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Eine Plastiktüte über Korallen im Roten Meer in Ägypten (Archivbild)

© dpa/epa/Mike_Nelson

Folgen für 90 Prozent der Meeresarten: Plastik-Verschmutzung der Ozeane nimmt dramatisch zu

Die EU hat den Gebrauch von Plastiktüten und Einweggeschirr eingeschränkt. Doch die Plastikflut in den Meeren ist längst nicht gestoppt, belegt eine Studie.

Der Umweltverband WWF hat vor dramatischen Folgen des zunehmenden Plastikmülls in den Meeren gewarnt. Die Plastikverschmutzung habe in den vergangenen Jahrzehnten exponentiell zugenommen, erklärte der WWF unter Berufung auf eine Studie des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven.

Für die Meta-Studie im Auftrag der Umweltorganisation wertete das Institut 2592 Untersuchungen aus, die seit den 1960er-Jahren bis 2019 durchgeführt wurden.

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Plastikmüll zersetze sich im Ozean zu Mikro- und Nanoplastik, sagte die Leiterin des Fachbereichs Meeresschutz beim WWF Deutschland, Heike Vesper. Darum werde sich der Mikroplastikgehalt in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppeln. Bei knapp 90 Prozent der untersuchten Meeresarten seien Auswirkungen festgestellt worden, sagte die Meeresbiologin und Mitautorin der Studie, Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut. Allerdings seien diese Zusammenhänge noch wenig erforscht. Aber: „Die dokumentierten Auswirkungen sind äußerst beunruhigend“, sagte Bergmann.

Mittelmeer, Gelbes und Ostchinesisches Meer besonders betroffen

In Plastikmüll könnten sich Tiere wie Robben oder Meeresschildkröten verfangen und ersticken. Das gleiche Schicksal könne Vögel ereilen, die ihre Nester aus Plastikabfall bauten. Das sei etwa bei den Basstölpeln auf Helgoland beobachtet worden. Wenn der Müll den Meeresboden bedecke, fehle Korallen und Schwämmen Licht und Sauerstoff. Schildkröten und Raubfische oder auch Delfine und Wale verwechselten Plastikteile mit Beutetieren. Nach dem Verzehr hätten sie ein falsches Sättigungsgefühl, litten unter Verstopfung und an inneren Verletzungen. Mit dem Plastikmüll nähmen die Tiere zudem Chemikalien auf, die ihre Fortpflanzung beeinträchtigen könnten.

Besonders betroffen seien das Mittelmeer, das Gelbe und das Ostchinesische Meer. Korallenriffe und Mangrovenwälder seien in Gefahr. Vor der indonesischen Insel Java sei an einigen Stellen die Hälfte des Meeresbodens mit Plastikmüll bedeckt. Auch in der Tiefsee, die 70 Prozent der Erdoberfläche ausmache, sammele sich immer mehr Kunststoffabfall.

Der Müll werde häufig direkt ins Meer gekippt oder bei Hochwasser von Deponien weggespült. Einwegplastik mache 60 bis 95 Prozent der Verschmutzung aus. Laut der Studie haben sich zwischen 86 und 150 Millionen Tonnen Kunststoff im Ozean angereichert. Mikroplastik gelange auch über das Abwasser in die Meere. Zwar hielten moderne Klärwerke 97 bis 90 Prozent der Partikel zurück, aber in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg bedeute ein Prozent immer noch eine große Menge, sagte Bergmann.

Abrieb von Reifen im Asphalt eine Hauptquelle

Laut Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik sind die Hauptquellen für Mikroplastik-Eintragungen in Deutschland der Abrieb von Reifen und Bitumen im Asphalt sowie die Freisetzung bei der Abfallentsorgung. Auf Platz 7 der Rangliste des Instituts steht der Abrieb von Schuhsohlen, noch vor dem häufig genannten Faserabrieb bei der Textilwäsche (Rang 10) und Partikeln in der Kosmetik (Rang 17).

Auch Windkraftanlagen tragen zur Verschmutzung der Meere bei, wie Bergmann bestätigte. Die Lacke würden durch Wind abgetrieben. Allerdings könne man diese Menge noch nicht beziffern, ebenso wenig wie den zunehmenden Müll durch Masken und andere Corona-Schutzeinrichtungen.

Der WWF forderte die Ende Februar in Nairobi tagende Umweltversammlung der Vereinten Nationen (Unea) auf, ein rechtsverbindliches globales Abkommen gegen den Plastikeintrag in die Meere auf den Weg zu bringen. In Deutschland gebe es schon ein Bewusstsein für das Problem. Die EU habe vor einiger Zeit bestimmte Einwegplastikverpackungen verboten. Es sei nach ihrer Erfahrung „die schnellste Umweltgesetzgebung ever“ gewesen, lobte Vesper.

Manche Verbesserungen brauchen jedoch Zeit, wie der Sprecher des Versorgers Hamburg Wasser, Ole Braukmann, sagte. Hamburgs rot-grüner Koalitionsvertrag sehe vor, den Einbau einer vierten Reinigungsstufe im Klärwerk zu prüfen. Es gehe dabei aber um eine hohe Investition für 50 bis 60 Jahre, deren Vor- und Nachteile genau bedacht werden müssten. Reinigungsverfahren mit Aktivkohle seien zum Beispiel sehr energieintensiv und teuer. (dpa)

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