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Man konnte es ahnen: Der Absturz von Wirecard hat sich angedeutet.

© Sven Hoppe/dpa-tmn

Falscher Glaube und Digitalmanie: Wieso viele die Wahrheit im Fall Wirecard nicht sehen wollten

Der Glaube an die neue Wunderwaffe Wirecard machte Politik und Finanzmarktaufseher blind. Das trifft nicht nur auf Olaf Scholz zu. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Fast 200 Euro war die Wirecard-Aktie im Spätsommer 2018 wert. Begonnen hatte sie 2006 mit einem Preis unter einem Euro, im sogenannten Pennystock-Status also – üblicherweise kein gutes Zeichen. Aber dann wurde aus Wirecard schnell der Sausewind unter den deutschen Aktiengesellschaften. Wer früh gekauft hatte und dabeiblieb, wurde über die Jahre reich.

Bis vor Kurzem noch war das neue deutsche Starunternehmen ein heißer Kandidat für immer mehr und immer weiter. Auch wenn insbesondere die Londoner „Financial Times“ längst darauf aufmerksam gemacht hatte, dass nicht alles mit rechten Dingen zugehen könne bei dem Konzern mit Sitz in Oberbayern. Inzwischen hat Wirecard Insolvenz angemeldet, es geht mutmaßlich um massive Bilanztäuschung. Der Kurs der Aktie liegt aktuell bei 1,93 Euro.

Berechtigte Fragen

Um im Bild zu bleiben: Auch die Olaf Scholz AG, bekannt unter dem Namen Bundesfinanzministerium, muss in naher Zukunft Kursverluste fürchten. Sie ist schon in die Vorwärtsverteidigung gegangen. In der Tat gibt es berechtigte Fragen an den Minister und zwei seiner Staatssekretäre, ob sie nicht die Causa Wirecard zu lange unterschätzt haben. „Hätte er auf frühzeitige Hinweise reagiert, wäre der große Schaden für viele Anleger zu vermeiden gewesen“, wirft nun auch der führende CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach dem Vizekanzler vor.

Doch da ist nun die Grenze zur Scheinheiligkeit überschritten. Hätten sie auf frühzeitige Hinweise selber reagiert, hätten viele Anleger ihren Schaden selber vermeiden oder begrenzen können. Hat Michelbach sie gewarnt?

Viele wollten nicht sehen

Aber viele wollten halt nicht sehen und nicht hören. Mutmaßlich auch in der Politik und bei den Finanzmarktaufsehern nicht. Denn Wirecard war eben eine deutsche Wunderwaffe in der schönen, neuen Welt der Digitaltechnik. Da konnte nicht sein, was nicht sein durfte.

So ist das Unternehmen in den Dax geschossen worden aus einer Mischung aus Bewunderung und Gier. Und dank der tollen Idee des Indexfonds, allenthalben beworben als Superding, gab es Käufer ohne Ende, indirekt zwar und meist ohne Ahnung, aber milliardenschwer. So ist der Fall Wirecard auch eine weitere Folge der seit dem Big Bang der 1980er Jahre an den Finanzmärkten nicht enden wollenden Serie von Skandalen und Skandälchen und der kleinen und großen Finanzkrisen. Die es auch deshalb seit drei Jahrzehnten so häufig gibt, weil den Zauberlehrlingen in der Politik – walle, walle – die verwandelten Besen nicht mehr gehorchen und vom Meister weit und breit nichts mehr zu sehen ist.

Der Glaube an den globalisierten Turbokapitalismus mit seinen irrwitzigen Chancen gepaart mit dem Rausch der Digitalisierungsmanie – auch daraus hat sich der Fall Wirecard ergeben.

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