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Hier steht er und kann nicht anders: Olaf Latzel, Pastor der Bremer St. Martini-Gemeinde in Bremen.

© Carmen Jaspersen/dpa

Freispruch für Bremer Hetz-Prediger: Steht praktizierte Homophobie unter dem Schutz der Religionsfreiheit?

Das Landgericht hat im Fall Olaf Latzel Expertise zur religiösen Haltung zu Homosexualität eingeholt. Das darauf fußende Urteil ist eine Provokation. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

In Bremen läuft ein Strafverfahren, das sich um ein noch nicht abschließend geklärtes Verhältnis dreht: das von Kirche und Homosexualität. Dass die einstige Sünde wider die Natur seit ewigen Zeiten einen Teil der Schöpfung bildet, wird nicht überall akzeptiert.

In der Bremer Martini-Gemeinde predigt der evangelikale Pastor Olaf Latzel seit vielen Jahren aus seiner Sicht letztgültige Wahrheiten dazu. So gab er heterosexuellen Paaren zu ihrer Heirat mit auf den Weg, sich vor Lesben und Schwulen zu hüten: „Überall laufen diese Verbrecher rum vom CSD (Christopher Street Day), feiern Partys, und am Rathaus hängt die Regenbogenfahne. Das sind bewusst anti-christliche Dinge, mit denen die Ehe torpediert wird.“

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Dies sowie eine Tirade über „Genderdreck“, alles veröffentlicht bei „Youtube“, hat ihm den Vorwurf der Volksverhetzung eingebracht, von dem er jetzt, nach Verurteilung in erster Instanz, freigesprochen wurde. Das Urteil des Landgerichts, das schriftlich erst Ende Juni vorliegen soll, wird aufschlussreich zu studieren sein. Denn das Gericht hat sich die ungewöhnliche Mühe gemacht, Expertise zur religiösen Homo-Frage einzuholen.

Siehe da, kaum überraschend: Latzel ist kein Einzelfall. Es gibt sie noch, die Bibeltreuen, für die Gleichgeschlechtlichkeit wenn nicht des Teufels, dann zumindest eine Verirrung ist. Offenbar hat das Gericht die gewonnene Einsicht als so maßgeblich empfunden, dass es Latzels Ehe-Predigt weitgehend unter den Schutz der Religionsfreiheit stellt.

Der hatte sich stets damit verteidigt, es gehe ihm bei seiner Abscheu nicht um Homosexuelle, sondern um Homosexualität als solche. Das Gericht hielt ihm zugute, dass seinen Äußerungen insoweit nicht eindeutig zu entnehmen sei, er habe Schwule und Lesben „beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet“, wie es der Tatbestand der Volksverhetzung erfordert.

Homosexualität abzulehnen, geht gegen Homosexuelle

Na ja. Der Freispruch ist eine Provokation, denn er wirft die Frage auf, wie dies alles voneinander zu trennen sein soll. Wenn es zur Religion gehört, gegen Homosexualität zu sein, wird sich diese Gegnerschaft auch im Verhältnis zu Homosexuellen ausdrücken. Wie bei Latzel und seiner Einschätzung, es handele sich bei ihnen um Verbrecher, jedenfalls wenn sie auf der Straße tanzen und Regenbogenpartys feiern. Steht praktizierte Homophobie also unter dem Schutz der Religionsfreiheit? Und was würde daraus für andere Predigten folgen, etwa die fundamentalistischer Muslime?

So, wie Homosexuelle ein Teil der Bevölkerung sind, ist Sexualität auch ein Teil des Menschen. Das eine öffentlich abzulehnen, ohne diese Ablehnung zugleich an Betroffene zu adressieren, ist schwer möglich. Pastor Latzel, das zeigen seine Worte, bekommt es auch nicht hin und will es wohl auch nicht. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Freispruch Revision zum Oberlandesgericht eingelegt. Dort wird man sich die Abwägungen des Landgerichts näher besehen.

Trotzdem gibt es keinen Grund, sich über den Freispruch zu empören. Äußerungsdelikte gehören in einen Kontext, und diesen zu bewerten, trägt immer eine subjektive Note. Grundsätzlich gilt auch hier: „Im Zweifel für den Angeklagten“.

Latzels Arbeitgeber, die Bremer Kirchengemeinde, ist an derlei Prinzipien nicht gebunden. Sie kann ihren Angestellten von der Kanzel holen, wenn sie es will. Bisher zögert sie. Sollte der Freispruch rechtskräftig werden, sollte sich die Gemeinde nicht davon beruhigen lassen. Latzels Worte sind vielleicht nicht strafbar, aber sie sind in keiner Weise zu akzeptieren. Der Pastor spricht nicht für seine Kirche, er beschädigt sie.

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