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Flüchtlinge Anfang Oktober bei der Ankunft in Niedersachsen

© Peter Steffen/dpa

Update

Flüchtlinge in Deutschland: Katholiken werfen Seehofer "geistige Brandstiftung" vor

Was sagen Katholiken zur Flüchtlingspolitik? Kirchenfunktionäre aus der Union warnen vor einer unbegrenzten Aufnahme. Ordensobere aber empören sich heftig über CSU-Chef Seehofer.

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Auf der CDU/CSU-Fraktionssitzung am Dienstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Flüchtlingspolitik mit den christlichen Werten ihrer Partei verteidigt. Einflussreiche Katholiken in der Union kann sie damit  nicht überzeugen - im Gegenteil. Gleich zwei namhafte katholische Unionspolitiker fordern Merkel jetzt zu einer härteren Gangart in der Flüchtlingskrise auf: Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, und Christian Sittler, Vorsitzender des Arbeitskreises engagierter Katholiken in der CDU. Beide berufen sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel auf eben jene christlichen Werte, die auch die Kanzlerin für sich reklamiert. In ganz andere Richtung argumentieren 45 bayerische Ordensobere. Sie appellieren in einem offenen Brief an CSU-Chef Horst Seehofer, seine Rhetorik im Blick auf die Geflüchteten zu überdenken.

Der ehemalige CSU-Politiker Glück sagte, die Flüchtlingspolitik müsse auf der christlichen Tradition der CDU/CSU basieren, sagte der ehemalige CSU-Politiker Glück. Eine uneingeschränkte Aufnahme sei aber "nicht christlich, weil sie unser gesamtes Allgemeinwesen überfordern würde“. Da Deutschland nicht alle Flüchtlinge aufnehmen könne, müssten Prioritäten gesetzt werden. Notwendig seien feste Kriterien dafür, welche Flüchtlinge besonders schutzbedürftig seien. Zu einer christlichen Flüchtlingspolitik gehöre es außerdem, sich mit den Fluchtursachen auseinander zusetzen.

Der 69-jährige CSU-Politiker Alois Glück ist Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Der 69-jährige CSU-Politiker Alois Glück ist Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

© dpa

CDU-Arbeitskreischef Sittler warnte ebenfalls  vor einer unbegrenzten Aufnahme von Flüchtlingen. Zwar solle jeder, der nach Deutschland komme, „unsere Fürsorge“ erhalten. Die  "wunderbare Hilfsbereitschaft in unserer Bevölkerung" dürfe aber nicht überfordert werden. "Ein unkontrollierter Zustrom von Millionen Menschen kann nicht christlich sein."  Erst recht nicht christlich sei es, so vielen Menschen in Deutschland das Paradies zu verheißen, "um sie am Ende zu enttäuschen".

Ein Kurswechsel von Angela Merkel hin zu einer restriktiveren Flüchtlingspolitik sei deshalb gerade aus christlicher Perspektive notwendig und setze „ganz sicher keine christlichen Werte aufs Spiel“.  Außerdem sei es "pharisäerhaft, einer Politik der offenen Tür das Wort zu reden, aber von der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung von Christen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika zu schweigen“, kritisierte Sittler.

Ordensobere: Geflüchtete nicht in zwielichtiges Licht stellen

Dagegen haben die 45 Ordensoberen offenbar recht viel Verständnis für Merkel. "Wir appellieren an Sie, dringend von einer Rhetorik Abstand zu nehmen, die Geflüchtete in ein zwielichtiges Licht stellt", heißt es in ihrem offenen Brief an CSU-Chef Seehofer. "Wir plädieren vielmehr dafür, in den politischen Debatten und Entscheidungen die Geflüchteten zuerst als Mitmenschen zu sehen, die als Schwestern und Brüder zu uns kommen und unsere Solidarität brauchen". Mit brennender Sorge, so die Unterzeichner, würden sie wahrnehmen, "wie auch in unserem Land rechtsnationale Kräfte und Meinungen wieder sprach- und öffentlichkeitsfähig werden, die ein Klima der Angst und Bedrohung schüren und gegen Geflüchtete und Menschen anderer Religionen hetzen und inzwischen schon tätlich gegen sie vorgehen".

Konkret wenden sich die Kirchenleute gegen Transitzonen und Auffanglager, prangern auch die "oft menschenunwürdigen Zustände in den Flüchtlingsunterkünften" an. Die Unterzeichner - unter ihnen Abt Michael Reepen aus Münsterschwarzach und Cornelius Bohl, Provinzialminister der Deutschen Franziskanerprovinz, blenden auch die wirtschaftlichen Motive der Flüchtlinge nicht aus. "Weil in ihren Heimatländern jede Perspektive fehlt, ihre Familien durch redliche Arbeit zu ernähren, wollen sie ihre Arbeitskraft bei uns einsetzen und damit ihr tägliches Brot verdienen", schreiben die Ordensoberen. Die Lebenssituation in vielen Ländern der Welt sei "unmöglich" geworden. "Wir stellen auch beschämt fest, wie sehr unser Reichtum auf dem Rücken der Menschen in Afrika, Asien und dem Vorderen Orient erwirtschaftet wurde."

"Nicht unser deutsches Boot ist voll, sondern die Boote der Flüchtlinge"

Außerordentlich deutlich wurde auch die Franziskaner-Schwester Katharina Ganz aus dem Kloster Oberzell in Zell am Main. In einem Interview mit dem Domradio nannte die die Rhetorik der CSU "geistige Brandstiftung", die die Menschen im Lande polarisiere. Sie sagte: "Statt dass sich die Politik geschlossen hinter die Bundeskanzlerin stellt und gemeinsam diese zugegebenermaßen schwierige Situation bewältigt, wird auf Wahlkampf gesetzt. Herr Seehofer hat sich fast wie ein Gegen-Kanzler positioniert und Sigmar Gabriel seine Kanzlerkandidatur ausgerufen. Das hat in unseren Reihen zunehmend Unmut erzeugt. Wir verstehen nicht, warum hier nicht geschlossen entschieden und gehandelt wird - zum Wohl der bei uns Ankommenden." Ganz erklärte weiter: "In Wirklichkeit ist nicht unser deutsches Boot voll, sondern die Boote der Flüchtlinge, die übers Mittelmeer hierher kommen, sind es. Die Menschen sind in lebenbedrohlichen Situationen aus ihrer Heimat geflohen." Ganz ist Generaloberin und zählt zu den Unterzeichnern des Offenen Briefes an Seehofer.

Tauber verteidigt Merkels Kurs

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sieht die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin dagegen naturgemäß im Einklang mit den christlichen Werten der Partei. „Wir helfen weiterhin denen, die wirklich in Not sind, denn das ist der Anspruch, der sich aus dem C in unserem Parteinamen ergibt“, sagte er dem Tagesspiegel. Merkel habe bereits bei der Begegnung mit dem Flüchtlingsmädchen Reem gesagt, "dass nicht alle, die derzeit zu uns kommen, in Deutschland werden bleiben können". Darum sei es "so wichtig, dass wir nicht allein die europäischen Außengrenzen sichern, sondern uns auch für eine bessere Perspektive einsetzen, die den Menschen in ihren Heimatländern Hoffnung und Zuversicht gibt. Auch das ergibt sich aus dem C im Parteinamen.“

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