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FPÖ-Affäre im Blog
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Kanzler Kurz kündigt Neuwahlen an – „Genug ist genug“
19.05.2019, 00:18 Uhr
Sven Lemkemeyer
Marius Mestermann
Ingo Salmen
Die Regierung in Österreich ist gescheitert: Vizekanzler Strache tritt wegen eines Videos ab, der Kanzler beendet die Koalition. Der Samstag zum Nachlesen.
- Ein heimlich gefilmtes Video setzt die Regierung in Wien schwer unter Druck.
- Darin stellt Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache offenbar Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe in Aussicht.
- Was die Videos über Strache aussagen.
- So reagieren österreichische Kommentatoren auf die Affäre.
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„Ein verstörendes Sittenbild“ Ein Rücktritt des Vizekanzlers, ein Auftritt des Kanzlers und ein tadelnder Bundespräsident: Das Skandal-Video von Heinz-Christian Strache hat Österreich in eine tiefe Krise gestürzt, die Regierung ist zerbrochen, es wird Neuwahlen geben. Hier finden Sie die kurze Nachrichtenzusammenfassung dieses Tages. Damit beenden wir unsere Liveberichterstattung zu Österreich für heute. Danke für Ihre Aufmerksamkeit und die zahlreichen Kommentare. Am Sonntag berichten wir weiter.
Tagesspiegel | Albert Funk
Das Protokoll eines Absturzes Eine verwanzte Finca, ein Treffen, ein Video – und die Erkenntnis: Heinz-Christian Strache würde sein Land an die Russen verscherbeln.
Tagesspiegel | Torsten Hampel
Straches Alkohol-Abend mit politischem Sprengstoff
Bundespräsident: "So sind wir nicht!" Österreichs Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen nimmt jetzt auch in der Wiener Hofburg Stellung zum FPÖ-Skandal und dem Gesuch des Kanzlers, Neuwahlen anzustrengen, Stellung. "Die Bilder, die uns seit gestern erreichen, zeigen ein verstörendes Sittenbild", sagt er. Es seien "beschämende Bilder, und niemand soll sich für Österreich schämen müssen." Er wolle in aller Deutlichkeit sagen: "So sind wir nicht." Es gehe um "eine unerhörte Respektlosigkeit" den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, sagt van der Bellen. Die österreichische Bevölkerung müsse auf die Integrität der Regierung und der Institutionen vertrauen können. "Jetzt muss getan werden, was notwendig ist, um das Vertrauen wieder herzustellen." Die Rücktritte seien ein "erster Schritt" gewesen, aber es bedürfe einer "klaren, vollständigen und schonungslosen Aufklärung" der Vorgänge durch die Justiz. Insbesondere betont der Bundespräsident die Bedeutung des unabhängigen Journalismus in einer liberalen Demokratie. Der habe seine Verantwortung in diesem Fall wahrgenommen. Von den Amtsträgern im Land fordert er "Demut". "Wir brauchen einen Neuaufbau des Vertrauens, dieser Neuaufbau geht nur mit Neuwahlen." Die nächsten Schritte wolle er am Sonntag mit Kanzler Kurz besprechen.
Bundespräsident van der Bellen erwartet Für 20.35 Uhr ist eine Stellungnahme des österreichischen Bundespräsidenten angekündigt.
Kurz kündigt Neuwahlen an Er habe Präsident van der Bellen Neuwahlen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt vorgeschlagen, sagt Kanzler Kurz.
Kurz: "Genug ist genug" Nicht bei der erstbesten Verfehlung habe er trotz vieler Fehltritte die Regierung aufgekündigt, betont Kurz. Doch nach dem Strache-Video müsse er sagen: "Genug ist genug." Die Methoden, die das Video hervorgebracht haben, seien zwar "zum Teil verachtenswert", doch das ändere nichts an dem, was darin gesagt worden sei. "Der Inhalt ist einfach, wie er ist." Was über ihn gesagt worden sei, Beschimpfungen und dergleichen mehr, sei nebensächlich. Nicht hinnehmbar seien hingegen die Äußerungen Straches insbesondere auch zur Medienlandschaft. Die FPÖ "schadet damit dem Ansehen unseres Landes". Er habe in den Gesprächen am Samstag nicht wahrgenommen, dass ein "wirklicher Wille" vorhanden sei, die Partei über die Personalien Strache und Gudenus hinaus zu verändern.
Kurz-Statement hat begonnen Kanzler Kurz gibt die lange erwartete Erklärung ab. Er sagt, er habe immer betont, dass er sich treu bleiben wolle. Dann betont er, welche Errungenschaften die Regierung von ÖVP und FPÖ in den vergangenen zwei Jahren erreicht habe: ein Ende der "Schuldenpolitik" und einen Rückgang der illegalen Einwanderung. "Trotz aller Vorkommnisse" wolle er allen in der Regierung dafür danken.
Kommentar: Kurz muss jetzt handeln Die Verantwortung von Österreichs Kanzler Kurz reicht über sein Regierungsbündnis hinaus. Es gilt, die demokratische Kultur des Kontinents zu bewahren. Ein Kommentar von Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff zum FPÖ-Skandal.
Tagesspiegel | Stephan-Andreas Casdorff
Hinweise auf Neuwahlen verdichten sich In Österreich stehen die Zeichen auf Neuwahl. Diese Entscheidung sei praktisch sicher, erfuhr nun auch die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus politischen Kreisen. Eine Einigung von ÖVP und FPÖ auf eine Fortsetzung der Koalition sei an einer Personalie gescheitert, berichtete zuvor schon die österreichische Nachrichtenagentur APA. Die ÖVP soll von der FPÖ die Absetzung von deren Innenminister Kickl verlangt haben, um ihr ehemaliges Kernressort wieder selbst zu übernehmen. Darauf wollte sich die FPÖ den Angaben zufolge nicht einlassen.
FPÖ-Kreise: Neuwahlen wegen Kickl-Frage Österreich steuert laut einem Bericht der Agentur APA auf Neuwahlen zu. Die FPÖ wolle ihren Innenminister Herbert Kickl nicht opfern, um die Koalition beizubehalten, berichtete die Agentur unter Berufung auf FPÖ-Kreise. Kanzler Kurz überlege laut diesen Informationen nun, wie er diese Entscheidung kommunizieren soll. (Reuters)
Merkel: Populisten "entschieden entgegenstellen" Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angesichts der Vorgänge in Österreich einen entschiedenen Kampf gegen Rechtspopulismus gefordert. "Europa ist eine Vereinigung von Ländern, die sich entschieden haben, auf einer gemeinsamen Wertebasis zusammenzuarbeiten", sagte Merkel in Zagreb auf eine Frage zur Regierungskrise in Österreich. "Wir haben es mit Strömungen, populistischen Strömungen zu tun, die in viel Bereichen diese Werte verachten, die das Europa unserer Werte zerstören wollen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen", forderte sie. Zur Frage, ob Österreichs Kanzler Kurz die Koalition mit der FPÖ beenden sollte, nahm sie keine Stellung, sondern verwies auf das angekündigte Statement des ÖVP-Politikers am Abend. (Reuters)
Ein spannender Abend: Auch der Präsident äußert sich Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen
wird laut österreichischer Agentur APA um 20.35 Uhr eine öffentliche Erklärung
zur Regierungskrise abgeben. 50 Minuten vorher will Kanzler Kurz vor die Kameras treten.
AfD-Chef Meuthen: „Singuläre Angelegenheit“ Die Alternative für Deutschland hält trotz der Videoaffäre in Österreich zur FPÖ. „Die FPÖ ist uns ein enger Partner“, sagte AfD-Chef Jörg Meuthen am Samstag am Rande einer Kundgebung europäischer Rechtsparteien in Mailand. Er werde der österreichischen Partei nun nicht „in den Rücken fallen“ auf Grund einer „singulären Angelegenheit“, sagte Meuthen. Damit folgt er ganz der Linie Straches, der in seiner Pressekonferenz versucht hatte, die Affäre ganz auf sich persönlich zu reduzieren und damit Schaden von der FPÖ abzuwenden. Dabei gibt es, abgesehen davon, dass Strache nicht irgendein Parteimitglied ist, auch die Frage, ob es systematische Verstöße gegen die Regeln der Parteienfinanzierung gab – durch den im Video genannten Verein, an den Spenden gehen sollen. Meuthen sagte, Straches Rücktritt „war in dieser Situation vermutlich angezeigt“. Er kenne das in Rede stehende Video noch nicht und müsse es erst analysieren. „Und damit ist es dann aber auch gut“, sagte der AfD-Chef. (mit dpa)
Kurz-Stellungnahme erst um 19.45 Uhr Über die Zukunft der Regierung in Österreich wird es noch einige Stunden der Ungewissheit geben. Kanzler Kurz will nun erst um 19.45 Uhr eine Stellungnahme abgeben. Das sagte ein Sprecher des Kanzlers zur Agentur Reuters. Ursprünglich war erwartet worden, dass er gegen 14 Uhr in Wien vor die Kameras tritt.
Einflüsterer Kickl: Die heikle Situation der Medien in Österreich Innenminister Herbert Kickl ist bei der ÖVP nicht sonderlich wohlgelitten. Er zeigt sich besonders hart, will Asylbewerbern etwa nur kleinste Löhne zugestehen. Bezeichnend ist auch sein Verhältnis zu den Medien. Kickl pflegt besonders enge Beziehungen zur "Kronen-Zeitung", auch ohne dass eine russische Oligarchin dort Einfluss hätte. Kritische Medien wie "Kurier" und "Falter" schneidet er hingegen. Erst vor einer Woche veröffentlichte unser Medienressort eine Analyse von Herbert Lackner, ganz unter dem Eindruck der FPÖ-Attacken auf den ORF - sie stimmt heute mehr denn je.
Entscheidet sich die Zukunft der Regierung an Kickl? Wir hatten bereits darauf hingewiesen: Die längst erwartete Erklärung von Kanzler Kurz verzögert sich anscheinend deshalb, weil die Koalitionspartner noch um Personalien ringen: Der ÖVP-Regierungschef verlangt auch den Rückzug des bei seinen Leuten nicht sehr beliebten Scharfmachers Herbert Kickl als Innenminister. Wie der "Kurier" nun ergänzend berichtet, streiten ÖVP und FPÖ wegen genau dieser Personalie. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll die FPÖ sogar mit dem Ende der Koalition gedroht haben, sollte Kurz darauf bestehen.
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