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Der Versorger "Berlin" hat ein Lazarett an Bord, Ärzte sollen folgen.

© dpa

Flüchtlinge im Mittelmeer: Viele offene Fragen vor Bundeswehreinsatz

Die deutsche Marine bereitet sich auf den Einsatz zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer vor. Noch ist aber unklar, was die beiden von Merkel zugesagten Schiffe genau machen sollen.

Die Bundeswehr steht vor einem neuen Einsatz. Bei ihrem Sondergipfel zur Lage im Mittelmeer hatten am Donnerstag mehrere Staaten angekündigt, Marineschiffe ins Mittelmeer zu entsenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte eine Fregatte und ein Versorgungsschiff der deutschen Marine in Aussicht. Zusammen könnten sie mehrere Hundert Flüchtlinge an Bord nehmen. Die Details dieses Einsatzes sind noch weitgehend ungeklärt, gleichwohl laufen bei der Bundeswehr bereits die Vorbereitungen für die neue Aufgabe. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Freitag, die beiden Schiffe könnten binnen weniger Tage in der kritischen Gegend sein. Sie sind Teil eines Ausbildungsverbandes, der sich derzeit im Golf von Aden und im Golf von Oman aufhält. Nach Tagesspiegel-Informationen können die Schiffe allerdings frühestens am 5. Mai den Suezkanal passieren. Zwei der insgesamt drei Schiffe des Verbandes, der Gruppenversorger „Berlin“ und die Fregatte „Hessen“, hatten zuletzt am Anti-Piraten-Einsatz der EU „Atalanta“ teilgenommen, das dritte Schiff, die Fregatte „Karlsruhe“, befindet sich nach einem Besuch in Indien nun im Oman. Welche der beiden Fregatten zusammen mit der „Berlin“ zur Flüchtlingsrettung eingesetzt wird, war am Freitag noch nicht entschieden. Ursprünglich sollte der Verband vom 7. bis zum 14. Mai gemeinsam einen Besuch im Hafen von Haifa absolvieren.

Schwimmendes Krankenhaus

75 Offiziersanwärter sollen vor dem nun geplanten Einsatz zur Beendigung der Flüchtlingskrise auf dem Mittelmeer von Bord der Einsatzschiffe gehen; der Versorger „Berlin“ im Gegenzug um eine sogenannte Facharztgruppe verstärkt werden. Das Schiff hat Lazarettcontainer an Bord, die dem Standard eines deutschen Kreiskrankenhauses entsprechen. Derzeit sind nach Auskunft der Marine aber nur ein Allgemeinmediziner, ein Zahnarzt und ein Anästhesist auf der „Berlin“.

Debatte über Mandat

Völlig unklar ist bisher, mit welchem Mandat die Marine operieren soll. Auf dem Gipfel in Brüssel am Donnerstag waren zwei Optionen im Gespräch. Danach könnten Marineschiffe verschiedener EU-Staaten die EU-Grenzschutzagentur Frontex verstärken und in Seenot geratene Flüchtlinge retten. Oder sie könnten aktiv gegen Schlepper an der libyschen Küste vorgehen. Die Bundesregierung spricht offiziell bisher ausschließlich von einer Rettungsaktion, entsprechend wird auch bei der Marine noch nicht für eine militärische Aktion geplant. Frankreichs Staatschef François Hollande sagte indes am Freitag, er wolle bei einer Gedenkfeier anlässlich des 100. Jahrestags des Massakers an den Armeniern bei Russlands Staatschef Wladimir Putin für ein UN-Mandat für einen Einsatz gegen Schlepper werben.

Wie weit soll die Marine aufs Meer rausfahren

Doch auch wenn es bei einer reinen Rettungsaktion bleiben sollte, gibt es noch erheblichen Klärungsbedarf innerhalb der EU – und auch innerhalb der Bundesregierung. Konkret steht die Frage im Raum, ob sich die Marineschiffe in europäischen Gewässern bereithalten sollen, um in Seenot geratenen Flüchtlingen bei entsprechenden Signalen zu Hilfe zu eilen, oder ob sie in internationalen Gewässern oder vor der libyschen patrouillieren sollen, wo zuletzt Hunderte Flüchtlinge ertrunken waren.

Mare Nostrum durch die Hintertür?

Letzteres käme faktisch einer Wiederbelebung der Rettungsaktion „Mare Nostrum“ gleich, die Italien zeitweise mit eigenen Marineschiffen betrieben hat. Die italienischen Schiffe hatten fast ein Jahr lang gezielt nach Flüchtlingsbooten gesucht und waren dafür auch in internationalen Gewässern unterwegs. Italien hatte die Operation jedoch im Herbst 2014 aus Kostengründen eingestellt. Danach verbesserte die EU zwar die Ausstattung von Frontex. Das Einsatzgebiet der Grenzschutzagentur blieb aber auf europäische Gewässer beschränkt. Lediglich bei SOS-Signalen fahren sie weiter raus. Auf dem EU-Gipfel am Donnerstag wurden die Mittel für Frontex noch einmal aufgestockt. Eine Ausweitung des Operationsgebietes lehnen die meisten EU-Staaten indes weiter ab.

Regierung spricht mit vielen Stimmen

Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gehört zu jenen, die die Auffassung vertreten, eine Operation nach dem Vorbild von „Mare Nostrum“ lade Schlepper ein, Flüchtlinge massenweise in untauglichen Booten aufs Meer zu schicken. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bezeichnet die Einstellung von „Mare Nostrum“ hingegen als Fehler.

Schlepper mit Schusswaffen

In jedem Fall dürften Marineschiffe besser geeignet sein, Flüchtlinge zu retten. Denn die Schlepper werden immer gefährlicher. Mehrfach wurden Frontex-Schiffe in der Vergangenheit von Schleppern beschossen, wenn sie nach Notrufen vor der libyschen Küste aufkreuzten. „Anders als Marineschiffe sind unsere Patrouillenboote nicht dafür ausgestattet, bewaffnete Angriffe zu erwidern,“, hatte ein Sprecher nach dem letzten Vorfall am 13. April gesagt. Das sieht man bei der deutschen Marine ähnlich. „Es wäre schon sehr dumm, eine Fregatte mit Handfeuerwaffen anzugreifen“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel.

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