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Griechische Polizisten patrouillieren an der griechisch-türkischen Grenze.

© dpa

Update

Flüchtlingskrise: Europas Grenzschutz nimmt Gestalt an

Im Eiltempo wird in Brüssel über die Details einer neuen europäischen Grenzschutzbehörde beraten. Deutschland soll sich an einem Kontingent aus insgesamt 1500 Polizisten für schnelle Einsätze mit 200 Beamten beteiligen.

Das Projekt gehört zu den ehrgeizigsten Zielen der gegenwärtigen niederländischen EU-Präsidentschaft: ein neuer europäischer Grenzschutz. Bis Ende Juni, wenn der niederländische Vorsitz endet, soll das Vorhaben beschlussreif sein. Deshalb treten jetzt die Beratungen zwischen Europaparlament, den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission – der sogenannte Trilog – in die entscheidende Phase. Am Dienstag trafen sich zum zweiten Mal Unterhändler der drei Institutionen, um eine Verständigung über die Details des neuen Grenzschutzes zu erzielen. Der EU-Grenzschutz, der als wesentliches Element zur Lösung der Flüchtlingskrise gilt, soll nach der Sommerpause einsatzbereit sein. Künftig sollen die EU-Staaten in der Lage sein, einen kurzfristigen Einsatz von Polizeibeamten der Grenzschutzagentur zu beschließen, wenn der Zustrom von Flüchtlingen in einzelnen Staaten an der EU-Außengrenze außer Kontrolle gerät.

Europaparlament gegen Wiedereinführung von Kontrollen an Schengen-Binnengrenzen

Die Einrichtung der neuen Behörde ist ein politisch sensibles Thema, weil der Grenzschutz zu den Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten gehört. "Die Hoheitsrechte bleiben auch künftig bei den Mitgliedstaaten", hieß es nach den Beratungen in Straßburg aus EU-Diplomatenkreisen. Allerdings sei der Vorschlag der EU-Mitgliedstaaten so angelegt, dass der neue gemeinsame Grenzschutz notfalls auch gegen den Willen einzelner Länder eingesetzt werden könne. Bei den Beratungen am Dienstag ging es unter anderem um die Frage, was passiert, wenn ein EU-Land – beispielsweise Griechenland – einem Einsatz der neuen Grenzschutzagentur nicht zustimmt. „Wenn wir wollen, dass die Agentur effizient ist und kein zahnloser Tiger, dann muss eine Antwort auf diese Frage gefunden werden“, sagte der lettische Europaabgeordnete Artis Pabriks, der als Berichterstatter im EU-Parlament für das Thema zuständig ist, dem Tagesspiegel.

Ursprünglich hatte Pabriks eine Lösung ins Spiel gebracht, die einer bestehenden Ausnahme-Regelung im Schengener Grenzkodex ähnelt, von der derzeit Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich in der Flüchtlingskrise Gebrauch machen. In seinem Bericht hatte der Lette vorgeschlagen, dass notfalls die Grenzkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen wieder eingeführt werden könnten, wenn der EU-Grenzschutz seiner Aufgabe bei der Sicherung der Schengen-Außengrenzen wegen des Vetos eines einzelnen Mitgliedstaates nicht nachkommen kann. Allerdings fand der Vorschlag Pabriks’, der der konservativen EVP-Fraktion angehört, im Innenausschuss des Europaparlaments keine Mehrheit.

Mit den gegenwärtigen Trilog-Verhandlungen wollen EU-Parlament, die Mitgliedstaaten und die Kommission im Eiltempo einen Plan verwirklichen, den EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans im vergangenen Dezember vorgestellt hatte. Auf dem bisherigen Höhepunkt der Flüchtlingskrise hatte Timmermans die Idee eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes präsentiert, der aus der bestehenden EU-Grenzschutzagentur Frontex hervorgehen soll. Den Plänen zufolge soll die neue Behörde über 1000 ständige Mitarbeiter verfügen und damit doppelt so viel Personal zur Verfügung haben wie Frontex. Bei der Besetzung des Chefpostens des Grenzschutzes wollen die EU-Mitgliedstaaten ein Mitspracherecht haben. Das Budget der neuen Agentur soll in den kommenden Jahres erheblich wachsen – auf rund 300 Millionen Euro pro Jahr.

Kontingent von 1500 Polizisten soll innerhalb weniger Tage an der Grenze sein

Die entscheidende Neuerung beim EU-Grenzschutz besteht indes in einem Kontingent von 1500 Polizisten - davon 200 aus Deutschland - aus den Mitgliedstaaten, die einen Staat an den EU-Außengrenzen immer dann unterstützen können, wenn er angesichts des Zustroms zahlreicher Flüchtlinge überfordert ist. Den Planungen zufolge sollen die Beamten innerhalb weniger Tage vor Ort sein, wenn zuvor ein solcher Schnell-Einsatz von einer Mehrheit der EU-Staaten beschlossen wurde. Wie aber mit dem Veto des betroffenen Mitgliedstaates umzugehen ist, soll bei den weiteren Beratungen zwischen EU-Parlament, den Mitgliedstaaten und der Kommission entschieden werden. Am kommenden Dienstag sollen die Trilog-Verhandlungen fortgesetzt werden.

Deutschland bot Frontex Hilfe an - doch die Nachfrage ist gering

Die Agentur Frontex, aus der die neue EU-Grenzschutzbehörde hervorgehen soll, ist derzeit in die Umsetzung des Flüchtlingsabkommens eingebunden, das die EU und die Türkei Ende März geschlossen hatten. Seinerzeit hatte Deutschland gemeinsam mit Frankreich die Bereitschaft signalisiert, jeweils 300 Beamte nach Griechenland zu entsenden, darunter Polizeibeamte für die EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie Asylexperten. Die Zahl der seither tatsächlich entsandten Beamten ist allerdings erheblich geringer, weil Frontex und die EU-Asylbehörde Easo bislang nur mehrere Dutzend Mitarbeiter angefordert haben. Nach Angaben aus dem Innenministerium in Berlin hat Deutschland bislang 20 Beamte der Bundespolizei entsandt. Sie verstärken die 73 Bundespolizisten in Griechenland, die ohnehin dort im Einsatz sind. Hinzu kommen weitere acht Experten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Darüber hinaus sind derzeit sieben deutsche Experten unter anderem in den EU-Arbeitsstrukturen in Athen und Ankara sowie in der nationalen Arbeitsstruktur in der Türkei im Einsatz.

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