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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend im Elysée-Palast.

© Ludovic Marin/AFP

Frankreichs Staatschef: Die zwei Gesichter des Monsieur Macron

Trotz der „Gelbwesten“-Proteste will Frankreichs Staatschef Macron an Reformen, etwa im Rentensystem, festhalten. Das ist gut so. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es war ein seltsames Medienspektakel, das sich am Donnerstagabend im Festsaal des Elysée-Palastes abgespielt hat. Vor einem TV-Millionenpublikum und mehr als 300 Journalisten betrieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, befeuert durch die immer gleichen Fragen der Medienvertreter, eine Art innere Seelenschau. Die seit fünf Monaten andauernden Proteste der „Gelbwesten“ haben zur bislang schwersten Krise seiner Präsidentschaft geführt. Der Präsident zeigte sich bei seinem Auftritt im Festsaal zerknirscht. Möglicherweise habe das Tempo seiner Reformvorhaben die Franzosen überfordert, gab der Hausherr im Elysée-Palast zu.

Es ist zu vermuten, dass dies nur ein reines Lippenbekenntnis war, welches die immer noch an jedem Wochenende demonstrierenden „Gelbwesten“ endgültig ruhigstellen soll. Denn der Kern der Botschaft Macrons war ein anderer: Ich bin möglicherweise zu hart aufgetreten, aber im Grundsatz werde ich an meinem Reformkurs nichts ändern.

Man muss sagen: Zum Glück plant Macron angesichts der „Gelbwesten“-Proteste keinen radikalen Politik-Schwenk. Frankreich braucht auch weiterhin dringend die Reformen, die Macron mit der Erneuerung des Arbeitsrechts und dem Umbau der Staatsbahn SNCF eingeleitet hat. Drei Jahre bleiben ihm in seiner laufenden Amtszeit noch, um weitere Projekte wie die Erneuerung der Arbeitslosenversicherung und vor allem die Reform des Rentensystems anzugehen.

Macron dürfte die Wahl in drei Jahren sehr wohl im Blick haben

Macron beteuerte zudem, dass ihm die nächste Präsidentschaftswahl im Jahr 2022 schnurzegal sei. Auch diese medienwirksame Äußerung ist keineswegs zum Nennwert zu nehmen. Dem 41-Jährigen ist durchaus noch eine weitere Amtszeit zuzutrauen, auch wenn die jüngere französische Geschichte dagegen spricht. Macrons Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande wurden zwar jeweils nach einer Amtsperiode abgewählt. Doch hat Macron vor zwei Jahren die politische Landschaft Frankreichs so grundlegend umgepflügt, dass derzeit ernst zu nehmende Herausforderer nicht in Sicht sind. Das gilt auch für die Chefin des rechtsextremen „Rassemblement National“, Marine Le Pen. Selbst wenn deren Partei bei der Europawahl vor Macrons politischer Formation landen sollte, wäre dies noch kein Indiz für den Ausgang der Präsidentschaftswahl.

Weil Macron bereits jetzt diesen Termin in drei Jahren im Blick haben dürfte, beginnt er auch schon zu taktieren. Das entscheidende Zugeständnis an die „Gelbwesten“ hat er bereits im vergangenen Dezember durch Kaufkraft-Aufbesserungen mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro gemacht. Die Ankündigungen vom Donnerstagabend fielen deutlich dahinter zurück, auch wenn der Staatschef zuvor riesige Erwartungen geweckt hatte. Immerhin will Macron auf die Geldgeschenke vom vergangenen Winter noch einmal Entlastungen bei der Einkommensteuer mit einem Gegenwert von fünf Milliarden Euro draufpacken. Wann die Senkungen kommen sollen, blieb vage wie so vieles bei Macrons insgesamt dreistündigem Auftritt: mehr Referenden, die weitere Dezentralisierung im Staatsaufbau, die mögliche Wiedereinführung der Vermögensteuer.

Die Abschaffung der ENA ist richtig

Immerhin haben die Franzosen von Macron das bekommen, was zahlreiche Bürger bei der „großen Debatte“ im ganzen Land immer wieder gefordert haben: die Abschaffung der Eliteuniversität ENA. Diese Ankündigung des Staatschefs ist tatsächlich mehr als ein öffentlichkeitswirksamer Coup. Die ENA, die nach dem Zweiten Weltkrieg größere Gerechtigkeit bei der Herausbildung nationaler Eliten befördern sollte, ist über die letzten Jahrzehnte nicht zu Unrecht zu einem Symbol einer abgeschotteten technokratischen Pariser Kaste geworden, die nicht viel von den Sorgen der Menschen abseits der großen Metropolen versteht. Es war genau dieses Gefühl des Abgehängtseins, das die „Gelbwesten“-Demonstrationen hervorgebracht hat. Es ist gut möglich, dass Macron von der Bewegung demnächst nicht mehr allzu viel zu befürchten hat.

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