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Melanie Brinkmann, Professorin für Virologie am Institut für Genetik der TU Braunschweig

© imago images/Jürgen Heinrich

Update

„Falsche Annahme, dass der Sommer entspannt wird“: Brinkmann warnt vor dem Ende der Maskenpflicht

Schon am Sonntag könnten die meisten Maßnahmen gegen das Coronavirus fallen. Die FDP beharrt auf den Lockerungen, Virologen äußern sich differenziert.

Angesichts einer weiter kritischen Corona-Lage hat die Virologin Melanie Brinkmann vor dem Wegfall von Schutzinstrumenten wie der Maskenpflicht gewarnt. Es sei nach wie vor „absolut wichtig“, Infektionen zu vermeiden, sagte die Professorin vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung am Montag in einer Anhörung des Bundestags. Bei weiteren Lockerungen stiegen die Infektionszahlen wieder.

Mit Öffnungen würden auch Ungeimpfte verstärkt ins Geschehen gebracht, die bisher abgekapselt gewesen seien. Auch besonders gefährdete Gruppen könnten sich nicht hundertprozentig schützen.

Brinkmann sagte, es sei wichtig, Instrumente aufrechtzuerhalten, die wirkten. Dies wisse man von Masken in Bereichen, in denen viele Menschen in Innenräumen zusammenkommen. Einheitliche Regeln würden von der Gesellschaft sehr begrüßt.

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Viele seien gerade „der falschen Annahme, dass der Sommer entspannt wird“. Zwar habe es einen saisonalen Effekt in den Sommern 2020 und 2021 gegeben, zu diesen Zeitpunkten habe es aber strikte Maßnahmen gegeben. Bei einer Aufhebung könnten die Zahlen auch im Sommer steigen.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sagte, man sei in einer anderen Phase der Pandemie. Es gebe zwar nie da gewesene Infektionszahlen, die Belastung der Kliniken habe sich aber davon abgekoppelt.

Ein Mann trägt eine FFP-2-Maske in der Hand (Symbolbild).
Ein Mann trägt eine FFP-2-Maske in der Hand (Symbolbild).

© dpa/Sebastian Kahnert

Mit besserem Wetter im Sommer könne man mit abnehmenden Infektionszahlen rechnen. Dies sei „ein guter Zeitpunkt, besonnen Maßnahmen zurückzufahren“ und sich von solchen zu trennen, deren Wirksamkeit nicht klar bewiesen sei. Er nannte etwa Zugangsregeln wie 2G und 3G.

Wenige Tage vor dem Auslaufen der meisten Corona-Beschränkungen gibt es weiter Kritik an der Pandemie-Politik der Bundesregierung. „Die Position des Bundesgesundheitsministers ist zutiefst widersprüchlich“, sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Wenn das Gesetz so verabschiedet wird, wie es vom Bundeskabinett eingebracht wurde, macht es alle Arbeit der letzten zwei Jahre obsolet“, sagte Brysch über die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz erreichte am Montag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) erneut einen Höchstwert. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montagmorgen mit 1543,0 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 1526,8 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 1259,2 (Vormonat: 1459,8).

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 92.378 Corona-Neuinfektionen. Deutschlandweit wurden nach den neuen Angaben binnen 24 Stunden 19 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 24 Todesfälle.

Am Mittwoch sollen erstmals im Bundestag Änderungen am Infektionsschutzgesetz beraten werden; die meisten bundesweiten Corona-Auflagen sollen zum 20. März entfallen. Bereits zwei Tage später soll im Plenum über den umstrittenen Entwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) entschieden werden. Lauterbach und Buschmann schlagen einen deutlich verringerten Basisschutz für ganz Deutschland vor.

Politiker und Experten sprechen sich für „verbesserten“ Basisschutz aus

Bundesweit möglich sein sollen demnach nur noch Maskenpflichten in Pflegeheimen, Kliniken und Nahverkehr - und Testpflichten in Heimen und Schulen. Bundesweit bleiben soll auch die Maskenpflicht in Zug und Flugzeug. Die Länder sollen aber weitere Corona-Auflagen für jeweils auszurufende Hotspots beschließen können. Angesichts der rasanten Ausbreitung des Virus in den vergangenen Tagen wird an diesem Kurs jedoch von vielen gezweifelt.

[Lesen Sie auch: „Die Politik lässt das jetzt einfach laufen“: Virologe hält geplante Lockerung der Corona-Regeln für zu früh (T+)]

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hält die geplanten Lockerungen der Corona-Maßnahmen für das falsche Signal, sagte er am Montag im „Deutschlandfunk“. „Es ist insofern schwer verständlich, warum eine Maskenpflicht in bestimmten Einrichtungen sein soll, aber zum Beispiel im Einzelhandel, der Gastronomie nicht, während man im öffentlichen Nahverkehr eine Maske aufsetzen soll. Es ist nicht so richtig durchgängig.“

Beteiligung von Betroffenen „ein bisschen eine Farce“

Reinhardt kritisierte auch den zeitlichen Ablauf der kommenden Gesetzesänderung. „Wir haben ja den Entwurf dieser Veränderung des Infektionsschutzgesetzes als Verbände nachts um eins bekommen und sollten bis morgens um 10 Uhr Stellung bezogen haben“, so der Präsident. „Das ist im Hinblick auf Beteiligung von Betroffenen, Verbänden und Einrichtungen, Institutionen vielleicht dann doch ein bisschen eine Farce.“

Es habe es im Anschluss zwar eine Entschuldigung dafür gegeben. Doch wenn es um Gesetze gehe, die eine nicht unerhebliche Tragweite hätten, wäre es nach seinen Worten wünschenswert, wenn die Beteiligten genügend Zeit zur Prüfung hätten.

[Lesen Sie auch: Öffnungsdiskussionen trotz hoher Inzidenzen: Was, wenn Corona bald zum allgemeinen Lebensrisiko würde? (T+)]

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen will sich nun für eine Änderung des Regierungsentwurfs einsetzen. „Ich werbe sehr dafür, den Gesetzentwurf zur Reform des Infektionsschutzgesetzes noch einmal anzupassen und die Maskenpflicht in Innenräumen als Basisschutzmaßnahme beizubehalten“, sagte Dahmen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

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Patientenschützer Brysch sprach sich ebenfalls für eine Nachbesserung bei der Maskenpflicht aus, aber auch für einen Rechtsanspruch auf regelmäßige Corona-Tests für Pflegebedürftige außerhalb stationärer Einrichtungen und deren Angehörige.

SPD-Chefin Saskia Esken sprach sich ebenfalls für einen ausreichenden Basisschutz aus - mit Masken in Geschäften. „Das Frühjahr kommt, doch Corona bleibt uns offenbar erhalten“, sagte Esken der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

„Auch im neuen Infektionsschutzgesetz brauchen wir deshalb einen ausreichenden Basisschutz, der überall gleichermaßen gilt“, so die SPD-Chefin. „Dazu gehören Maske und 3G im öffentlichen Fern- und Nahverkehr ebenso wie die Maske im Einzelhandel. Die Länder müssen auf lokale Infektionsgeschehen mit weitergehenden Maßnahmen reagieren können.“

Corona-Teilimpflicht gilt ab Dienstag

Die FDP verteidigte hingegen das Vorgehen. Der Wegfall der meisten Corona-Beschränkungen am 20. März sei ein großer Erfolg nach zwei Jahren Pandemie, sagte der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der „Rheinischen Post“. Gleichzeitig blieben die Länder handlungsfähig, sollte sich die Corona-Lage wieder drastisch verschärfen. „Diese Kombination aus verantwortungsvollem Handeln und dem Ende der Freiheitseinschränkungen ist genau richtig“, betonte er.

In einer Ministerpräsidentenkonferenz wollen die Länder mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag die Lage beraten. Ebenfalls an dem Tag wird im Bundestag erstmals über Anträge zu einer allgemeinen Impfpflicht diskutiert.

Die sogenannte einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht startet bereits in dieser Woche. Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken müssen bis Dienstag Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen - oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können.

Weiter soll künftig ein geringerer Corona-Arbeitsschutz gelten. Dazu will das Kabinett am Mittwoch eine Verordnung des Sozialministeriums beschließen. Künftig sollen die Arbeitgeber weitgehend selbst bestimmen können, wie sie das Risiko einschätzen und welche Auflagen im Betrieb noch gelten sollen. (dpa)

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