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Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed.

© AFP

Friedensnobelpreis an Abiy Ahmed: Eine weise Entscheidung

Die Auszeichnung für den äthiopischen Präsidenten ist ein Signal an Afrika und die Welt: Der Hass zwischen Völkern kann überwunden werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Es war eine weise Entscheidung, die das norwegische Nobelkomitee gefällt hat. Der wichtigste Preis für Verdienste um den Frieden geht in diesem Jahr an den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Die zwei Frauen und drei Männer des Komitees erweisen damit einen Mann ihre Hochachtung, der einen mörderischen Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea beendete und das Tor zur Versöhnung der Völker weit aufstieß.

Natürlich gab es auch Argumente für die Auszeichnung der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie hat mit der „Fridays for Future“-Bewegung eine lethargische Weltöffentlichkeit aufgerüttelt und die Politik gezwungen, sich unter dem Druck der auf die Straße gehenden Jugend mit den Gefahren der Erderwärmung konkret zu befassen.

Der Preis für sie wäre der für eine Vision gewesen, für das ganz große Ziel. Dafür ist es auch morgen nicht zu spät. „Fridays for Future“ wird, diese Prognose darf man wagen, als mentaler Treibsatz für eine globale Umweltbewegung erhalten bleiben.

Im Jahr 2019 wollte das Nobelkomitee aber offenbar einen ganz konkreten Schritt zum Frieden würdigen. Den Hass zwischen Völkern zu überwinden, einem aus ethnischen Vorurteilen und ideologischen Absolutheitsansprüchen resultierenden Bürgerkrieg den Boden zu entziehen, zum Frieden aufgerufen zu haben – dies ist die große Leistung von Abiy Ahmed Ali.

Er wurde 2018 zum Ministerpräsidenten gewählt – in einer Nation mit einer 3000-jährigen Geschichte, einem der am längsten existierenden Staatsgebilde der Welt überhaupt. Ein Land, in dem es mehr Unesco-Weltkulturerbe-Stätten gibt als im übrigen Afrika zusammen, und das doch wegen seiner inneren Zerrissenheit unendliche Mühe hatte und noch hat, als Gemeinschaft zusammen zu wachsen.

Die Jungen stärkten seine Kraft

Es sind die Jungen, die Abiy Ahmed Ali im vergangenen Jahr ihr Vertrauen schenkten. Sie stärkten in ihm die Kraft und den Willen, die Gräben zwischen Äthiopien und seiner einstigen Provinz Eritrea, die sich 1993 für unabhängig erklärt hatte, zu überwinden. Vorher hatten 20 Jahre sozialistischer Militärdiktaturen Äthiopien wirtschaftlich ruiniert.

Erst mit dem Amtsantritt Abiy Ahmeds begannen die Menschen, sich aus Lethargie und vermeintlicher Perspektivlosigkeit zu lösen. Sein Mut zu Reformen und zur Überwindung der Stammestraditionen belebten Wirtschaft und Gesellschaft.

Dass ihm jetzt der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde, ist ein Signal nach außen, an andere afrikanische Staaten, ebenfalls innere Konfliktlinien zu überwinden. Es ist aber auch ein Impuls des Vertrauens an die Äthiopier selbst, auf diesem Weg weiter voran zuschreiten.

Damit knüpft das norwegische Nobelkomitee, ohne das explizit zu sagen, an den Preisträger des Jahres 2016 an. Das war der damalige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos, der in seiner Heimat, ähnlich mutig wie Abiy Ahmed in Äthiopien, den 50 Jahre währenden Guerillakrieg mit der Farc beendete.

In beiden Ländern ist man noch längst nicht am Ziel. Aber dass diesmal keine supra-nationalen Organisationen ausgezeichnet wurden, erinnert daran, dass das friedliche Miteinander der Völker und Nationen ohne eine Basis nicht gedeihen kann. Diese Basis ist der innere Friede der Staaten. Um ihn und um die Versöhnung, machten sich Abiy Ahmed und davor Juan Manuel Santos verdient.

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