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Hamid Safi gibt dem kleinen Sohail noch einen Kuss. Der Taxifahrer hat den Jungen am Boden des Flughafens gefunden.

© AFP/Mohd Rasfan

Familienzusammenführung in Afghanistan: Vermisstes Baby wieder bei Familie

Eine Familie wollte nach der Machtübernahme der Taliban fliehen – und verlor ihr Baby im Chaos. Ein Taxifahrer fand es am Boden und nahm es auf.

Ein Baby, das während der chaotischen Evakuierungen am Flughafen Kabul verloren gegangen war, ist nach fast fünf Monaten wieder bei seinen Verwandten. Das bestätigten Familienmitglieder der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Der damals zwei Monate alte Sohail Achmadi sei Mitte August verloren gegangen, nachdem er über einen Zaun am Flughafen einem US-Soldaten übergeben wurde, um nicht in der Menge zerquetscht zu werden, sagte sein Vater Mirsa Ali Achmadi.

Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban im August hatten westliche Regierungen fieberhaft versucht, ihre Staatsangehörigen und afghanische Ortskräfte außer Landes zu bringen. Sie befürchteten Vergeltungsaktionen der Taliban. Am Flughafen von Kabul spielten sich chaotische Szenen ab, weil sich tausende Afghanen in Sicherheit bringen wollten.

Achmadi arbeitete eigenen Angaben zufolge als Wachmann für die US-Botschaft in der afghanischen Hauptstadt. Auch er fuhr mit seiner Familie zum Flughafen, um das Land zu verlassen. Sohails Vater Mirsa Ali Achmadi hatte den Jungen in dem Gedränge am Flughafen einem ausländischen Soldaten übergeben, wurde dann jedoch von ihm getrennt. Sie hätten ihr Baby nicht mehr finden können, sagte Achmadi.

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Sohails Vater suchte drei Tage lang am Flughafen verzweifelt nach seinem Sohn und entschloss sich schließlich, mit seiner Frau und den anderen vier Kindern an Bord eines Flugzeugs in die USA zu gehen. Die Familie habe monatelang keine Ahnung gehabt, was mit dem Säugling geschehen sei. Er selbst, seine Frau und vier weitere Verwandte lebten nun im US-Bundesstaat Michigan.

Nach Medienberichten über die Suche der Familie konnte Sohail schließlich in Kabul bei einem Taxifahrer gefunden werden. Dieser sagte dem TV-Sender ToloNews, er habe das weinende Baby am Boden am Flughafen gefunden. Das Kind habe Kratzer auf der Brust gehabt. Er habe es zum Arzt gebracht.

Sohail Achmadi spielt mit seiner Familie im Haus des Großvaters in Kabul.
Sohail Achmadi spielt mit seiner Familie im Haus des Großvaters in Kabul.

© AFP/Mohd Rasfan

„Wir hätten ihn wie unser eigenes Kind beschützt und aufgezogen“

Safi und seine Frau gaben ihm den Namen Mohammed Abed und kümmerten sich um ihn. Auch in den folgenden Monaten blieb ihre Suche nach den Eltern des Babys erfolglos. „Wenn wir seine Familie nicht gefunden hätten, hätten wir ihn wie unser eigenes Kind beschützt und aufgezogen“, sagte der 29-Jährige der Nachrichtenagentur AFP.

Erst vor einigen Tagen gelang es Verwandten, den kleinen Jungen mit Hilfe aus dem Internet und der Polizei ausfindig zu machen. Sohail sei schließlich am Samstag in Afghanistan seinem Großvater übergeben worden. „Jeder hat sich gefreut, als er uns das Kind gab“, sagte der Großvater. Die Verwandten hätten Musik gespielt und getanzt. Der Vater forderte die USA und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) auf, sie bei der Familienzusammenführung in den USA zu unterstützen.

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Bei der Übergabe kam es zu herzzerreißenden Abschiedsszenen mit dem Ehepaar Safi und ihren drei Töchtern. „Ich habe mich für ihn verantwortlich gefühlt wie eine Mutter“, sagte Safis Frau Farimah. „Er ist nachts oft aufgewacht. Wenn ich jetzt aufwache, ist er nicht mehr da, und dann muss ich weinen.“ Auch ihr Mann sagte, es sei „sehr schwierig“ gewesen, Sohail an seine Familie zu übergeben.

Am Sonntag kam es zu einem Wiedersehen, als Sohails Großvater die Familie Safi in sein Haus in Kabul einlud, um Zeit mit dem Jungen zu verbringen. „Sie haben sich fünf Monate lang um ihn gekümmert und sehr an ihm gehangen“, sagte er AFP. Jetzt werde der Junge zu seinen Eltern in die USA reisen. „Es war hart für meine Tochter. Sie hat geweint und nichts mehr gegessen“, sagte Kasemi und wischte sich einige Tränen beiseite. (dpa,AFP)

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