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Bisher lebten in Italien viele Flüchtlinge auf der Straße.

© AFP

Flüchtlinge in Italien: Integration nach deutschem Vorbild

Italien will schärfere Abschieberegelungen einführen und anerkannte Flüchtlinge besser integrieren. Dabei schaut das Land nicht zuletzt auf die Erfahrungen in Deutschland.

Italien war 2016 das Hauptankunftsland für Flüchtlinge in der EU. Rund 180.000 Menschen erreichten Sizilien und Lampedusa – und anders als früher ließen die italienischen Behörden sie nicht einfach nach Norden weiterreisen. Für das hochverschuldete Land ist das eine große Belastung. Die neue Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni will nun schärfere Abschieberegelungen durchsetzen. Schon unter Gentilonis Vorgänger Matteo Renzi wurden außerdem Integrationskonzepte erarbeitet. Denn eine Integrationspolitik gab es in Italien bisher praktisch nicht. Die Pläne orientieren sich nicht zuletzt an deutschen Erfahrungen. So sollen Flüchtlinge in Italien künftig nach einem festen Schlüssel auf die einzelnen Regionen verteilt werden. Pro 1000 Einwohner müssen dann drei Migranten aufgenommen werden. „Nicht alle in den Regionen finden das gut. Aber wir werden das umsetzen“, sagt der Präfekt Mario Morcone, der im Innenministerium für Integrationsfragen zuständig ist.
Morcone gilt als politisches Schwergewicht in einer schwachen Regierung. Er sagt auch: „Wir brauchen einen nationalen Integrationsplan.“ Ausbildungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramme speziell für Flüchtlinge will er auflegen, und die Schulen sollen besser auf Zuwandererkinder vorbereitet werden. Tatsächlich gab es das alles bisher nicht. Flüchtlinge wurden in Italien zwar freundlich empfangen und nach ihrer Ankunft auf den Inseln mit dem Nötigsten versorgt, doch danach blieben sie weitgehend sich selbst überlassen. Viele schlagen sich als kleine Straßenhändler durch, verkaufen in den großen Städten oder an den Stränden Schmuck, Regenschirme oder Papiertaschentücher. Nachts schlafen sie unter Brücken oder in Parks. Die meisten Flüchtlinge wollten in der Vergangenheit ohnehin nicht in Italien bleiben und zogen nach Deutschland oder Skandinavien weiter. Und daran hinderte sie in der Regel auch niemand. Schließlich hat Italien schon genug Probleme. Mehr als 36 Prozent der jungen Italiener haben keinen Job.

Durchwinken war gestern

Das Land verzichtete in den vergangen Jahren daher weitgehend darauf, ankommende Flüchtlinge zu registrieren. Damit verhinderte es, dass andere EU-Staaten Flüchtlinge zurückschicken konnten. Denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung muss ein Asylbewerber seinen Antrag im Erstankunftsland stellen. Nicht zuletzt auf Druck Deutschlands hat Italien seine Politik des „Durchwinkens“ inzwischen aber aufgegeben und hält sich nun wieder an das Dublin-Verfahren.
Praktisch bedeutet das: Bis zu 8000 Neuankömmlinge pro Monat werden in sogenannten Hotspots registriert und dann auf Unterkünfte verteilt. EU-Beamte, die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die europäische Polizeibehörde Europol helfen bei den Verfahren. „Inzwischen werden von 90 Prozent aller Flüchtlinge, die in Italien ankommen, Fingerabdrücke genommen“, sagt Arno Hartwig, ein früherer BKA-Beamter, der jetzt die EU-Kommission in Italien vertritt. Die Italiener ziehen allerdings nur widerwillig mit. „Die Dublin-Verordnung wurde zu einer Zeit eingesetzt, als die Zahl der Flüchtlinge erheblich kleiner war. Doch jetzt haben wir ein ganz anderes Szenario“, heißt es im römischen Außenministerium. Dort setzt man weiter auf eine gesamteuropäische Lösung. Und hofft auf Angela Merkel bei der Durchsetzung.
Bisher konnten sich die EU-Staaten lediglich darauf einigen, Italien und Griechenland innerhalb von zwei Jahren 160.000 Flüchtlinge abzunehmen. Und selbst das funktioniere schlecht, gesteht Kommissions-Vertreter Hartwig ein. „Mit der europäischen Solidarität ist es nicht weit her“, sagt er. Nur 9350 Flüchtlinge haben ein Jahr nach der Vereinbarung ein Aufnahmeland in der EU gefunden. Aus Italien konnten sogar nur rund 2350 Flüchtlinge umgesiedelt werden, 455 davon kamen nach Deutschland. Die Bundesrepublik will künftig zwar 500 Flüchtlinge monatlich aus Italien aufnehmen, den Durchbruch wird das aber nicht bringen.

Mafia macht Geschäfte mit Flüchtlingen

Italien hat also gute Gründe, sich mit dem Thema Integration zu beschäftigen. Doch schon bei der Unterbringung gibt es erhebliche Missstände. Italienische Medien berichten von Korruptionsfällen in Flüchtlingsunterkünften. Einige werden offenbar sogar von organisierten Banden kontrolliert, die Flüchtlinge um ihr Taschengeld betrügen und sie zwingen, Zigaretten oder Telefonkarten für sie zu verkaufen. Präfekt Morcone bestreitet die Vorfälle nicht. Wo viele Menschen zusammenlebten, gebe es immer kriminelle Aktivitäten, sagt er. Ein weiteres Problem stellen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dar. Zwischen 20.000 und 30.000 waren das allein 2016, Tendenz steigend. Eine systematische Inobhutnahme der Jugendlichen durch die Jugendämter und die Bestellung eines Vormundes, wie in Deutschland, findet bisher nicht statt. Nicht wenige der Minderjährigen landen daher auf der Straße – als Dealer, Kleinkriminelle oder Prostituierte. Flüchtlinge erhalten in Italien zudem kaum Sozialleistungen. Das wäre allerdings auch nur schwer durchsetzbar, denn Sozialhilfe gibt auch für Italiener praktisch nicht. Wer arbeitslos wird, erhält eine Zeit lang Arbeitslosengeld, danach ist er auf die Unterstützung seiner Familie angewiesen. Flüchtlinge haben dieses familiäre Netz freilich nicht. Deshalb werden auch weiterhin viele versuchen, doch noch nach Deutschland zu gelangen.

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