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Elke Breitenbach ( Die Linke), Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, brachte den Begriff Femizid in die Diskussion.

© Annette Riedl/dpa

„Femizid“ und „Ehrenmord“ dienen als Etikett: So benutzen Politikerinnen und Behörden ein Verbrechen

Elke Breitenbach und Franziska Giffey meinen, sie müssten den Tod einer Afghanin etikettieren. Die Staatsanwaltschaft ging mit schlechtem Beispiel voran. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

In Berlin ist eine Mutter getötet worden, mutmaßlich von ihren Brüdern. Die Frau entstammte einer afghanischen Flüchtlingsfamilie. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft besteht „der Verdacht eines so genannten Ehrenmordes“, weil das Leben ihrer geschiedenen Schwester nicht den Moralvorstellungen der mutmaßlichen Täter entsprochen haben soll.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) ordnete die Tat als „Femizid“ ein. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl Franziska Giffey widersprach und betonte, es müsse bei „Ehrenmord“ bleiben.

Linke und Feministen bringen den Begriff in den Diskurs

Zwischen beiden Positionen gibt es Gemeinsamkeiten. Weder Femizid noch Ehrenmord bilden eine juristische Kategorie. Es handelt sich in beiden Fällen um eine tendenziell politisch motivierte Zuschreibung von Kriminalität.

Als Femizid gilt die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Fasste man früher darunter eher die Verfolgung von „Hexen“ oder die systematische Abtreibung weiblicher Föten, wird die Verwendung des Begriffs aktuell vor allem in feministischen Diskursen vorangetrieben. Demnach soll Femizid der ultimative Ausdruck männlicher Herrschaftsansprüche über Frauen sein.

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Da weit mehr Männer als Frauen Frauen töten, entfaltet die Deutung eine gewisse Überzeugungskraft. Die angestrebte Überwindung des Patriarchats würde demnach vielen Frauen das Leben retten. Medien haben den Begriff in jüngster Zeit stark rezipiert; auf bundespolitischer Ebene hat ihn die Linksfraktion 2020 ins Parlament getragen.

Der Islam ist schuld. So sieht es nicht nur die AfD

Mit dem Ehrenmord verhält es sich ähnlich. Der bereits in den allgemeinen Sprachgebrauch überführte Begriff spielt auf archaische Vorstellungen von Ehre an und betont kulturelle Differenz zwischen einer aufgeklärten Mehrheitsgesellschaft und in ihrer zivilen Entwicklung rückständigen Minderheiten.

Oft, auch bei Giffey, wird die Religion, namentlich der Islam für die Defizite mitverantwortlich gemacht. Auch diese Zuschreibung wirkt überzeugend: „Der Islam“ ist als Erklärung für bestimmte abzulehnende Phänomene und Verhaltensweisen so einleuchtend wie „das Patriarchat“.

Würden die Rückständigen ihren Glauben wechseln, hiesige, nicht zuletzt christlich geprägte Werte gelten lassen oder der Bundesrepublik am besten fernbleiben, gäbe es auch keine Ehrenmorde mehr. Solche Vorstellungen erscheinen vielen schlüssig, nicht nur der AfD, die allerdings von allen Parteien am intensivsten bemüht ist, sie aufrechtzuerhalten und zu vertiefen.

Eine Form von Populismus

Was ist mit diesen Kategorien gewonnen? Darüber wäre in vielerlei Hinsicht zu diskutieren. Für weitere Ermittlungen und individuell schuldangemessenes Strafen in einem späteren Prozess vermutlich wenig. Ihre frühzeitige Anwendung auf den unvollständig geklärten Fall erfüllt eine andere Kategorie: Populismus. Die Akteurinnen benutzen das Verbrechen, um politisch Stimmung zu machen. Auch die zuständigen Behörden, die hier mit schlechtem Beispiel vorangegangen sind.

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