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Die Debatte um Peer Steinbrücks Nebentätigkeit geht weiter.

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Freie Fahrt für den Kandidaten: Steinbrück fuhr mit Abgeordneten-Bahncard zu bezahlten Vorträgen

Die Debatte um Peer Steinbrücks Nebeneinkünfte geht weiter: Er hat seine Abgeordneten-Bahncard 1. Klasse für Reisen zu seinen bezahlten Vorträgen genutzt. In der SPD will sich darüber zwar niemand aufregen - der Unmut über den Start des Kandidaten ist aber spürbar.

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Peer Steinbrück und seine zahlreichen Vortragsreisen: Auch nach mehreren Wochen reißt der Ärger über die gut dotierten Vorträge des sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten, der Anfang Dezember von seiner Partei offiziell zum Kanzlerkandidaten gekürt werden soll, nicht ab. Erst hat er Einkünfte in Millionenhöhe zugeben müssen, dann gab es Unmut über ein in der Höhe (25 000 Euro) unangemessenes Honorar der kommunalen Stadtwerke in Bochum. Nun muss Steinbrück auch noch zugeben, dass er für Reisen zu den gut bezahlten Vorträgen auch schon mal die Bahncard 100 genutzt hat. Steinbrücks Sprecher Michael Donnermeyer bestätigte am Mittwoch die Fahrten mit der Bahncard 1. Klasse. Wie oft das der Fall gewesen war, sei allerdings „nicht mehr nachvollziehbar“, sagte er. Wenn Steinbrück das Flugzeug oder das Auto für Fahrten zu den Vorträgen genutzt hat, dann habe er allerdings „immer mit den Auftraggebern abgerechnet“.

Rein rechtlich hat sich Steinbrück nichts vorzuwerfen. Jedem Bundestagsabgeordneten steht die „Freie Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel“ zu, heißt es im Grundgesetz. Und ob dieses Recht streng an die Ausübung des Mandats der Abgeordneten gebunden ist und damit nicht für Nebentätigkeiten wie etwa Vortragsreisen gilt, darüber streiten die Juristen. Lediglich von Wählern, die über hohe Preise bei der Bahn klagen, könnten Steinbrücks „Freifahrten“ zu Vorträgen, für die er sehr gut bezahlt wurde, mit Unverständnis bedacht werden.

Im Bundestag wollte das Verhalten Steinbrücks am Mittwoch niemand wirklich kritisieren – auch weil es sich offenbar nicht um einen Rechtsverstoß handelt, sondern vielmehr um eine Grauzone, in der sich viele Abgeordnete bewegen. Auch deshalb fordert der Linken-Abgeordnete Jörn Wunderlich, dass sich der Ältestenrat des Deutschen Bundestags, in dem er selbst Mitglied ist, mit dem Fall beschäftigen müsse. „Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine ganz grundsätzliche Klärung für alle Abgeordneten, was erlaubt ist und was nicht“, sagte Wunderlich. Patrick Kurth, Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär der FDP in Thüringen, sieht in dem Vorgang vor allem ein moralisches Problem. "Es ist kaum möglich, Peer Steinbrück hier ein rechtliches Fehlverhalten nachzuweisen, aber es besteht eine moralische Schwierigkeit darin, dass er zu bezahlten Vorträgen auf Kosten der Bahn und des Steuerzahlers gereist ist. Das hat ein Geschmäckle", sagte er.

In der SPD sieht kaum jemand die Nutzung der Bahn-Netzkarte als kritikwürdiges Vergehen, im Gegenteil. „Das zu skandalisieren ist peinlich und schwer unangemessen“, sagt beispielsweise der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Auch vom linken Parteiflügel, der Steinbrück eher reserviert gegenübersteht, kommt keine Kritik. „Die jüngsten Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen. Die Debatte um die Nebeneinkünfte von Peer Steinbrück wird immer künstlicher, und es ist ein Punkt erreicht, an dem keine Substanz mehr dahintersteckt, sondern nur noch Rufschädigung“, sagt Klaus Barthel von der Parlamentarischen Linken (PL) in der SPD.

Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der PL, sieht die Schwierigkeiten. Aber er sagt: „Bei Flügen gibt es eine klare Regelung, beim Gebrauch der Netzkarte ist eine eindeutige Abgrenzung von dienstlichen, halb dienstlichen und privaten Fahrten sehr viel schwieriger und geht an der Lebenswirklichkeit von Abgeordneten vorbei.“ Das sei eine Grauzone, in der jeder aufpassen sollte, „nicht mit Steinen zu werfen, wo hier alle Abgeordneten im Glashaus sitzen“.

Gleichwohl herrscht in der SPD Unzufriedenheit darüber, dass Steinbrück nicht aus den Negativschlagzeilen kommt. „Diese Debatte tut natürlich nicht gut, aber sie ist endlich, und wir werden mit unseren Inhalten wieder nach vorne kommen“, sagt Kahrs. Auch Rossmann sieht den Start von Steinbrück als wenig gelungen. „Natürlich war das nicht der stärkste Start“, aber Steinbrück nutze jetzt „mit Bravour“ die Chance, programmatisch und mit klarem Profil nach vorne zu kommen. Sein Kollege Barthel macht vor allem die hektische Nominierung dafür verantwortlich. „Jetzt zeigt sich auch, dass der Nominierungsprozess von Peer Steinbrück kein Geniestreich war.“ Steinbrück selbst habe daran nur einen sehr geringen Anteil. „Jetzt ist auf dem anstehenden Parteitag ein klares Votum für Peer Steinbrück notwendig“, fordert Barthel. „Einfach Augen zu und durch, wäre jetzt falsch. Aber wir müssen die Nerven bewahren, Konsequenzen ziehen und Steinbrück muss jetzt inhaltlich in die Offensive kommen“, sagt Barthel weiter.

In jüngsten Umfragen verliert Steinbrück weiter an Boden im Vergleich zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und dem Magazin „Stern“ würden nur noch 26 Prozent der Deutschen in einer Direktwahl für Steinbrück stimmen, 53 Prozent würden dagegen Amtsinhaberin Merkel wählen. Das sind noch einmal drei Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche. Auch die SPD verharrt in der Umfrage bei 26 Prozent, die Union kann zwei Punkte auf den Jahresbestwert von 39 Prozent zulegen.

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