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Streit um Mindestlohn für Flüchtlinge.

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Update

Flüchtlingspolitik: CSU offen für Ausnahmen beim Mindeslohn für Flüchtlinge - SPD ist dagegen

Die große Koalition findet in der Flüchtlingspolitik keine Ruhe. Neuste Vorschläge der CDU werden von SPD und Gewerkschaften abgelehnt. Seehofer unterstützt die Vorschläge.

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Die CSU kann sich wie die Schwesterpartei CDU Ausnahmen beim Mindestlohn für Flüchtlinge vorstellen. "Es kommt entscheidend auf die Ausgestaltung an", sagte Parteichef Horst Seehofer am Montag vor einer Vorstandssitzung in München. "Da ist viel Klugheit gefordert." Seine Partei sei prinzipiell mit dem Integrationspapier der CDU einverstanden. "Alles ist abgestimmt, und wir begrüßen diese Initiative der CDU im Prinzip sehr."

Seehofer sagte, man müsse auf der einen Seite erreichen, dass Zuwanderer, die bleiben dürften, in den Arbeitsmarkt fänden. "Auf der anderen Seite wollen wir auch keine Dumpinglöhne. Das ist der Punkt, wo man sehr klug in der Umsetzung sein muss." 20 Prozent der Flüchtlinge seien Analphabeten, 80 bis 90 Prozent müssten erst qualifiziert werden, damit sie eine Ausbildung machen könnten. "Da müssen wir doch überlegen, wie überwinden wir die ganzen Hürden." Zuwanderer müssten auf den Arbeitsmarkt hingeführt werden. Wenn sie dort seien, "dann gelten die Regeln, wie für alle", sagte der CSU-Chef.

Der Vorschlag der CDU stößt dagegen auf harten Widerstand des Koalitionspartners SPD und des DGB. "Eine Ausnahme vom Mindestlohn für Flüchtlinge ist glatter Unsinn", sagte Stefan Körzell, Bundesvorstandsmitglied des DGB, dem Tagesspiegel. Dies werde zu  "Arbeitnehmern erster und zweiter Klasse führen", warnte der Gewerkschafter. "Der eine verdient 8,50 Euro und würde vom anderen unterboten, weil der einen Ankunftsstempel aus dem letzten Jahr im Pass hat?" Dass dies dem Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung entspricht, habe gerade erst die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes Ingrid Schmidt angezweifelt.

"Eine solche Ausnahme würde zu einer gefährlichen sozialen Spaltung der Arbeitnehmer führen, die gerade auf den Schutz des Mindestlohns angewiesen sind", erklärte das DGB-Vorstandsmitglied. Nötig sie nicht ein Unterbietungswettbewerb, sondern tatsächlich Integration in den Arbeitsmarkt zu fairen Bedingungen. "Die CDU sollte hier nicht der Spaltung das Wort reden, sondern alles für eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt tun", forderte Körzell.

Auch der Koalitionspartner SPD lehnte den Vorschlag umgehend ab. „Die SPD wird kein Lohndumping zulassen“, sagte Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel dem Tagesspiegel. Wer Flüchtlinge vom Mindestlohn ausnehmen wolle, spiele Menschen, die kommen, gegen die aus, die schon da sind. Damit würden die Flüchtlinge zu Lohndrückern gemacht, die das Lohnniveau für alle senken, warnte Schäfer-Gümbel: „Das wäre ein Brandsatz für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland und ein Konjunkturpaket für die rechten Hetzer.“ Beim gesellschaftlichen Zusammenhalt kennt die SPD „kein Pardon“, weshalb am Mindestlohn nicht gerüttelt werde.

Gewerkschaften und SPD fordern auch für Flüchtlinge einen Mindestlohn von 8,50 Euro.
Gewerkschaften und SPD fordern auch für Flüchtlinge einen Mindestlohn von 8,50 Euro.

© Stephanie Pilick/dpa

Noch schärfer ging Linkspartei-Chef Bernd Riexinger mit dem CDU-Plan ins Gericht: „Dass die CDU weder Langzeitarbeitslose noch Flüchtlinge respektiert, steht einer Partei, die sich christlichen Werten verpflichtet fühlt, ganz schlecht zu Gesicht“, sagte er. Es sei „abscheulich, dass der CDU ausgerechnet die Menschen, die am untersten Rand der Gesellschaft leben, nicht einmal 8,50 Euro wert sind“. Flüchtlinge und Langzeiterwerbslose würden in einen Topf geworfen, auf dem „wertlos“ stehe.

Arbeitsministerin Andrea Nahles ließ den Vorschlägen eine Absage erteilen. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, der Mindestlohn gelte unabhängig vom Pass. Daran werde es keine Abstriche geben.

Der Maßnahmekatalog der CDU

Der Vorschlag für Ausnahmen beim Mindestlohn ist Teil eines Maßnahmenkatalogs, mit dem die CDU die Integration von Flüchtlingen forcieren will. Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sollen demnach wie Langzeitarbeitslose behandelt werden und in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung keinen Anspruch auf Mindestlohn haben. Ein entsprechender Maßnahmenkatalog solle am Montag vom Bundesvorstand beschlossen werden, hieß es am Wochenende aus CDU-Parteikreisen in Berlin. Weitere Vorschläge sind eine verlängerte Schulpflicht und höheren Hürden für ein unbefristetes Aufenthaltsrecht.

Die Altersgrenze für den Schulbesuch soll für sie von 18 auf 25 Jahre angehoben werden. Die Bedingungen für das unbefristete Daueraufenthaltsrecht will die CDU verschärfen: Zuwanderer sollen es künftig erst erhalten, wenn sie nachweisen können, dass sie ausreichend Deutsch sprechen, Grundkenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung haben, keine Straftaten begangen haben und ihren Lebensunterhalt selbst sichern.

Die Arbeitgeber begrüßen den Vorstoß der CDU, Flüchtlinge sechs Monate lang vom Mindestlohn auszunehmen, fordern aber noch weitergehende Regelungen. „Allen Menschen, die es am Arbeitsmarkt besonders schwer haben, muss der Weg in Beschäftigung erleichtert werden: Ihnen sollte zwölf Monate lang eine von den strikten Bedingungen des Mindestlohngesetzes befreite Beschäftigung ermöglicht werden“, sagte ein Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Tagesspiegel (Montagausgabe). Das betreffe Menschen, die noch nie gearbeitet haben, Langzeitarbeitslose und Personen ohne ausreichende Ausbildung oder ganz ohne Qualifikation.

"Wenn Menschen, die auf ihrer Flucht zu uns kommen, diese Voraussetzungen erfüllen, müssen die entsprechenden Regelungen auch auf sie angewendet werden können", sagte der Sprecher. "Es geht nicht um ein Sonderrecht für Flüchtlinge."

Der gesetzliche Mindestlohn sei für alle Menschen mit Vermittlungshemmnissen eine erhebliche Beschäftigungsbremse. "Auch ein orientierendes Praktikum kann Betroffenen helfen, einen ersten Schritt hin zu einer Beschäftigung zu machen", sagte der Sprecher. "Daher sollte für Praktikumsverhältnisse ebenfalls für zwölf Monate das Mindestlohngesetz keine Anwendung finden."

Mit ihrem Maßnahmenpapier hat die CDU nun ihre Position für die bevorstehenden Verhandlungen in der Koalition um die Integration der Flüchtlinge abgesteckt. Da die Einschränkung des Mindestlohns mit der SPD nicht zu machen ist, dürfte sich die Debatte bald auf den finanziellen Rahmen der Integrationsbemühungen konzentrieren. „Es ist zu begrüßen, dass auch die Union endlich konkrete Vorschläge macht“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner: „Aber bisher wurden die Finanzmittel nicht bereitgestellt, die wir für die Integration brauchen.“ Nach den Vorstellungen der SPD soll der Bund mehrere Milliarden Euro für Integration aufbringen, die vor allem von den SPD-geführten Bundesministerien für Arbeit, Familie sowie Umwelt und Bau ausgegeben würden. In SPD-Kreisen hieß es, Nagelprobe für die Integrationsbemühungen der CDU seien die Beratungen über den Bundeshaushalt für 2017. Dabei werde sich zeigen, ob die Union bereit sei, das notwendige Geld für mehr Kinderbetreuung und Lehrer wie auch für Wohnungsbau und Arbeitsmarktintegration in die Hand zu nehmen.

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