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Depardieu und Putin bei einem Museumsbesuch in St. Petersburg.

© dpa

Frankreich/Russland: Die spinnen, die Russen!

Präsident Putin hat dem französischen Schauspieler Depardieu die Staatsbürgerschaft verliehen – nun stehen beide Männer in der Kritik.

Paris/Moskau - Für Gérard Depardieu gibt es nun kein Zurück mehr. In einem offenen Brief an die russischen Medien, den die Zeitung „Le Figaro“ am Freitag abdruckte, bekennt der französische Schauspieler seine große Liebe zu Russland, dessen Präsident Wladimir Putin ihm jetzt die russische Staatsbürgerschaft verlieh. Er liebe Putin und diese Liebe sei gegenseitig, sagt Depardieu auch in einem Video, das der staatsnahe russische Erste Kanal am späten Donnerstagabend auf seine Website stellte. Er vergöttere die russische Kultur und die russische Denkweise. Russland sei eine „große Demokratie“, in der es sich „gut leben“ lasse. Dann folgt eine Eloge auf das ländlich-sittliche Leben, von dem sich schon Lew Tolstoi und Alexander Solschenizyn die Rettung für Mütterchen Heimat versprachen. „Ruhm sei Russland“, brachte Depardieu noch hervor, bevor ihm die Stimme versagte.

Millionen haben das Video mit dem Dankgebet des Franzosen, der seine Heimat aus steuerlichen Gründen verlassen hat, für die Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft bereits angeklickt. Dazu gibt es einen Text, in dem Depardieus Verdienste um die russische Filmkunst gewürdigt werden. Er spielte die Titelrolle in einer russisch-französischen Gemeinschaftsproduktion zu Rasputin. In Russland wurde sie allerdings bisher nicht gezeigt, denn viele Szenen verstoßen gegen das neue Jugendschutzgesetz und gegen patriotische Gefühle. Rasputin kommt im Film nicht nur als Wunderheiler und geistlicher Berater der Familie des letzten Zaren mit zeitweilig unbegrenztem Einfluss auf die russische Politik daher, sondern auch als Besitzer des Schlüssels zum Herzen und zum Schlafzimmer der Herrscherin. Für die Demokraten ist Rasputin, der 1916 ermordet wurde, der Hauptschuldige für alles Unglück, das Russland in seiner jüngeren Geschichte widerfuhr. Entsprechend unsanft springen kritische Medien und Blogger auch mit seinem Darsteller und mit Putin um.

Depardieu muss sich vor allem den Vorwurf gefallen lassen, seine Liebe zu Russland habe mit der dort geltenden Einkommensteuer zu tun: Tellerwäscher wie Millionäre zahlen ganze 13 Prozent. Putin dagegen wird angelastet, dass bei der Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft mit zweierlei Maß gemessen wird. Im gewöhnlichen Verfahren mahlen die Mühlen langsam. Einbürgerungswillige müssen in der Regel zuvor mindestens fünf Jahre in Russland gelebt haben, scheitern aber häufig schon bei der Beantragung eines Wohnsitzes an hohen bürokratischen Hürden.

Depardieu, so ließ sich Leonid Sluzki, der Chef des Duma-Ausschusses für Angelegenheiten der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS und Einbürgerung, von der Nachrichtenagentur RIA nowosti zitieren, sei nicht nur ein talentierter Schauspieler, sondern auch ein erfolgreicher Unternehmer und habe begriffen, dass Geschäfte in Russland „interessant, ungefährlich und effektiv“ sind. Der für Rüstung zuständige Vizepremier Dmitri Rogosin, einst Moskaus Nato-Botschafter, sah das ähnlich: Wenn sich die Feinheiten russischen Steuerrechts im Westen herumsprechen, würden die Schönen und Reichen an Russlands Grenzen Schlange stehen. Was Rogosin nicht sagte: Der Einkommensteuersatz von 13 Prozent gilt nur bei einem Aufenthalt von mindestens 186 Tagen pro Jahr. Ansonsten ist das Dreifache fällig.

Depardieu indes hat einflussreiche Freunde. Tschetscheniens Präsident Ramzan Kadyrow, dem der Franzose ein ähnliches Demokratiepotenzial zuschreibt wie Putin, bietet ihm ein Obdach de luxe in der einstigen Rebellenrepublik. Aber auch der Schriftsteller Eduard Limonow sprach im „Courrier International“ eine Einladung aus: „Gérard! Komm mit deinem russischen Pass in der Tasche mit uns am 31. Januar auf den Siegesplatz in Moskau. Dort demonstrieren russische Bürger wie an jedem 31. für das in Artikel 31 der Verfassung garantierte Recht auf freie Versammlung. Das ist für dich, lieber französischer Freund, der du in einem deiner Filme den großen Revolutionär Danton interpretiert hast, die Gelegenheit, eine reale historische Rolle als Verteidiger der russischen Freiheit zu verkörpern.“ E. Windisch/H.-H. Bremer

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