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Geplante Gelder für Radinfrastruktur fließen nur teilweise an die Kommunen.

© imago/Marius Schwarz

Exklusiv

Fördergeld aus dem Bundesverkehrsministerium: 118 Millionen Euro für Radschnellwege verpuffen

Bei den Gemeinden kommt nur ein kleiner Teil der Fördergelder für besseren Radverkehr an. FDP-Politiker Oliver Luksic wirft den Verantwortlichen Versagen vor.

Der Großteil der Fördergelder für den Ausbau von Radschnellwegen bleibt ungenutzt. 125 Millionen Euro hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Ländern und Kommunen seit 2017 für den Ausbau von Radschnellwegen bereitgestellt. Nur 6,7 Millionen Euro davon sind zu diesem Zweck bis Anfang September an Gemeinden, Gemeindeverbände und Länder geflossen. 

Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, die dem Tagesspiegel vorliegt. Die abgerufenen Mittel für den bundesweiten Ausbau von Radschnellwegen entsprechen somit einem Anteil von etwas mehr als fünf Prozent der dafür bereitgestellten Gelder.

Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, kommentierte die Zahlen mit den Worten: „Von Millionen Euro aus Steuergeldern ist trotz vieler Ankündigungen der Groko seit Beginn der Legislatur viel zu wenig bei den Radfahrern angekommen.“ 

Der Abruf der Finanzhilfen sei „miserabel“ und zeuge vom Versagen der Politik. „Es braucht jetzt endlich eine effektive Planungsbeschleunigung, einen gezielten Bürokratieabbau und mehr Personal für die Umsetzung von Projekten.“

Den geringen Abruf für den Bau von Radschnellwegen begründet die Bundesregierung in ihrer Antwort mit „komplexen Planungs- und Genehmigungsverfahren“ und ausgelasteten Planungsbüros in den Ländern und Gemeinden.

„Kleinere Kommunen stoßen schnell an ihre Grenzen“

Ein Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes erklärte am Mittwoch auf Anfrage: „Der Bau von Radschnellwegen ist mit besonderem finanziellem, personellem und zeitlichem Aufwand verbunden. Der Mittelabfluss benötigt daher Vorlauf.“ Außerdem müssten sich zahlreiche Akteure bei den vielen Teilabschnitten eines Radschnellweges koordinieren.

Radfahrende überqueren eine Kreuzung an der Jannowitzbrücke in Berlin.
Radfahrende überqueren eine Kreuzung an der Jannowitzbrücke in Berlin.

© dpa/Paul Zinken

Besonders die begrenzten Planungskapazitäten bei vielen Kommunen erwiesen sich als Nadelöhr. Zudem sei es für die Kommunen schwierig, ausreichend Planer und Ingenieure für den Bau von Radschnellwegen zu finden. „Gerade kleinere Kommunen entlang potenzieller Radschnellverbindungen stoßen schnell an ihre Grenzen“, sagte ein Sprecher. 

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„Wichtig ist es, dass jetzt auch auf Seiten der Länder die Kapazitäten aufgebaut werden, damit alle Radverkehrsmittel des Bundes abgerufen werden können und die Kommunen weitestmöglich unterstützt werden.“ Darüber hinaus sollten die Länder Eigenanteile zugunsten von Kommunen in der Haushaltssicherung übernehmen.

ADFC fordert Fortbildungsoffensive

Ann-Kathrin Schneider, Bundesgeschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) forderte mit Blick auf den geringen Abruf der Fördergelder: „Wir brauchen Radverkehrskoordinator*innen in den Regionen und eine Aus- und Fortbildungsoffensive für Planer*innen und Ingenieur*innen.“ Auch müsse der Bund den Radverkehr mit neuen Stellen unterstützen. 

Weil Radschnellwege viel Stau, Lärm und Abgase reduzieren könnten, brauche es 2000 Kilometer solcher Wege in Metropolen und Ballungsgebieten. „Wenn der starke politische Wille da ist, werden zügig Radschnellwege statt neuer Autobahnen gebaut und das Fahrradland Deutschland so Wirklichkeit.“ 

Noch ist der Verkehrssektor laut Schneider aber „autozentriert, das Fahrrad bisher nur nettes Beiwerk.“ Das müsse die nächste Bundesregierung mit einer Reform des Straßenverkehrsrechts ändern.

Bayern erhält das meiste Geld für Radwege an Bundesstraßen

Auch von den Mitteln für mehr und bessere Radwege an Flüssen ist nur ein kleiner Teil bei den Kommunen angekommen. So stellte das Bundesverkehrsministerium seit 2018 rund 4,5 Millionen Euro für den Radwegeausbau entlang von Flüssen bereit, für die der Bund zuständig ist („Bundeswasserstraßen“).

Der Bund stellt auch Mittel für den Radwegeausbau entlang von Bundeswasserstraßen wie der Elbe bereit.
Der Bund stellt auch Mittel für den Radwegeausbau entlang von Bundeswasserstraßen wie der Elbe bereit.

© Kitty Kleist-Heinrich

Dazu zählen zum Beispiel Radwege an der Elbe, der Ruhr und an Teilen des Rheins. Etwa 580.000 Euro dieser Gelder sind bis Anfang September an die Gemeinden vor Ort geflossen – also nur etwa 13 Prozent der dafür vorgesehenen Mittel.

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Im vergangenen Jahr erhöhte das Bundesverkehrsministerium seinen Finanzierungsanteil am Ausbau der Radwege an Flüssen zwar von 50 auf 90 Prozent. Doch im Haus von Andreas Scheuer (CSU) rechnen die Verantwortlichen damit, dass die Mittel dafür erst im kommenden Jahr wieder stärker abfließen.

Verkehrssektor ist viertgrößter Verursacher von Treibhausgasemissionen

Aus der Antwort der Bundesregierung geht auch hervor, wie viel Geld für den Radwegebau an Bundesstraßen an die einzelnen Bundesländer ging. Im vergangenen Jahr floss das meiste Geld für den Radwegebau an Bundesstraßen nach Bayern (15,7 Millionen Euro), gefolgt von Hessen (14,5 Millionen Euro) und Baden-Württemberg (10 Millionen Euro). Rund 100 Millionen Euro an Finanzmitteln stellt der Bund jährlich für den Bau und Erhalt von Radwegen an Bundesstraßen bereit.

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Im April legte Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) den neuen „Nationalen Radverkehrsplan“ auf, mit dem bis 2030 eine lückenlose Radinfrastruktur, ein besserer Radpendelverkehr und ein stärkerer Radtourismus möglich werden soll.

Der Verkehrssektor in Deutschland war mit 146 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020 der viertgrößte Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen und machte rund 20 Prozent der nationalen Gesamtemissionen aus. Im Vergleich zu 1990 sind die Emissionen in diesem Sektor gerade einmal um 18 Millionen Tonnen CO2 gesunken und gilt deshalb als einer der größten klimapolitischen Problembereiche.

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