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Eltern führen verschiedene Gründe an, warum sie früher in die Ferien müssen oder wollen.

© picture alliance / ZB

Fehlende Kinder zu Ferienbeginn: Die Schulpflicht gilt auch im Urlaub

Wieder werden kurz vor Ferienstart Schüler krank fehlen, weil es schon in den Urlaub geht. Rechtfertigen können Eltern das nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Die beliebtesten Vorschriften und Pflichten sind diejenigen, deren Sinn und Notwendigkeit eingesehen werden, die nicht infrage gestellt werden. Die Anschnallpflicht im Auto beispielsweise. Anders ergeht es saisonal der Schulpflicht. Regelmäßig vor und nach den Ferien schnellt in Deutschlands Schülerschaft der Krankenstand in die Höhe, und dann fehlen die Kinder, deren Eltern die Schulpflicht für nachrangig erachten – Urlaubsplanungen gehen vor.

In Bayern wurde deshalb um die Pfingsttage herum drastisch, aber öffentlichkeitswirksam die Bundespolizei tätig. Sie stellte an verschiedenen Flughäfen zehn Familien mit Kindern, die in die Schule gehört hätten. Dafür drohen hohe Geldstrafen. Und das ist richtig so.

Werden diese Regeln missachtet, wackelt das Ganze

Die Schulpflicht gehört zu den Regeln, die das formende Korsett des Landes bilden. Werden diese Regeln missachtet, wackelt das Ganze. Darum ist die Schulpflicht zu achten. Erst recht, wenn es um Kinder und Heranwachsende geht, für die Eltern ein Vorbild sind.

Die Flugpreise, die – so ist das im Kapitalismus – mit dem ersten Ferientag explodieren und manche Reisen unbezahlbar machen, sind eine Begründung für den freihändigen Start in den Urlaub. Wer damit argumentiert, ordnet die Schulpflicht der familiären Kassenlage unter.

Die andere Begründung fußt auf dem Argument, in der Schule sei kurz vor den Ferien ohnehin nichts mehr los. Das ist gewagt. Denn mit der Begründung könnte man den Schülern letztlich jede Stunde frei geben, die keinen messbaren Lernfortschritt ergibt. Oder einen, der verzichtbar erscheint: Kunst oder Sport am Freitag in der letzten Stunde? Ach was! Lasst uns lieber ins Wochenende starten, die Sonne scheint so schön.

Das mag en vogue sein als Ausdruck von Selbstbestimmtheit und Autonomie in einer Elterngeneration, die eher locker drauf ist; die Unverhandelbares vielleicht grundsätzlich nicht so schätzt. Aber was ist die Botschaft? Dass Regeln nur gelten, wenn sie gerade in die Tagesplanung passen? Dass niemand Vorschriften befolgen muss, deren Sinn er nicht einsieht? Soll das wirklich für alle Menschen im Land gelten? Besser nicht.

Hinzu kommt, dass Eltern, die ihre Kinder krankmelden, um deren Abwesenheit zu legitimieren, die Kinder in eine Lügengeschichte hineinziehen. Was sollen Kinder antworten, wenn Freunde per Whatsapp fragen, was sie haben? Sollen sie „Bauchschmerzen“ schreiben, obwohl es ihnen gut geht und sie im Taxi zum Flughafen sitzen? Eltern, die ihre Kinder vor Ferienbeginn aus der Schule nehmen wollen, müssen das mit der Schule besprechen, sie selbst, anstatt ihre Kinder dafür zu benutzen.

Der Polizeieinsatz in Bayern erfuhr ein zwiespältiges Echo

Der Polizeieinsatz in Bayern erfuhr ein zwiespältiges Echo. Es gab Applaus wie Kritik und die Frage, ob die Polizei nichts Wichtigeres zu tun habe. Das fragt sich schnell, wenn Delikte geahndet werden, die keinen tatsächlichen Schaden verursacht haben.

Wer mit dem Rad auf dem menschenleeren Gehweg unterwegs ist und von der Polizei angehalten wird, fragt sich das genauso. Aber auch das ist der handlungsfähige Rechtsstaat, der allgemein erwünscht wird. Bei dem werden bei Anzeichen von Schwäche vielfach bittere Klagen angestimmt.

Also was denn nun? Sollen sich immer nur die anderen an Regeln halten? Wer so denkt, zerfasert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Da hilft es dann auch nichts mehr, ihn zu beschwören.

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