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Oft im Disput: Justizministerin Lambrecht (m) und Innenminister Seehofer (l).

© Gaertner/Imago

„Flexibel interpretierbar“: Wie tragfähig ist der Groko-Kompromiss?

Polizeistudie, Rassismusbeauftragter, Geheimdienst-Befugnisse: Die Groko hat sich bei mehreren Streitfragen geeinigt - zumindest auf dem Papier.

Es war eine absurde Situation. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sitzt am Dienstag gerade in der Bundespressekonferenz, um einen Bericht zur Cybersicherheit vorzustellen. Da fragen die Journalisten auch nach einer Meldung, die zuvor über den Ticker gelaufen ist: Seehofer, so heißt es, habe nach Monaten seinen Widerstand gegen eine Studie zu Rassismus in den Polizeibehörden aufgegeben. Doch darauf angesprochen lacht Seehofer. Er habe seine Position nicht geändert. Es werde eine Studie geben zu Schwierigkeiten und Frust im Polizeialltag. Die Studie werde sich auch damit beschäftigen, wie sich sicherstellen lasse, dass auch in Zukunft „Null Toleranz“ gegen Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden gelebt werde.

Wer genau hinhört, erkennt also: Es gibt durchaus eine Art Kompromiss mit SPD-Justizministerin Christine Lambrecht, die die Studie unbedingt will – aber Seehofer will es nicht so dastehen lassen, als habe er eingelenkt. Später schiebt seine Pressestelle sogar noch einmal eine Erklärung nach: „Keine Rassismus-Studie in der Polizei“.

Union hat mehr Befugnisse für die Geheimdienste durchgesetzt

Der Vorgang erzählt viel darüber, wie zurzeit in der Groko verhandelt wird. Tatsächlich haben sich Union und SPD in den vergangenen Tagen in einer ganzen Reihe strittiger Punkte geeinigt. Herausgekommen sind Kompromisse, die typisch sind für diese große Koalition: Sie stehen zwar schwarz auf weiß auf Papier, doch was am Ende daraus im Detail wird, darüber gehen die Vorstellungen auf beiden Seiten weit auseinander.

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So bleibt vieles vage in dem Sieben-Punkte-Kompromisspapier der Groko – nicht nur mit Blick auf die Polizeistudie. Grundsätzlich geeinigt haben sich Union und SPD darauf, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Aber, so heißt es im Groko-Beschluss ausdrücklich: „Dazu gibt es jetzt unterschiedliche Vorschläge.“ Das Gleiche gilt für die Frage, wie sich die Demokratie im Land stärken lässt. Die SPD will über ein „Demokratiefördergesetz“ zivilgesellschaftliche Initiativen langfristig mit Bundesmitteln fördern. Die Union sieht das skeptisch. Deshalb will man nun „verlässliche Rahmenbedingungen für Aktivitäten und die Fördertätigkeit des Bundes“ schaffen – was „flexibel interpretierbar“ ist, wie es in der SPD heißt.

Durchsetzen konnten sich die Sozialdemokraten mit der Forderung nach einem Rassismus-Beauftragten. Der soll allerdings erst 2022 eingesetzt werden, also lange nach dem Ende der Legislaturperiode. Die Union hat dagegen die Ausweitung der Befugnisse der Geheimdienste durchgesetzt. Mithilfe von Quellen-Telekommunikationsüberwachung sollen diese verschlüsselte Kommunikation in Diensten wie Whatsapp mitlesen dürfen.

Immer wieder gibt es Ärger

Unklar ist, wie es mit dem „Rasse“-Begriff in der Verfassung weitergeht: Ob dieser aus dem Grundgesetz gestrichen werden soll, darüber gibt es schon seit Monaten Diskussionen. „Wir streben an, uns sehr zeitnah auf eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes zu einigen“, heißt es dazu. Eine Fachgruppe aus dem Innen- und Justizministerium soll eine Lösung für das juristisch komplexe Problem erarbeiten.

Damit könnten Justizministerin Lambrecht und ihr Kabinettskollege Seehofer bald erneut aneinander geraten. Das Verhältnis der beiden ist angespannt – nicht nur wegen der Rassismus-Studie. Immer wieder gibt es Ärger. So kritisierte Lambrecht Seehofers Ministerium wegen eines Gesetzesentwurfs zum Wohnungsmarkt, der sich über eine Groko-Vereinbarung hinwegsetzte. Als Lambrechts Haus einen Gesetzesentwurf im generischen Femininum abfasste, gab es wiederum aus dem Innenministerium einen Schuss vor den Bug. Seehofers Auftritt in der Pressekonferenz diese Woche dürfte die Stimmung nicht gehoben haben.

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