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Rettung von Flüchtlingen kurz vor der Küste Libyens.

© Olmo Calvo/AP/dpa

Flüchtlingsrettung im Mittelmeer: "Die Rettung von Menschenleben bleibt ein Muss"

Seit 2015 hat die EU nach eigenen Angaben zur Rettung von 730.000 Flüchtlingen im Mittelmeer beigetragen. Umso schwerer wiegt der Stopp der Mission "Sophia".

Die Europäische Union war nach Angaben der EU-Kommission seit 2015 mit Operationen im Mittelmeer an der Rettung von fast 730.000 Flüchtlingen beteiligt. Das teilte EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos in einem Schreiben an das EU-Parlament mit, aus dem die Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitieren.

"Die Rettung von Menschenleben bleibt für die EU und ihre Mitgliedstaaten ein Muss", heißt es darin. Avramopoulos betonte zugleich, Nichtregierungsorganisationen hätten eine "entscheidende Rolle bei der Rettung von Leben gespielt". Es werde auf See echte humanitäre Hilfe geleistet, die nicht kriminalisiert werden dürfe. Der Kommissar machte aber auch deutlich, dass alle Akteure im Mittelmeerraum dafür sorgen müssen, auf See unter Beachtung internationaler Regeln zu helfen und nicht das Geschäftsmodell der Flüchtlingsschlepper aufrechtzuerhalten.

Vor wenigen Tagen hatte die EU ihren Marineeinsatz "Sophia" vor der libyschen Küste gestoppt und kann damit auch keine Migranten mehr aus Seenot retten. Italien hatte mit einer Blockade der Verlängerung des Mandats gedroht. Grund für das Aus der Marineoperation ist, dass sich die Mitgliedstaaten nicht auf ein System zur Verteilung von aus Seenot geretteten Migranten einigen konnten. Die Entscheidung der EU sieht vor, bei der Anti-Schleuser-Operation "Sophia" vorerst nur noch Luftaufklärung zu betreiben und libysche Küstenschützer auszubilden.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR reagierte mit scharfer Kritik auf den Abzug der beiden letzten im Einsatz befindlichen Schiffe aus der EU-Marinemission. "Die Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten, die Operation 'Sophia' faktisch zu beenden, ist ein bedrückender Rückschlag für ein Europa der Humanität", sagte Dominik Bartsch, der Leiter des UNHCR in Deutschland, der "Welt am Sonntag". Zugleich forderte er neue Maßnahmen zur Rettung von Migranten zwischen Libyen und Europa aus Seenot.

Ohne Schiffe könne "Sophia" weder ihr Mandat - den Kampf gegen Schlepper und Menschenhändler - erfüllen, noch Menschen aus Seenot retten, kritisierte Bartsch. Er verlangte den Aufbau neuer Rettungsmissionen, um die Kapazitäten für die Seenotrettung zu erhöhen. "Das heißt, es braucht mehr Schiffe, egal, wer sie stellt - in den Gewässern zwischen Libyen und Europa, dort wo Menschen ertrinken", sagte Bartsch.

EU-Flüchtlingskommentar Dimitris Avramopoulos.
EU-Flüchtlingskommentar Dimitris Avramopoulos.

© John Thya/AFP

Zudem müssten Beschränkungen für private Retter aufgehoben werden. "Die Rettung von Menschen aus Seenot ist ein humanitärer und rechtlicher Imperativ, der in internationalen Übereinkommen festgeschrieben ist", betonte Bartsch. Seit 2015 seien durch die Operation "Sophia" rund 45.000 Menschen gerettet worden.

UNHCR rügt Einstellung von "Sophia" scharf

UNHCR-Vertreter Bartsch unterstrich, dass Libyen kein "sicherer Hafen" sei, in den man Menschen zurückbringen könne. "Nach wie vor sitzen Tausende Menschen vor den Toren Europas in libyschen Internierungslagern unter menschenunwürdigen Bedingungen fest, werden vergewaltigt, verkauft oder versklavt", erklärte der UNHCR-Vertreter.

In Berlin demonstrierten am Samstag mehrere tausend Menschen gegen die geplanten Asylrechtsverschärfungen und für die Wiederaufnahme der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Unter dem Motto "#SeehoferWegbassen" forderten die Teilnehmer sichere Häfen für Flüchtlinge und die Entkriminalisierung von Flüchtlingshelfern und zivilen Seenotrettern.

Das von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geplante "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" schränke Rechtsstaatlichkeit, faire Verfahren und zivilgesellschaftliches Engagement ein, hieß es. Das Gesetz sehe unter anderem vor, dass von Abschiebung bedrohte Menschen in reguläre Gefängnisse gesteckt werden können und die Veröffentlichung von Abschiebeterminen zur Straftat wird, kritisierten die Demonstranten.

Auch in weiteren deutschen Städten gab es am Samstag Demonstrationen der europaweiten Initiative "Seebrücke", darunter in Nürnberg und Köln. In Berlin sprachen die Veranstalter auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von 6000 Teilnehmern, die Polizei von mehreren tausend. (dpa, epd)

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