zum Hauptinhalt
Wie groß ist die Vielfalt unter der Regenbogenfahne? Der Christopher Street Day (CSD) vor der Siegessäule in Berlin.

© Wolfgang Kumm / picture alliance / dpa

Frauenverachtung, Homophobie, Antisemitismus: Warum Rechtspopulisten diskriminierte Gruppen umarmen

Der Islam als Quelle allen Übels: Was einige Frauen, Homosexuelle und Juden zu rechten Parteien treibt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Der Vorwurf war hart. Im März 2017 prangerte die Autorin Zana Ramadani, CDU-Mitglied und ehemalige Femen-Aktivistin, einen „Verrat unter Frauen“ an. „Linke Genderfeministinnen“ seien ein Teil der „Islamistenlobby“, zeigten ein „bemerkenswertes Maß an Ignoranz“ gegenüber dem Islam. Sehr viel kämpferischer gab sich Ramadani selbst: An einem von Femen ausgerufenen „Topless Jihad Day“ malte sie sich Parolen wie „Fuck Islamism“ auf die Haut und kletterte auf den Zaun der Ahmadiyya-Moschee in Berlin. Ihr Buch, in dem sie darüber berichtet, heißt „Die verschleierte Gefahr“.

Einige Monate später konterte die „Süddeutsche Zeitung“ und fragte in ihrem Kulturteil „Wie islamfeindlich ist der Feminismus?“. Frauenzeitschriften wie „Emma“ und Frauenrechtsgruppen wie „Terre des Femmes“ verrieten die Sache der Frauen und spielten den Rechtspopulisten in die Hände. Offenbar sei die Sicht auf den Islam als Motor gesellschaftlicher Übel „nicht nur bei Rechtskonservativen, bei den Identitären oder der AfD zu finden“.

Alice Schwarzer, die Herausgeberin von „Emma“, kritisiert den Islam schon seit vielen Jahren. Vor allem das Kopftuch hat es ihr angetan. Es sei ein Vorposten der weltweiten Gewalt gegen Frauen. In der Schweiz wiederum stimmten Feministinnen in großer Zahl für ein Minarettbauverbot. Dazu hieß es in der „tageszeitung“, viele Feministinnen seien dank ihres „Feindbilds Islam“ von Rechten nicht mehr zu unterscheiden.

Ein Riss geht durch viele Gruppen

Das Phänomen ist nicht auf Frauen beschränkt. Auch bei Homosexuellen und Juden stößt eine Islamkritik auf Widerhall, die humanistische und liberale Werte betont, die Rechte von Minderheiten verteidigt, sich gegen Antisemitismus, Homophobie und Bekleidungsvorschriften wendet. Ein Riss geht durch Gruppen, deren Mitglieder selbst von Diskriminierung betroffen waren und sind.

Der erste prominente Schwule, der gegen den Islam zu Felde zog, war der niederländische Politiker Pim Fortuyn. Er sei für einen kalten Krieg mit dem Islam, sagte er. „Den Islam sehe ich als eine außerordentliche Bedrohung an, als eine feindliche Gesellschaft.“ Im Mai 2002 wurde Fortuyn von einem Umweltschützer erschossen.
Anne-Marie Waters wiederum, eine lesbische Britin, die 2017 als Vorsitzende für die Ukip kandidierte, trug vor vier Jahren bei einer Demonstration in Bristol, die von einer Gruppe namens „Gays Against Sharia“ organisiert worden war, ein Regenbogenbanner mit dem Slogan: „Helft uns, das Wachstum einer bösen, hasserfüllten Ideologie zu stoppen.“

Noch drastischer äußert sich der britische Blogger und ehemalige „Breitbart“-Redakteur Milo Yiannopoulos, der die Bewegung „Gays for Trump“ gründete und als geistiger Ziehsohn von Steve Bannon gilt. Deutschland und Schweden, so Yiannopoulos, seien durch Flüchtlinge „Europas Vergewaltigungs-Zentralen“ geworden.

"Die aktuell größte Bedrohung unserer Gesellschaft"

Als die „Junge Alternative“, die Jugendorganisation der AfD, im vergangenen Juli begründete, warum sie beim CSD teilnehmen wollte (was ihr verwehrt wurde), schrieb sie: „Wer tatsächlich für die Rechte von Homosexuellen eintritt, muss in der Lage sein, die aktuell größte Bedrohung unserer freiheitlichen Gesellschaft zu erkennen: den wachsenden Einfluss des radikalen Islams.“

Im Oktober wurde, medial genau beobachtet, die Gruppe „Juden in der AfD“ (JAfD) gegründet. Als Hauptmotiv gab sie die „unkontrollierte Masseneinwanderung“ junger Männer aus dem islamischen Kulturkreis an. Diese seien antisemitisch sozialisiert. Umgehend distanzierten sich der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie andere jüdische Organisationen von der JAfD. Auch die großen Frauenrechts- und Homosexuellen-Organisationen verurteilen die Zusammenarbeit von Feministinnen und Homosexuellen mit Rechtspopulisten. Der Riss, der durch die Gruppen geht, spaltet nur einen kleinen Teil ab.

Dennoch ist die Attraktion, die von einer durch liberale und humanistische Argumente fundierten rechtspopulistischen Ideologie ausgeht, nicht zu unterschätzen. Als eine Art Bindeglied fungieren gelegentlich Islamkritiker wie Seyran Ates oder Hamed Abdel-Samad, die sich zwar gegen jede politische Vereinnahmung wenden, aber bei Auftritten vor FPÖ oder AfD den Zuhörern dort gern gehörte islamkritische Argumente an die Hand geben. Weil sie von Islamisten bedroht werden, bekommen beide Personenschutz.

Sich auf den Islam als Quelle allen Übels zu fokussieren, verfolgt einen obersten Zweck: den Rechtspopulismus einnehmend noch populärer zu machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false