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Flüchtlinge in Rostock. In diesem Jahr kommen womöglich deutlich mehr Asylbewerber nach Deutschland als bislang erwartet.

© dpa

Finanzielle Auswirkungen: Hilfe für Flüchtlinge – ein gutes Geschäft

Asyl-Industrie - das Wort hört sich an wie eine Diffamierung. Doch das Managen der Flüchtlinge ist auch ein Konjunkturprogramm. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Auf dem Weg in Krisengebiete trifft man sie in den Eincheckzonen der Flughäfen, die Händler der Ware zur Rettung aus Not und Katastrophe. Im Angebot haben sie alles, was einen Ersatzalltag für Leute herstellen soll, die aus dem Alltag herausgeschleudert wurden. Da finden sich etwa Broschüren mit Containerabbildungen, aufgemacht wie beim Otto-Versand: Hier, das Modell Winterfest für vier, sechs, acht Personen, „Karnickelstall genannt“, kann ein Verkäufer Unkundigen anvertrauen. Produzenten von Emergency-Food spezialisieren sich auf kompakt verpackte Wasser- und Essensrationen. Zelte, Decken, Medikamente, mobile Kliniken – wer auch immer hilft, und sei es das Internationale Rote Kreuz, kann nicht alles auf Vorrat haben, geschweige denn selber produzieren. Die Dinge müssen eingekauft werden. Bei großen Spezialfirmen beobachtet man auf News-Monitoren das weltweite Geschehen. Wo die Erde bebt, Flüsse über die Ufer treten, Bürgerkriege sich ausweiten, dahin schickt man seine Vertreter, die Leute mit den Katalogen.

Vom Ehrenamt allein kann keine Krise größeren Ausmaßes bewältigt werden

Manche Manager mögen Berufszyniker sein, manche Mitarbeiter sind erfahrungsbedingt abgebrüht, viele einfach motivierte Profis. Wie auch immer, es handelt sich um ein oft effizientes, unbedingt gebrauchtes Milliardengeschäft.

Nicht viel anders verhält es sich mit der Asyl-Industrie. Das Wort hört sich an wie eine Diffamierung, es klingt nach dem Geschäft mit dem Elend. Wo immer hunderte, tausende flüchtender Menschen von einem Augenblick zum nächsten Hilfe brauchen, wird diese Industrie aktiv oder entsteht. Auch hier werden Herbergen gebraucht, Wohn- und Bürocontainer, Sanitärcontainer, Zelte, angemietete Unterkünfte. Auch hier verdienen Verkäufer, Vermieter, Eigentümer von Liegenschaften, Klempner, Fliesenleger, Elektriker, Sicherheits- und Wäschedienstleister und so fort. Pharmaunternehmen verkaufen Impfstoffe und Antibiotika, bezahlt werden Sozialarbeiter, Dolmetscher, Logistiker, Busunternehmen, Taxifahrer.

Vom Ehrenamt allein kann keine Krise größeren Ausmaßes bewältigt werden. Neben den sogenannten Flüchtlingsströmen strömt daher das Kapital. Und noch der arbeitslose Asylbewerber, der sein Taschengeld bei Aldi oder Lidl ausgibt, trägt dazu bei, dass das Geld zirkuliert, ebenso wie jeder neu eingestellte Angestellte im öffentlichen Dienst, der sein Gehalt in den Markt einbringt.

Was zeigt das? Vor allem eins: Die besorgte oder aufgebrachte Rede von den Milliarden Euro, die die hunderttausende Flüchtlinge den Staat, die Gesellschaft kosten, greift zu kurz. Sie greift im Grund gar nicht. Die ausgegeben Summen verschwinden keineswegs in einem schwarzen Loch im Weltall, das die schwarze Null der Staatskasse zu verschlucken droht. Denn bereits auf kurze und mittlere Frist entstehen hier Profite, und eine Portion dieser Einnahmen dürfte durchaus, wenn es mit rechten Dingen zugeht, in Gestalt von Steuern zurückfließen an eben den Staat, der sie erst mal auslegen muss.

Das alles ist kein Geheimnis, es lässt sich mikro- und makroökonomisch errechnen, wie sich solche Summen ausnehmen. Wir haben es hier also nicht mit einem Desaster oder Skandal zu tun, auch wenn ein rechter Rand der Gesellschaft und eine zunehmend murrende Mitte die aktuellen Entwicklungen so einschätzen. Im Gegenteil, die Asylkrise kommt eher einem breitflächigen Investitionsprogramm gleich, einem staatlich geförderten Konjunkturschub in großen Produkt- und Dienstleistungsbranchen. (Rund fünfeinhalb Milliarden soll die „Abwrackprämie“ den Staat gekostet haben – offenbar hat sie sich ausgezahlt.)

Ja, aber!

Flüchtlinge und Arbeitsmigranten, die den Weg zu Lohn und Brot finden, senden fast alle auch einen Teil ihres Einkommens an die Familien in ihren Herkunftsländern. Wirtschaftswissenschaftler haben erkannt, dass die Milliarden Euro und Dollar, die so durch Transfers über Western Union in ärmere Regionen der Erde fließen, erheblich mehr leisten, als alle Entwicklungshilfe zusammengenommen. Diese gewaltigen Summen sind Beiträge zum Aufbau, zur Konfliktprävention – und damit verhindern sie langfristig weiteres Abwandern.

Ja, aber! „Später werden diejenigen unter den jetzt neu Angekommenen dann doch teuer, die arbeitslos vor sich hin leben, ihre Familien nachholen, der Gesellschaft auf der Tasche liegen.“ Dieser Refrain im Chor der skeptischen Stimmen wird ausleiern, sobald klarere Strukturen, Gesetze und Regelwerke für den Umgang mit Neuankömmlingen gefunden sind. Vor allem anderen muss sich der ominöse Begriff Integration zu einer lebendigen, neuen Praxis wandeln, in der Kooperation und demokratisches Selbstbewusstsein die Dominanz über nebulöse Ängste gewinnen.

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