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Führt die FDP durch die Krise: Parteichef Christian Lindner.

© REUTERS/Hannibal Hanschke

Freie Demokraten in der Coronakrise: Wie FDP-Chef Lindner um Aufmerksamkeit kämpft

Liberalen-Chef Christian Lindner will sich in der Krise mit Groko-Kritik profilieren. Doch sein Tonfall gefällt nicht allen in der Partei.

Viele Parlamentarier gestehen es offen ein: Sie haben in jüngster Zeit deutlich an Einfluss verloren. Wer in diesen Tagen mit Bundestagsabgeordneten telefoniert, hört dazu die immer gleiche Erklärung: „Krisenzeiten sind nun mal Regierungszeiten.“ Im Kampf gegen das Coronavirus sind vor allem die Kanzlerin und ihre Minister gefragt und weniger die Abgeordneten im Bundestag.

In der FDP, der zweitgrößten Oppositionsfraktion, will man sich damit nicht abfinden. Mit scharfer Kritik an der Bundesregierung versucht Parteichef Christian Lindner gegen die eigene Bedeutungslosigkeit anzukämpfen – allerdings mit schwindendem Erfolg. Die FDP-Werte in den Umfragen stecken fest oder weisen nach unten, in Richtung Fünfprozenthürde. Die Pandemie wirft die FDP zurück. „Noch geht’s“, heißt es bei den Liberalen über die Stimmung in der Partei. Doch die Coronakrise offenbart die ungelösten Probleme der FDP: vom Spitzenpersonal bis zum inhaltlichen Profil. Bei manchen Liberalen wächst die Sorge, ob sie es gut durch die Krise schaffen.

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Geschmacksache oder überdrehte Kommunikation?

Dabei hatte Lindner in dem aktuellen Ausnahmezustand noch eine Chance zur Profilierung gesehen. Seit Wochen gibt er den Drängler, der die Bundesregierung vor sich hertreiben will, hin zur raschen Lockerung der Anti-Corona-Maßnahmen. Zwar tragen die Liberalen die Kontaktverbote und Eingriffe in die Wirtschaft ausdrücklich mit. Doch auch in Krisen müsse die FDP als Oppositionskraft die Arbeit der Bundesregierung täglich hinterfragen, argumentiert Lindner.

Der teils scharfe Tonfall, mit dem der 41-Jährige zuletzt gegen die Groko keilte, gefällt allerdings nicht allen in der FDP. „Geschmacksache“, sagen die einen. Von „überdrehter Kommunikation“ reden andere. Ein FDP-Abgeordneter spottet: Bei Lindner scheine der „ewige Generalsekretär“ durch.

Tatsächlich hat der FDP-Chef auf seinem Profilierungskurs die Botschaften immer weiter zugespitzt. Mit Sätzen wie „Schutzmasken sind sinnvoll, Maulkörbe nicht“ forderte er eine Debatte über den Exit aus dem Lockdown – und warf der Kanzlerin vor, die Bürger wie Kleinkinder zu bevormunden.

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Lindners Strategie ist allerdings verpufft, längst debattiert die Politik über die ersehnte Rückkehr zur Normalität – und hat bereits erste Schritte der Lockerung eingeleitet. Zugleich steht laut Umfragen nach wie vor eine große Mehrheit hinter den Kontakt- und Ausgehverboten.

Auch deshalb nennt ein FDP-Insider Lindners Vorgehen eine „Strategie mit hohem Risiko“. Anstatt Vertrauen bei den Bürgern aufzubauen, habe Lindner mit spitzen Formulierungen die eigene Partei zur Zielscheibe gemacht und den Ruf der FDP gefördert, nur am Profit der Wirtschaft interessiert zu sein. Das habe „alte Vorurteile“ gegen die Liberalen heraufbeschworen, heißt es in der Partei.

Die Aufgabe der FDP

Michael Theurer, Fraktionsvize im Bundestag und Landeschef der Liberalen in Baden-Württemberg, nimmt Lindner dagegen in Schutz. Die Bundesregierung habe den Anstoß aus der FDP gebraucht, weil sie sich in der Krise anfangs „sehr zögerlich verhalten“ habe. „Ich fordere schon länger, dass die FDP ihr Profil in der Opposition schärft“, sagt Theurer dem Tagesspiegel. „Dazu gehört auch, Entscheidungen der Regierung zu hinterfragen und Widersprüche aufzudecken. Mich wundert stark, dass Christian Lindner dafür zum Teil so im Feuer der öffentlichen Kritik steht.“

Dass sich die Kritik so auf Lindner fokussiert, hat wohl auch mit dessen Rolle an der Parteispitze zu tun: Trotz aller Versprechen einer „personellen Verbreiterung“ in der Führung bleibt die FDP eine „One-Man-Show“ mit Lindner als Solo-Darsteller. Das sei ein „strategisches Großproblem“, sagt ein Bundestagsabgeordneter. „Jetzt müssen die Leute aus der zweiten Reihe nach vorne kommen.“ In Zeiten des wirtschaftlichen Absturzes müsse die FDP ihr Kernthema – die Ökonomie – wieder stärker besetzen, hier Kompetenz zeigen.

Der FDP-Wirtschaftsexperte Theurer sagt: „Es ist wichtig, dass wir nach der Krise so schnell wie möglich zur marktwirtschaftlichen Ordnung zurückkehren. Die Aufgabe der FDP ist, hier ihre Stimme zu erheben.“

Noch steckt die Bundesrepublik allerdings mitten in der Krise – und damit auch die FDP. Ein schwacher Trost dürfte es für die Liberalen sein, dass andere Parteien ähnliche Probleme haben. „Es geht im Moment allen Oppositionsparteien so“, sagt der FDP-Politiker Otto Fricke. „Von den Grünen findet in den Medien derzeit kaum jemand statt.“ Krisenzeiten sind eben Regierungszeiten.

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