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Mit Flugblättern kündigen die Roten Brigaden die Ermordung Aldo Moros an.

© Giuseppe Cacace,AFP

Frankreich verhaftet Ex-Terroristen der "Roten Brigaden": Von der Vergangenheit eingeholt

In den 70-er Jahren erklärten Terroristen dem italienischen Staat den Krieg. In Frankreich fanden einige von ihnen Asyl.

Die sieben Verhafteten sind alle in einem Alter, in dem sich die meisten Italiener längst im Ruhestand befinden und sich an ihren Enkeln erfreuen. Der jüngste Ex-Terrorist, der gestern in Frankreich auf Gesuch der italienischen Behörden festgenommen wurde, ist 64 Jahre alt. Auch die Bluttaten liegen weit zurück: Die Verhafteten mordeten und bombten in den den „bleierner“ 70er und 80er Jahren, in den „anni di piombo“. Damals hatten in Italien linke und rechte Terroristen dem Staat den Krieg erklärt – insgesamt fielen dem Terror in Italien 370 Menschen zum Opfer, darunter 59 Polizisten und Carabinieri, acht Richter, sechs Politiker und zwei Journalisten. Über tausend Menschen wurden verletzt.

Das prominenteste Mordopfer war der christdemokratische Spitzenpolitiker und ehemalige Regierungschef Aldo Moro gewesen, der am 16. März 1978 von einem Kommando der Roten Brigaden entführt, 55 Tage in einem „Volksgefängnis“ gefangen gehalten und dann von seinen Entführern kaltblütig ermordet worden war. Die Entführung und Ermordung Aldo Moros, der sich für eine politische Einbindung der Kommunisten ausgesprochen hatte, brachte Italien an den Rand einer Staatskrise.

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Insgesamt ermittelte die italienische Justiz damals gegen mehr als 4000 mutmaßlich Links- und 2000 Rechtsterroristen. Tausende wanderten hinter Schloss und Riegel, die meisten haben ihre Strafe inzwischen verbüßt. Aber etwa 200 italienische Terroristen konnten sich nach Frankreich absetzen, wo ihnen der damalige sozialistische Staatspräsident François Mitterrand ab 1985 großzügig politisches Asyl gewährte. Nicht nur das Asyl als solches war von Rom stets als Provokation empfunden worden, sondern auch die Begründung. Die in Italien gesuchten Terroristen könnten nicht mit einem fairen Prozess rechnen, da die italienische Justiz – unter anderem mit einer Kronzeugenregelung – grundlegende rechtsstaatlichen Prinzipien verletzte. Rom konnte diese Einwände nie nachvollziehen.

Regierungschef Draghi ist zufrieden

Das in Italien „Mitterrand-Doktrin“ genannte Terroristen-Asyl hat die Beziehungen zwischen Rom und Italien jahrelang belastet. Für die Angehörigen der Mordopfer war es unerträglich, dass die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Mit den Verhaftungen – drei weitere Ex-Terroristen konnten sich der Festnahme entziehen – hat der französische Staatspräsidenten Emanuel Macron die „Doktrin“ eines seiner Vorgänger nun zumindest gelockert. „Frankreich, das ebenfalls vom Terrorismus hart getroffen worden ist, begreift das absolute Bedürfnis der Opfer des Terrorismus nach Gerechtigkeit“, ließ Macron verlauten. Die Festnahmen würden der Notwendigkeit entsprechen, ein „Europa der Gerechtigkeit“ aufzubauen, das auf gegenseitigem Vertrauen basiere.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi begrüßte die Festnahmen: „Die Erinnerung an diese barbarischen Taten ist im Bewusstsein der Italiener immer noch lebendig“, erklärte Draghi. Gleichzeitig sprach er den Familien der Opfer seine ungebrochene Anteilnahme an ihrem Schmerz aus. Den Festnahmen war am 9. April ein Treffen der italienischen Innenministerin Luciana Lamorgese mit ihrem französischen Amtskollegen Eric Dupond-Moretti vorausgegangen, in welchem Lamorgese eine Liste der zu verhaftenden Personen vorgelegt hatte. Anschließend hatte Draghi in einem Telefongespräch mit Macron die außerordentliche Wichtigkeit bekräftigt, welche die Angelegenheit für Rom habe.

Für die sieben pensionierten Linksterroristen, von denen einige an mehreren Morden und Anschlägen beteiligt waren und in Italien in Abwesenheit zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind, wird Rom ein Auslieferungsgesuch stellen. Was mit den übrigen fast 200 Ex-Terroristen geschehen wird, die sich in Frankreich unbehelligt bewegen können, ist offen. Macron betonte gestern, dass das Asyl für „politische Täter“ aus Italien mit den Festnahmen nicht aufgehoben sei. Politisches Asyl für Morde und andere Bluttaten sei nie vorgesehen gewesen. Es hat offenbar einfach ein paar Jahrzehnte gedauert, bis Paris sich dieser Ausschlussregel erinnerte.

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