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Flüchtlinge gehen an der deutsch-österreichischen Grenze während eines Schneeschauers nach Deutschland.

© Armin Weigel/dpa

Flüchtlingsforum sucht nach Hilfsmöglichkeiten: Aus dem Elend in das Elend

Flüchtlinge und Aufnahmeländer fordern mehr finanzielle Unterstützung – das Genfer Flüchtlingsforum soll helfen.

Es waren zwar nur einige Dutzend Flüchtlinge, aber immerhin hatten die Vereinten Nationen zum ersten Globalen Flüchtlingsforum auch Opfer eingeladen. „Es ist sehr wichtig, dass bei den Vereinten Nationen nicht nur über uns, sondern auch mit uns gesprochen wird“, sagte die junge Syrerin Shaza al Rihawi, die an dem Forum in Genf teilnimmt. Sie flüchtete über Schweden nach Deutschland, lebt jetzt in Bamberg und macht sich für den Schutz von Vertriebenen stark.

Auf dem Forum diskutieren rund 3000 Politiker wie Bundesaußenminister Heiko Maas, humanitäre Helfer und Firmenvertreter am Dienstag und Mittwoch über neue Hilfen – für Aufnahmeländer und für Flüchtlinge. „Ich fordere sie auf, mutige und konkrete Zusagen zu machen“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres in Richtung der Regierungen, von denen sich die UN vor allem neue Gelder versprechen.

Die UN hatten angesichts der globalen Flüchtlingskrise mit mehr als 70 Millionen Betroffenen im Jahr 2018 den Globalen Flüchtlingspakt beschlossen. Ein zentrales Element des Paktes ist das Forum, das nun regelmäßig stattfindet.

Das fehlende Geld, der mangelnde Schutz und die Hoffnungslosigkeit sind die drängendsten Probleme der Aufnahmeländer und der Flüchtlinge. Über knappe finanzielle Ressourcen klagte auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dessen Land mit 3,7 Millionen Menschen weltweit die meisten Flüchtlinge beherbergt. Er verlangte mehr Geld: „Wir warten noch immer.“ Die Europäische Union hätte Milliarden versprochen, aber längst nicht alles geliefert. Am Dienstag war noch nicht klar, ob Erdogan das UN-Forum mit neuen finanziellen Zusagen verlassen würde.

Insgesamt stammen die meisten Flüchtlinge aus den armen Ländern des Südens, vor allem aus Asien und Afrika. Vier von fünf Flüchtlingen schlagen sich in benachbarte Staaten durch, in denen die Bevölkerung selbst Not leidet. Es ist also oft eine Flucht aus dem Elend in das Elend. So brachten sich seit 2017 rund 750 000 Menschen der muslimischen Rohingyas vor der Verfolgung durch Myanmars Militärs in Bangladesch in Sicherheit. Dort hausen sie nun unter erbärmlichen Bedingungen. Die finanziell schwachen Aufnahme-Staaten können die Versorgung der Flüchtlinge alleine nicht stemmen. Auch das jährliche Budget des Flüchtlingshilfswerks UNHCR von rund acht Milliarden Euro reicht dafür nicht aus. Fehlendes Geld ist ein Grund, weshalb mehr als die Hälfte aller Flüchtlingskinder keine Schuldbildung erhalten. Heiko Maas sagte: „Wir müssen die Lasten auf mehr und auf breitere Schultern verteilen.“

Um das Los der Flüchtlinge zu verbessern, müssen Aufnahmeländer Perspektiven bieten

Zudem können etliche Aufnahmeländer den Flüchtlingen keinen Schutz bieten, etwa die Demokratische Republik Kongo. Zehntausende Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsstaat Südsudan harren in dem Riesenland aus. Doch in weiten Teilen Kongos herrschen Gewalt und Chaos, Milizen und Armee bekämpfen sich auf brutalste Weise. Unter den zivilen Opfern befinden sich auch südsudanesische Flüchtlinge.

Um das Los der Flüchtlinge zu verbessern, müssen die Aufnahmeländer den Flüchtlingen auch individuelle Perspektiven bieten. In vielen Staaten dürfen Flüchtlinge nicht arbeiten, sie sind vom sozialen Leben ausgeschlossen. Oft haben sie nicht einmal die Erlaubnis, ihre trostlosen Camps zu verlassen. „Flüchtlinge wie ich wollen mehr Hilfe, um auf unseren eigenen Füßen zu stehen“, sagt Joelle Hangi, eine Flüchtlingsfrau aus dem Kongo, die in Kenia Unterschlupf gefunden hat.

Viele fristen mehr als fünf Jahre ein Dasein als Flüchtling. Das Hilfswerk UNHCR spricht dann von „sich hinziehenden Situationen“. Das schwere Schicksal in der Fremde tötet jede Hoffnung auf ein besseres Leben und löst nicht selten Depressionen aus. Eine Rückkehr bleibt für die meisten Flüchtlinge ausgeschlossen, weil Konflikte und Gewalt in der Heimat nicht enden wollen. Um wenigstens einigen Flüchtlingen eine Perspektive zu geben, drängt UN-Generalsekretär Guterres die reichen Länder, mehr Umsiedlungsplätze bereit zu stellen: Sie sollen langfristig Flüchtlinge aufnehmen und integrieren. „Dabei profitieren die Länder, die die Plätze anbieten, auch selbst“, erklärt Guterres. Doch die Reichen halten sich zurück. Laut einer Untersuchung der Hilfsorganisation Oxfam wurden 2018 gerade einmal 0,2 Prozent aller Flüchtlinge umgesiedelt – und konnten ein neues Leben in Sicherheit und Würde beginnen.

Jan Dirk Herbermann

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