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Volksfest unter Corona-Bedingungen in Hannover

© dpa/Swen Pförtner

Falsche Versprechen der Coronapolitik: Vor Delta warnen und Auflagen lockern – das passt nicht zusammen

Die Wahlkämpfer stellen Normalität in Aussicht, um die Bürger bei Laune zu halten. Stattdessen sollten sie für den Corona-Herbst vorsorgen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Gott sei Dank ist Sommer. Die Inzidenzwerte sind seit Wochen einstellig. Sie scheren sich nicht um die krassen Widersprüche zwischen Reden und Handeln der Politik. Sonst wäre der potenzielle Schaden bedenklich.

Eine Pandemie lässt sich nur effektiv bekämpfen, wenn die Bürger mitziehen, weil die Regierung eine überzeugende Strategie hat. In Deutschland geschieht gerade das Gegenteil. Die Politik stiftet Verwirrung.

Sie warnt in dramatischen Worten vor der hochansteckenden Delta-Variante, gegen die Vakzine womöglich nicht zuverlässig schützen. Und lockert zugleich die Auflagen, als seien die Risiken der Sommerfreuden angesichts steigender Impfquoten leicht beherrschbar.

Derweil verliert ein Minister bei der Prognose, dass die Einschränkungen für die meisten bald fallen könnten, weil der Staat allen Menschen Vakzine anbiete, die Kinder aus dem Auge; für sie fehlt das Impfangebot.

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Auch in Deutschland dürfen wieder 25.000 ins Stadion

Berlin streicht ab Samstag die Obergrenzen für private Treffen in Wohnungen. Beim Einkaufen sind FFP2-Masken nicht mehr Pflicht; eine einfache Mund- Nase-Bedeckung genügt. Die Clubs laden zum Tanzen ein. Zu Partys im Freien dürfen tausend Menschen kommen, in große Stadien 25.000.

Das klingt fast wie die Normalität von früher. Wie aber passt es zu den Kassandrarufen aus den Regierungsparteien, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Delta-Variante uns überwältigt? Und der Empörung über die angebliche Verantwortungslosigkeit europäischer Partner, nur weil die ihre Lockerungen früher und mit etwas anderen Obergrenzen für Massenevents erlaubt haben?

Umstritten: Gedränge Getester im Wenbley-Stadion bei der Fußball-EM.
Umstritten: Gedränge Getester im Wenbley-Stadion bei der Fußball-EM.

© Carl Recine/AFP

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Klar doch, ein gewisses Maß an Gegensätzen ist naturgegeben, selbst unter Parteifreunden. Gesundheitsexperten blicken anders auf die Pandemie als die Verfechter der Bürgerrechte. Die aktuelle Kakofonie geht aber weit darüber hinaus. Da werden zwei konträre Narrative vorgetragen, die sich gegenseitig ausschließen.

Wenn Delta tödlich ist, muss die Polizei nächtliche Partys auflösen

Wer überzeugt ist, dass mit der Delta-Variante die nächste todgefährliche Welle kommt, darf sich nicht damit begnügen, über die Zuschauerzahl im Wembley-Stadion zu schimpfen; dort gilt im Übrigen die „3 G“-Regel (geimpft, getestet, genesen). Sie oder er müsste fordern, dass die Polizei nächtliche Massenpartys in hiesigen Parks konsequent auflöst, weil dort niemand „3 G“ durchsetzt und die Ansteckungsgefahr größer ist.

So wirkt das Nebeneinander von Warnen und Lockern im Sommerwahlkampf wohlfeil, als wollten die Verantwortlichen beides zugleich: generös auftreten, um die Wähler bei Laune zu halten. Und das böse Ende schon immer vorhergesehen haben, falls es schiefgeht.

Hausaufgaben für die Politik vor der Wahl

Die Stimmen am 26. September könnten sich Politiker in Berlin und im Bund besser verdienen: alles tun, damit wir auf die im Herbst steigenden Infektionszahlen besser vorbereitet sind als 2020 und nicht erneut in den Lockdown müssen.

Den Verwaltungen schon jetzt Druck machen, damit Lüftungsgeräte und Tests für den Präsenzunterricht vorhanden sind; Schulen wie Lehrer digital ertüchtigen für einen reibungslosen Wechselunterricht. Schon jetzt abwägen, ob man Impfzentren erhalten muss für die absehbaren Dritt- und Viertimpfungen gegen neue Varianten oder ob die Hausärzte das leisten können.

Und noch viel mehr in die Forschung investieren. Wer die Ansteckungswege exakt kennt, kann die Infektionsherde mit lokalem Shutdown bekämpfen und braucht keine Vollnarkose des öffentlichen Lebens.

Noch ist Sommer. Doch die Winterwelle kommt bestimmt.

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