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Flüchtlingsunterkunft im tschechischen Kostelec nad Orlici

© David Tanecek/CTK/Imago

Flüchtlinge in Tschechien: Ein Land in Pegida-Stimmung

Nur zwei Prozent der Tschechen wollen einer Umfrage zufolge, dass Bürgerkriegsflüchtlinge dauerhaft eine neue Heimat im Land finden.

Von Matthias Meisner

In Tschechien sind Flüchtlinge nicht willkommen. Nach einer Umfrage sind 60 Prozent der Einwohner des Landes strikt gegen Asylsuchende - auch wenn diese vor kriegerischen Konflikten flüchten. Ein Drittel würde die Aufnahme akzeptieren, wenn die Flüchtlinge das Land so bald wie möglich wieder verlassen. Nur zwei Prozent der Befragten wollen akzeptieren, dass sich die vor Krieg geflohenen Migranten dauerhaft im Land ansiedeln.

Die Ergebnisse der im Dezember vorgenommenen Befragung des Meinungsforschungsinstituts CVVM wurden am Freitag von der tschechischen Nachrichtenagentur CTK veröffentlicht. Demnach ist der Anteil der Menschen, die Flüchtlinge generell ablehnen, seit September um acht Prozentpunkte gestiegen. Unterscheidungen nach Alter und Geschlecht bei der Ablehnung von Flüchtlingen stellten die Demoskopen nicht fest.

Dem Bericht zufolge ist die Ablehnung von Flüchtlingen in der Slowakei ähnlich hoch wie in Tschechien. In Polen würden 53 Prozent der Menschen Flüchtlinge ablehnen, in Ungarn seien es 32 Prozent, heißt es in der CTK-Meldung.

Ein sehr großer Anteil von 82 Prozent der Tschechen sieht Flüchtlinge als ernste Bedrohung der Sicherheit im Land. Noch mehr Tschechen meinen, dass die große Zahl von Asylsuchenden ein Risiko für ganz Europa und die Welt darstellt.

Die ablehnende Stimmung gegenüber Flüchtlingen in Tschechien wird auch von der Politik regelmäßig widergespiegelt. Tschechiens Präsident Milos Zeman schürt mit offener Islamfeindlichkeit Angst vor Flüchtlingen. Ende vergangenen Jahres war das Staatsoberhaupt Hauptredner auf einer Kundgebung der ausländerfeindlichen Bewegung "Wir wollen keinen Islam in Tschechien". Die tschechische Anti-Islam-Bewegung wird auch von Pegida unterstützt. Nur wenige Politiker in Tschechien wagen die offene Konfrontation mit Zeman.

Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka sprach sich vor wenigen Tagen für eine Art zweite Verteidigungslinie gegen den Flüchtlingsandrang aus. Falls die Schengen-Außengrenzen nicht besser geschützt werden könnten, müsse auf der Linie Bulgarien-Mazedonien ein "Reserve-Grenzsystem" geschaffen werden, forderte der Sozialdemokrat am Dienstag der Agentur CTK zufolge. Dies sei erforderlich, falls es Griechenland und der Türkei nicht gelinge, die "Migration zu regulieren".

Im Herbst hatten die UN Tschechien vorgeworfen, Flüchtlinge systematisch zu inhaftieren, um Migranten abzuschrecken. Auch Kinder würden eingesperrt, berichtete damals der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Raad al Hussein.

"Strategischer Dialog" mit Deutschland

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), war am vergangenen Dienstag in Prag, um trotz teils gegensätzlicher Ansichten einen "strategischen Dialog" zwischen Deutschland und Tschechien über das Thema Migration in Gang zu bringen. Es gebe in Europa zu wenig Solidarität, Zusammenarbeit und Teamgeist, beklagte Roth, der bei seiner Reise unter anderem von der Integrationsbeauftragten des Landes Niedersachsen, Doris Schröder-Köpf, sowie der Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, begleitet wurde.

Roth sprach anschließend davon, dass die Flüchtlingskrise Europa auf "eine bisher nie dagewesene Bewährungsprobe" stelle. "Kein Mitgliedstaat in der Europäischen Union kann die Probleme auf sich allein gestellt lösen. Wir brauchen gemeinsame europäische Antworten. Der Migrationsdialog zwischen unseren beiden Ländern ist ein wichtiges Signal, dass wir es ernst meinen mit europäischer Solidarität und Teamgeist."

Der SPD-Politiker sagte weiter: "Ein besserer Schutz unserer Außengrenzen ist wichtig. Aber genauso müssen wir akzeptieren, dass viele der Menschen, die zu uns kommen, dauerhaft bleiben werden. Wir sind in Europa eine wertegebundene Gesellschaft, die offen ist für alle Religionen, Kulturen und Ethnien. Deshalb dürfen wir nicht zusätzlich Ängste schüren. Vielmehr sollten wir uns bemühen, vorhandene Ängste in der Bevölkerung zu nehmen." (mit dpa)

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