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Bürgerfest bei Bundespräsident Joachim Gauck.

© dpa

Flüchtlinge: Anpacken statt austeilen

Während die Parteien erbittert über die Fehler in der Flüchtlingspolitik streiten, ist das Engagement der Bürger für die Zufluchtsuchenden ungebrochen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Das ist das andere Deutschland, das es eben auch noch gibt. Gottlob. Das so leicht vergessen wird, wenn erbittert über Versagen und Fehler beim Thema Flüchtlinge gestritten wird. Den lang anhaltenden Beifall für Angela Merkel von den ehrenamtlich Engagierten beim Fest des Bundespräsidenten wird sie als Ermutigung mitgenommen haben. Denn ihrem „Wir schaffen das“ folgen zehntausende Menschen in Deutschland mit beeindruckender Energie und großer Beharrlichkeit: Sie haben schon viel geschafft.

Sie schaffen das

Der Bundespräsident hat mit seiner Einladung jene gewürdigt, die viel dazu beigetragen haben, dass Menschen, die aus Krieg und Bedrängnis kamen, neuen Mut fassen können. Sie begleiten diese Menschen auf ihrem Weg, sich zu integrieren. Das sind die Gesichter einer deutschen Erfolgsgeschichte, die in einer von der AfD angeheizten Krawalldebatte der Parteien leicht untergeht. Einfach mal Danke sagen, wie es der Bundespräsident am Wochenende machte, ist deshalb ein notwendiges Zeichen. Ungeachtet der gesäten Zweifel an der Politik der Kanzlerin und der täglich zu erlebenden Distanzierungen von ihrer damaligen Entscheidung, die Flüchtlinge in Deutschland willkommen zu heißen, engagieren sich diese Menschen unverdrossen.

Ohne Gemeinsinn geht es nicht

Auf sie kommt es an, wenn Deutschland weiterhin ein liberales und der Mitmenschlichkeit verpflichtetes Land bleiben soll – damit sie das weiterhin tun, gebührt ihnen weit mehr Sorge als jenen, die den rassistischen Hetzern von der AfD zu folgen bereit sind. Die Politik darf nicht zulassen, dass die Kluft zwischen denen, die sich engagieren, und dem abgehobenen Parteiengezänk noch größer wird.
Deutschland und auch Berlin brauchen Menschen, die sich einsetzen. Denn ohne Gemeinsinn geht es nicht. Das haben auch die über 240 Initiativen gezeigt, die an den „Aktionstagen für ein schönes Berlin“ überall in der Stadt aktiv waren: Eine bürgerschaftliche Demonstration für gute Nachbarschaft und Verantwortung für Mitmenschen. Dieses Engagement ist auch eine Wiedereroberung des öffentlichen Raums durch verantwortungsvolle Stadtbürger, wenn auf vielfältige Weise den Geflüchteten geholfen wird oder mit großem Einsatz die Plätze und Parkanlagen gepflegt und verschönert werden. Diesen Einsatz zu würdigen, weil er der Humus einer vitalen Stadtgesellschaft ist, findet bei den Berliner Parteien immer noch zu wenig Unterstützung.

Gauck freut sich über das Engagement

Ich sehe ein schönes Land, sagte Bundespräsident Joachim Gauck beim Empfang der Ehrenamtlichen im Schloss Bellevue. Recht hat er. Bemerkenswert ist, dass sich die Helfer nicht abschrecken und entmutigen lassen durch jene, die sich wohlfeil darauf beschränken, zu kritisieren und Engagierte als Gutmenschen beschimpfen. Die gute Nachricht dieser Tage ist, dass das Engagement laut einer neuen Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sogar noch zugenommen hat, trotz der wachsenden Sorge vor Anschläge, trotz der Vorurteile gegen Flüchtlinge. Hilfe, Mitgefühl und Anpacken gehören zu Deutschland. Und helfen macht offenbar glücklich: Die Helfer empfinden ihren Einsatz nicht als Last, sondern auch als persönliche Bereicherung.

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