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Die Tür zur Zelle 143 in der Klever Justizvollzugsanstalt, wo der Syrer starb.

© Markus van Offern/dpa

Feuertod eines unschuldig Inhaftierten: Drama von Kleve setzt NRW-Regierung unter Druck

Ein unschuldig inhaftierter Syrer stirbt bei einem Brand in seiner Zelle. Der Justizminister spricht von einem tragischen Unfall - eine falsche Darstellung.

Die Leichtigkeit ist verflogen. In den ersten Monaten nach seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr schwebte Peter Biesenbach förmlich in den Landtag, nach langen Jahren des Wartens war der Anwalt endlich Justizminister geworden. Inzwischen hat sich sein Schritt geändert – schon bevor der Mann die gläserne Sicherheitsschleuse zum Düsseldorfer Parlament durchschreitet, muss er Fernsehreporter fürchten, die ihm bei laufender Kamera unangenehme Fragen stellen.

Kürzlich hielten sie ihm das Foto eines hellhäutigen Kurden vor und wollten wissen, warum man den Syrer für einen dunkelhäutigen Afrikaner aus Mali halten kann. Biesenbach wusste natürlich keine Antwort und brach das Gespräch brüsk ab.

Der Justizminister dürfte in den nächsten Tagen noch viel mehr unangenehme Fragen gestellt bekommen. Der Fall des am 17. September verstorbenen Syrers wächst sich zu einem veritablen Justizskandal in Nordrhein-Westfalen aus, der die gesamte Landesregierung in ein schlechtes Licht rückt.

Der Inhaftierte war schlicht verwechselt worden

Der Mann, so geht die Kurzfassung, hatte mehr als zwei Monate zu Unrecht im Gefängnis von Kleve gesessen, weil er schlicht verwechselt worden war. Das Drama verschärft sich noch: Der Mann kommt bei einem Zellenbrand ums Leben. Justizminister Biesenbach stellte das im Parlament als tragischen Unfall dar und insinuierte, der Mann habe in der Zelle Feuer gelegt, weil er aus dem Leben scheiden wollte. Ein wichtiges Indiz für diese Vermutung war, dass der 26-Jährige den Alarmknopf nicht bemüht habe. „Der Gefangene hat die Rufanlage jedenfalls nicht betätigt“, gab Biesenbach zu Protokoll.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) steht stark unter Druck.
NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) steht stark unter Druck.

© Federico Gambarini/dpa

Das war falsch, wie der Justizminister inzwischen zugeben musste. In einem dreiseitigen vertraulichen Papier für den zuständigen Ausschuss, das dem Tagesspiegel vorliegt, gab er erstaunliche neue Details preis. Demnach hat der Betroffene an jenem Abend um 19:19 Uhr den Alarmknopf gedrückt und verzweifelt versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Der Klever Anstaltsleiter war ohnehin nie von der in Düsseldorf verbreiteten These überzeugt, der Mann habe Suizid begehen wollen, weil bald klar geworden wäre, dass er ohnehin nur wegen einer Verwechslung der Namen dort einsaß.

Rücktrittsforderungen gegen Justizminister Biesenbach

All diese Ungereimtheiten führen in Düsseldorf inzwischen zu Rücktrittsforderungen gegen den Justizminister. „Minister Biesenbach hat seine Glaubwürdigkeit verspielt“, sagt der Sozialdemokrat Sven Wolf, der den CDU Politiker schon in den vorangegangenen Sitzungen attackiert hat.

Nicht nur in der SPD, auch bei den Grünen regt sich seit einiger Zeit heftiger Widerstand gegen Biesenbach. „Ich kann nicht glauben, dass der Mann zwei Monate zu Unrecht im Gefängnis sitzt und – abgesehen von einem Gespräch mit einer Psychologin – nie auf die Verwechslung hingewiesen oder nach seinem Anwalt gefragt hat“, analysiert Stefan Engstfeld von der Grünen. Innenminister Herbert Reul hat sich der Familie gegenüber bei der Beerdigung dafür entschuldigt, dass der Mann von der Polizei wegen einer Namensgleichheit mit dem per Haftbefehl gesuchten Mann aus Mali verwechselt wurde.

Schelte von der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Münster

Die Fehlleistungen reihen sich aus Sicht der Opposition in eine inzwischen bedenklich lange Kette von rechtsstaatlich bedenklichen Aktionen der schwarz gelben Düsseldorfer Regierung ein. „Die haben ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit“, urteilt der Grüne Stefan Engstfeld. „Die Abschiebung von Sami A nach Tunesien rechtswidrig, das polizeiliche Vorgehen in Hambach übertrieben, beides haben oberste Gerichte inzwischen festgestellt“.

In der Tat haben verschiedene Düsseldorfer Ministerien höchstrichterlich bescheinigt bekommen, dass sie die Grenzen des Rechtsstaates wenn nicht überschritten, mindestens arg gedehnt haben. Die Abschiebung des Gefährders nach Tunesien hätte zum Beispiel nie stattfinden dürfen, die Landesregierung hat das zuständige Gericht so arglistig getäuscht, dass die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in Münster, Ricarda Brandts, zu einer ungewöhnlichen Wortwahl griff: „Hier wurden Grenzen des Rechtsstaates ausgetestet, das wirft Fragen zur Demokratie auf.“

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