südwesten Kolumbiens – und das ist das Problem. Wenn Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos am Donnerstag bei US-Präsident Donald Trump um Unterstützung für den Friedensprozess wirbt, dürfte Trump die grünen Sträucher ansprechen. Denn an ihnen wächst das Kokablatt, der Grundstoff für Kokain.

Kolumbien mit seinen knapp 50 Millionen Einwohnern ist wieder zum weltweit größten Lieferanten der Droge aufgestiegen. Produzierte das Land 2008 noch 300 Tonnen, waren es 2016 knapp 700, so die Schätzungen der US-Anti-Drogen-Behörde. Die Anbaufläche verdoppelte sich demnach seit 2013 auf 188.000 Hektar (die UN gehen nur von 96.000 Hektar aus). Das ist den konservativen Beratern Trumps ein Dorn im Auge. Zu gerne würden sie den Krieg gegen die Drogen aus den 70er Jahren wieder aufleben lassen. Und das bringt Friedensnobelpreisträger Santos, der für die Umsetzung des Friedensvertrags auch Rückhalt aus den USA benötigt, in die Bredouille.

Dass die Anbauflächen wieder größer geworden sind, liegt zum einen am gestiegenen Preis für die Droge, während der zum Beispiel für Kaffee oder Kakao – traditionell alternative Einnahmequellen der Bauern – gefallen ist. Zum anderen gibt es ein Urteil des Verfassungsgerichts, das 2015 anordnete, den Anti-Drogenkampf aus der Luft mit Sprühflügen mit Glyphosat einzustellen, nachdem das Pflanzengift von der Weltgesundheitsorganisation als vermutlich krebserregend eingestuft wurde.

Treibstoff für den Konflikt war auch der Drogenhandel

Zudem ist es ein Nebeneffekt des Friedensabkommens von 2016 mit der linken Guerilla Farc, mit der sich der Staat ein halbes Jahrhundert lang einen Bürgerkrieg geliefert hat. Treibstoff für den Konflikt war auch der Drogenhandel, mit dem sich die Farc ebenso finanzierte wie ihre Gegner, die von Unternehmern und Großgrundbesitzern gegründeten Todesschwadrone.

Die Bauern, die dank des Kokablatts selbst in den abgelegensten Regionen überleben konnten, sollen dem Abkommen zufolge ihre Sträucher ausreißen und andere Pflanzen wie Kakao, Ananas und Bananen vermarkten. Dafür bekommen sie eine staatliche Hilfe von umgerechnet 4000 Euro pro Jahr sowie Geld für Infrastruktur und Projekte wie Fischteiche und Hühnerzucht.

Die Verträge werden nicht mit einzelnen Bauern, sondern mit Gemeinden geschlossen. Wo es keine Einigung gibt, fließt kein Geld, und das Militär rückt ein, um die Sträucher zu vernichten. Weil das Kapitel Drogen als eines der ersten ausgehandelt wurde, spornte die Aussicht auf Geld zahlreiche Bauern in den vergangenen Jahren an, Koka neu oder vermehrt anzubauen.

Bis Ende des Jahres will Santos in 40 Pilotgemeinden 50.000 Hektar ersetzt haben. 84.000 Familien, die 67.000 Hektar Koka anbauen, haben bereits eingewilligt. Doch viele zieren sich. Zum einen ist das Misstrauen groß in einen Staat, der besonders im Südwesten und der Pazifikregion bisher durch Abwesenheit geglänzt hat. Zum anderen geraten die Bauern unter Druck von Banden, die nach dem Abzug der Farc deren lukrative Geschäfte übernehmen wollen.

Die Regierung verliert die Geduld und schickt oft schon Militär zum Sträucherausreißen, bevor ein Abkommen unterzeichnet wurde – und torpediert sich damit selbst. „Die Anbauflächen von Koka und damit den Drogenhandel zu reduzieren ist für den Frieden unabdingbar“, sagt der Friedensbeauftragte der Regierung, Rafael Prado, dazu.

Es gibt noch weitere Probleme auf dem Weg zum Frieden

Die Drogen sind nicht der einzige Stolperstein auf dem Weg zum Frieden. Bisher seien nur zwölf Prozent des Abkommens umgesetzt, heißt es beim Friedensobservatorium, ein aus Akademikern und Bürgeraktivisten gebildetes Gremium. Der Staat hat große Investitionen in die abgelegenen Landesteile versprochen. Doch gerade dort schafft er es trotz erhöhter Militärpräsenz nicht, für Sicherheit zu sorgen. In der Region Chocó liefern sich seit Monaten Banden blutige Kriege um strategische Wasserstraßen, Kokafelder und Gold und vertreiben die Zivilbevölkerung – genauso wie im Bürgerkrieg.

Auch die Landreform kommt nur stockend voran. Von zehn Millionen Hektar geraubter Landflächen hat der Staat bislang nur eine Million beschlagnahmt und nur 200 000 an die vertriebenen Bauern zurückgegeben. Zudem muss das Land oft erst aufwendig von Minen geräumt werden. Menschenrechtler, Landaktivisten und Friedensbefürworter werden von neuen, paramilitärischen Gruppen bedroht. Seit Friedensschluss gab es bereits mehr als 100 Morde.

Hinzu kommt, dass die Waffenabgabe der Farc nur schleppend läuft, während die Farc-Anführer das Land bereisen und den Triumph ihres kommunistischen Kampfes verkünden. Das stößt der Mehrheit der Kolumbianer bitter auf. Aber auch der liberale Santos, der unter Verdacht steht, von der brasilianischen Baufirma Odebrecht illegale Wahlkampffinanzierung angenommen zu haben, kommt nur auf knapp 30 Prozent Zustimmung.

Die Friedenslösung unterstützen einer Gallup-Umfrage zwar 64 Prozent, aber 57 Prozent glauben, der Friedensprozess sei auf einem schlechten Weg. Das mag auch daran liegen, dass der Frieden finanziert wird durch Steuererhöhungen, die auch deshalb saftig ausfielen, weil der Staat durch den sinkenden Erdölpreis Einbußen erleidet. Die heimische Wirtschaft wächst weniger als zwei Prozent pro Jahr. Viele Firmen halten sich wegen der politischen Unsicherheit mit Investitionen zurück.

2018 stehen Wahlen an. Einer der Favoriten ist Santos Vorgänger Alvaro Uribe – ein harscher Kritiker des Friedensabkommens.

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