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In der Flüchtlingskrise wirkt Merkel zunehmend politisch isoliert.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Flüchtlingspolitik: Angela Merkel in der Zwickmühle

Weiß sie, was sie tut? Hat sie einen Plan? Angela Merkel will sich heute erklären. Das wird nicht einfach, denn ein Patentrezept gegen Terror gibt es nicht.

Von Robert Birnbaum

Angst, sagt man, ist ein schlechter Ratgeber. Angst zu ignorieren oder kleinzureden, wäre aber auch keine gute Idee, besonders dann nicht, wenn man Bundeskanzlerin einer besorgten Nation ist. Und erst recht nicht, wenn lautstarke Teile dieser Nation mit dem Verdacht hausieren gehen, dass es ohne diese Frau und ihre Flüchtlingspolitik den Grund für die Angst gar nicht gäbe.

Wenn sich Angela Merkel an diesem Donnerstag der Presse und damit der Öffentlichkeit stellt, wartet also eine mehrdimensionale Zwickmühle auf sie: Sie muss sich politisch verteidigen, sachlich Rezepte anbieten, menschlich Verständnis zeigen, gesellschaftlich Zusammenhalt bewahren und Überreaktionen verhindern.

Das ist kompliziert, weil Angst so einfach ist. Jeder hat sie. Wer behauptet, dass er nach Nizza, Würzburg und Ansbach jungen Männern mit nahöstlichen Gesichtszügen nicht mit mulmigem Gefühl begegnet, ist entweder ein Heiliger oder lügt sich politisch korrekt in die Tasche.

Sich Sorgen zu machen, ist legitim und sogar sinnvoll, wenn daraus die Aufmerksamkeit einer Bürgergesellschaft wird. Denn es ist weder Rassismus noch Generalverdacht, davon auszugehen, dass auch unter Flüchtlingen etliche gemeingefährlich sind.

Diese Angst anzuerkennen, ist ein wichtiger, vielleicht der wichtigste Schritt überhaupt gegen alle, die aus ihr Kapital schlagen wollen. Denn diese politischen Kriegsgewinnler schleichen sich an die Wählerbeute heran mit der Suggestion, dass sie die Angst ja ernst nähmen, „die da oben“ aber nicht.

Es gibt kein Patentrezept, nicht mal ein autoritäres

Schon ein Horst Seehofer nutzt dieses Muster, wenn er im Vorhinein „Berlin“ und „Brüssel“ zum Sündenbock macht, sollte nicht jede halbgare Idee aus Bayern Gesetz werden. Ein Alexander Gauland gibt direkt die Parole aller Demagogen aus: Not kenne kein Gebot.

Das stimmt nicht mal, wenn Not wäre. Die Vorfälle der vergangenen Tage haben aber gezeigt, dass erstens Polizei und Bürgerschaft mit dem Horror angemessen umgehen können und dass zweitens gegen zum Massenmord Entschlossene auch saubere Registrierung und Überprüfung keine Schutzgarantie bieten.

Das macht die Prüfung nicht überflüssig und die Suche nach besserer Kontrolle trotzdem wichtig. Aber einige Täter werden durch alle Vorsichtsmaßnahmen schlüpfen. Gegen Irrsinn und Verzweiflung, Pannen und menschliche Fehler hilft kein Rezept.

Es gibt überhaupt kein Patentrezept, nicht mal ein autoritäres. Selbst in Putins Russland und in Erdogans Türkei explodieren Bomben. Es bleibt nur das Bemühen um das Menschenmögliche und ein schwieriges Abwägen: zwischen Offenheit und Kontrolle, Humanität und Eigeninteresse, Freiheit und Sicherheit. Wer sich nur auf die eine oder nur auf die andere Seite schlägt, ist kein Politiker, sondern bestenfalls Illusionist.

So, vielleicht, ließen sich die Zwickmühlen auflösen. Doch bleibt die Frage: Ist Angela Merkel noch die Richtige dafür? Bis zur Flüchtlingskrise galt die Kanzlerin vielen als die Macht, die den Deutschen die Welt vom Hals hielt. Dieses nahezu blinde Zutrauen ist unwiederbringlich dahin.

Merkels einzige Chance besteht darin, bei ihren Anhängern den nüchternen Rest Zuversicht zu erhalten, dass die Frau da oben weiß, was Sache und was zu tun ist. Sonst fegt die Angst sie einfach weg.

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