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Die Amerikaner versprechen sich von TTIP einen besseren Zugang zum europäischen Agrarmarkt.

© Wolfgang Rattay/REUTERS

Freihandelsabkommen TTIP: Gleiche Ziele, verschiedene Wünsche

Seit zweieinhalb Jahren verhandeln die USA und Europa über das Wirtschaftsabkommen TTIP. In welchen Punkten sie übereinstimmen und wo sie über Kreuz liegen

An der Oberfläche erscheinen amerikanische und europäischen Denkweisen oft ähnlich. Doch bei den Details in der Praxis stoßen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Das zeigen auch die Gespräche über das Transatlantische Wirtschaftsabkommen TTIP. Eine nüchterne Bestandsaufnahme, wo die EU und die USA übereinstimmen und wo sie unterschiedliche Ziele verfolgen, wird dadurch erschwert, dass überzeugte TTIP- Gegner und -Befürworter sich interessengeleitet äußern – bis jenseits der Grenzen einer redlichen Darstellung der Lage.

Was Greenpeace jetzt als angebliche Geheimpapiere publiziert hat, ist für Menschen, die die Gespräche seit Beginn begleiten, weder neu noch überraschend oder skandalös. Die USA und die EU treten grundsätzlich für Freihandel, Abbau von Zöllen und Subventionen, hohe Standards bei Verbraucher- und Umweltschutz ein, vertrauen aber auf unterschiedliche Mechanismen zum Erreichen der Ziele. Beide verstoßen gegen diese Prinzipien, wenn besondere Interessen betroffen sind. Der Agrarmarkt der EU zum Beispiel ist stärker geschützt als der US-Agrarmarkt. US-Firmen fordern hier besseren Zugang und EU-Firmen eine Öffnung des US-Automarkts. Das ist bekannt, erwartbar, normal.

Seit Herbst 2013 treffen sich die Unterhändler regelmäßig. Die Behauptung, dabei habe sich die EU als nachgiebiger erwiesen und die USA als fordernder, ist irreführend. Bisher wurden keine Kompromisse ausgehandelt. Bei jeder Sitzung sprach man über einzelne Sektoren: vom Auto über Lebensmittel und Maschinenbau bis Verbraucherschutz. Wo die Ziele übereinstimmen, zum Beispiel Abbau der Zölle für bestimmte Waren und Komponenten, wurde das vermerkt. Wo die Wünsche auseinandergehen, markierten die Unterhändler das mit „eckigen Klammern“. Die Übereinstimmungen und Meinungsverschiedenheiten beginnen nicht erst bei den Sachthemen, sondern bereits bei der Frage der Verhandlungsphilosophie. Einige Beispiele:

Ziele

Der Atlantik ist das Rückgrat der Weltwirtschaft. In der EU und den USA leben zehn Prozent der Menschen, sie produzieren aber nahezu die Hälfte aller globalen Waren und Dienstleistungen. Ihr Anteil geht über die Jahre zurück, da Länder wie China, Indien, Brasilien allmählich stärker werden. Amerikaner und Europäer meinen, dass es für die Welt besser sei, wenn sie gemeinsame, hohe Standards als Messlatte durchsetzen.

Öffentlichkeit

Internationale Verträge handelt man aus US-Sicht hinter verschlossenen Türen aus. Die EU ist unter dem Druck der Öffentlichkeit nicht mehr ganz so streng. Amerikaner gehen mit Maximalforderungen in solche Gespräche, um Verhandlungsmasse zu haben. Europäer starten mit Positionen, die näher am mutmaßlichen Endergebnis liegen. Die US-Seite muss also eher die Kritik fürchten, sie habe sich zu weit von ihren Ausgangspositionen entfernt. Das „Leaken“ von Protokollen bestärkt die Amerikaner zudem in ihrer Ansicht, dass auf die Vertraulichkeitszusage der EU kein Verlass ist.

Zölle

Beim Abbau der Zölle ist man sich nähergekommen. In drei sensiblen Bereichen werden sie noch als Verhandlungsmasse vorgehalten: Agrar, Auto, Textil.

Regulierungskooperation

Die größte Handelsbarriere zwischen der EU und den USA sind nicht mehr die Zölle, sondern Regulierungen, die von den Vorgaben für die Produktion und Zulassung von Autoteilen bis zu Arzneimitteln reichen. Die EU und die USA wollen sich, wo immer das erreichbar ist, auf gemeinsame Regulierungen einigen – oder ersatzweise Waren und Dienstleistungen, die aufgrund verlässlicher Regeln der anderen Seite angeboten werden, anerkennen. Die EU möchte das über einen Ausbau von Institutionen, wie einer Regulierungsbehörde, erreichen, die USA eher über Kooperationen.

Schiedsgerichte

Einig sind sich die EU und die USA, dass einerseits Investitionen Schutz verdienen und der Staat andererseits das Recht habe, wirtschaftliches Handeln zu beschränken. Die USA halten klassische Schiedsgerichte für den richtigen Weg; die hätten sich bewährt. Die EU favorisiert neuerdings einen internationalen Schiedsgerichtshof, der erst noch geschaffen werden müsste. Die USA halten eine Berufungsinstanz für unnötig; sie haben bisher kaum Verfahren verloren. Europäer, die juristisch weniger Erfolg hatten, sind für eine Berufungsinstanz.

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