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An jeder Hand eine/n: Auch Kinder wünschen sich die Nähe beider Eltern. In der Praxis geht das nicht immer.

© Ute Grabowsky/imago

FDP-Vorstoß: Kinder sollen nach Scheidung bei beiden Eltern leben

Mutter oder Vater? Gerichte entscheiden sich meist für ein Elternteil. Die FDP will das ändern. Nach einer Trennung sollen beide im Wechsel die Kinder betreuen.

Papa verdient Geld für die Familie, Mama betreut die Kinder – das stimmt zwar in den meisten Ehen und Partnerschaften längst nicht mehr. Doch wenn die Eltern sich trennen, ist es immer noch meist der Haushalt der Mutter, in dem die Kinder leben. Und der sie im Streitfall zugesprochen werden.

Das möchte die FDP ändern. Ihr Antrag „Getrennt leben, gemeinsam erziehen“ soll erreichen, dass das „Wechselmodell“ zur Regel wird. Per Gesetz sollen Gerichte im Streitfall in der Regel bestimmen, dass die Kinder im Wechsel bei Mutter und Vater leben – im Falle gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wäre das der Wechsel zwischen zwei Müttern oder zwei Vätern.

Aktuell ist immer noch das "Residenzmodell" vorherrschend: Die Kinder leben weit überwiegend oder ganz bei einem Elternteil. Die Liberalen argumentieren unter anderem mit einer Allensbach-Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Demnach wünschten sich mehr als die Hälfte aller Paare eine partnerschaftliche Aufteilung der Sorge für die Kinder. Das geltende Familienrecht trage aber "bislang dazu bei, dass einseitige und überholte Rollenbilder gefördert werden".

An diesem Mittwoch hört der Rechtsausschuss des Bundestags dazu die Meinung von Fachleuten aus der Rechtswissenschaft, Psychologie und von zwei Betroffenen-Verbänden, dem „Verband alleinerziehender Mütter und Väter“, und dem „Interessenverband Unterhalt und Familienrecht“. Auf der Tagesordnung steht auch der Antrag der Linken, die im Gegenteil verhindern will, dass das Wechselmodell festgeschrieben wird. Gesetze und Gerichte müssten im Sinne des Kindeswohls Familien dabei unterstützen, das für sie passende Modell zu finden. Dazu passe nicht, dass ihnen eines vorgeschrieben wird.

Ministerin will nicht gesetzlich vorgeben, was sie privat praktizierte

Die Chancen für den FDP-Antrag stehen wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag allerdings schlecht. In seltener Eintracht haben sich die Regierungsfraktionen gegen die Initiative ausgesprochen. Justizministerin Katarina Barley erläuterte zwar am Wochenende in einem Interview mit dem "Spiegel" ausführlich ihre eigenen positiven Erfahrungen mit dem Wechselmodell: Sie und ihr Mann erzogen die bei der Scheidung neun und zwei Jahre alten Söhne weiter beide, aber in getrennten Haushalten.

Ein Gesetz zugunsten dieses Modells will die SPD-Politikerin aber nicht. Jede Familie brauche ihre eigene Lösung: „Wir haben bislang im Gesetz kein Regelmodell nach einer Trennung, und es sollte auch keines geben.“ Und im Falle von Gewalt sei gemeinsame Erziehung sowieso ausgeschlossen. Ähnlich Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion und wie Barley früher Richterin: „Das Wechselmodell ist eine gute Lösung, wenn Eltern das gemeinsam tragen“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wenn sie sich nicht einig sind, führt eine Anordnung durch das Gericht oft zu Streit, der dann erst recht auf dem Rücken des Kindes ausgetragen wird.“

Gleichheit ist auch eine Frage des Geldes

Fans des Wechselmodells sind insofern beide Seiten, die Gegnerinnen einer Festschreibung argumentieren aber mit den praktischen Hürden: Nicht nur der – verbreitete und oft erbitterte – Streit zwischen ehemals Liebenden wird ins Feld geführt, sondern auch Finanzielles.

Zwei berufstätige Eltern mit ausreichend Geld für dann zwei ausreichend große Wohnungen könnten das Wechselmodell leben, schreibt der Deutsche Juristinnenbund in seiner Stellungnahme. Sei Geld aber sehr knapp und etwa die Mütter müssten für die höheren Kosten des nun allein finanzierten Haushalts ihre Berufstätigkeit aufstocken, was womöglich einen Umzug bedinge, scheitere das Wechselmodell. Lebten die Eltern von Transferleistungen, werde die Lage noch heikler, weil der höhere Bedarf getrennter Familien nicht anerkannt werde.

Ähnlich argumentiert der „Verband alleinerziehender Mütter und Väter“ VAMV. Das Wechselmodell sei anspruchsvoll, brauche entsprechendes Geld und erfordere besonders viel Kommunikation und Kooperation zwischen womöglich streitenden Eltern; es sei daher riskant. „Kinder leiden unter den Konflikten ihrer Eltern, nicht unter Betreuungsmodellen.“

Ende der Hausfrauenehe? Nicht, wenn Kinder da sind

Die ebenfalls zur heutigen Anhörung geladene Juristin und Mediatorin Hildegund Sünderhauf hält das Pendeln zwischen zwei Elternhaushalten ebenfalls nicht für die Lösung jeder Trennungsfamilie. Wäre es aber als Leitbild festgeschrieben, würde es „die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass mehr getrenntlebende Eltern nach einer Trennung in ihrer Elternverantwortung bleiben“. Jahrzehnte psychologischer Scheidungsforschung hätten gezeigt, dass Scheidungskinder vor allem unter dem Verlust eines Elternteils und den Konflikten ihrer Eltern litten. Die „überwiegende Mehrheit der vorliegenden wissenschaftlichen Studien“ zum Wechselmodell verzeichne für Eltern und Kinder positive Ergebnisse. Zudem habe die Hausfrauenehe „als Familienmodell weitgehend ausgedient“.

Das stimme für die Wünsche von Paaren, aber nicht für die Wirklichkeit, wenn sie Kinder haben, meint dazu der VAMV: In 82 Prozent der Familien mit Kindern unter 18 Jahren sei weiter der Mann der Hauptverdiener, Frauen gingen daher ohne existenzsichernde Arbeit in eine Trennung. Die bekämen sie auch nicht automatisch, wenn nun der Vater die Hälfte der Kinderbetreuung übernehme. Gleichstellungspolitik müsse daher „zu Beginn des Familienlebens ansetzen und nicht erst nach der Trennung“. Dazu passen auch die Zahlen der von der FDP zitierten Allensbach-Studie: Zwar wollen 51 Prozent der getrennten Paare ihre Kinder gemeinsam erziehen. Nur 15 Prozent aber tun dies auch.

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