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Der türkische Präsident Erdogan (2.v.r.) mit Ilkay Gündogan (l.), Mesut Özil (2.v.l.) und Cenk Tosun (r.).

© Uncredited/Pool Presdential Press Service/AP/dpa

Foto mit Erdogan: Özil und Gündogan stellen infrage, was Deutschland verbindet

Zwei deutsche Nationalspieler plaudern mit einem türkischen Despoten. Das lässt sich auch nicht durch doppelte Loyalitäten rechtfertigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Wenn das erste Spiel bei der Fußball-WM in Russland läuft, wird ein Foto aus diesen Tagen noch nicht vergessen sein. Zwei deutsche Nationalspieler mit einem türkischen Despoten. Trikots ihrer Klubs haben sie ihm geschenkt, der eine hat seines Recep Erdogan sogar „mit Respekt für meinen Präsidenten“ gewidmet. Was Ilkay Gündogan und Mesut Özil damit ausgelöst haben, bleibt als Reibefläche für die deutsche Integrationsdebatte erhalten.

Enttäuschung, Empörung und Wut schlagen den beiden entgegen. Bis hin zur Forderung, sie aus der Mannschaft zu werfen. Weil doch die Nationalelf als kleinster gemeinsamer Nenner dieser Gesellschaft funktionieren soll. Hier haben alle dasselbe Ziel, und wer drin ist und wer nicht, entscheidet die Leistung. Der Deutsche Fußball-Bund hat seiner Nationalmannschaft immer wieder das Gütesiegel der gelungenen Integration aufgeklebt. Schon 2008 zur EM, als sich in einem Fernsehspot die Eltern von Nationalspielern zur Grillparty treffen, Frauen mit Kopftuch, Väter mit dunkler Hautfarbe. Herkunft: egal – Stimmung: super – Gewinnen: zusammen. In blütenweißen Trikots wirkte das besonders rein.

Alexander Gauland hat zur vergangenen EM das Gegenteil versucht. Da sagte er über Jérôme Boateng: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Damit kam Gauland nicht durch. Boateng hielt Deutschlands Abwehr zusammen und Deutschland zu ihm. Mensch und Spieler sind nicht zu trennen. Diesen Fehler hatten wohl viele jetzt Enttäuschte in ihrer Wahrnehmung von Özil und Gündogan gemacht, geblendet vom schönen Integrationsschein.

Eine doppelte Loyalität kann es sehr wohl geben, die dürfte man beiden auch nicht vorhalten. Viele Deutsche haben ein anderes Land als Sehnsuchtsort. Dass Özil vor den Spielen die deutsche Hymne nicht mitsingt, ist auch nicht das Entscheidende. Genauso wenig, dass Özil und Gündogan sich nicht politisch äußern sollen.

Menschenrechte so universell wie die Regeln des Fußballs

Es ist – und das ist der Kern – der öffentliche Schulterschluss mit einem Politiker im Wahlkampf, der für unzählige Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Menschenrechte, die universell sind wie die Regeln des Fußballs. Özil und Gündogan haben Werte infrage gestellt, die für dieses Land bindend und verbindend sind. Sie hätten Profis genug sein müssen, sich als Repräsentanten Deutschlands aus dieser Situation rauszuspielen. Wie würde ein Foto von Thomas Müller mit Björn Höcke ankommen?

Die Integrationsdebatte braucht einen strammen Schuss Realitätssinn. Denn oft ist sie mehr mühsames Austarieren und manchmal auch Aushalten als Imagekampagne. Wenn der DFB seinem Präsidenten Reinhard Grindel zufolge in der Integration „eine Schlüsselfrage für die Zukunft“ sieht, dann muss er sich dabei geschickter anstellen als Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff. Der sagte in der Einordnung dieser Affäre, man müsse verstehen, „wie Türken ticken“.

Spitzensportler können durch ihre Persönlichkeit Vorbilder sein. Weil sie etwa besonders fair sind wie Miroslav Klose. Aber nicht, weil sie Spitzensportler sind und eine bestimmte Gruppe repräsentieren. Mesut Özil ist als Beispiel für gelungene Integration gefeiert worden. Zum Feiern besteht Anlass, wenn er Tore schießt oder vorbereitet. Für die Integration gibt es zum Glück genug andere Botschafter.

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