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Thomas Seitz (AfD) ist Bundestagsabgeordneter und Staatsanwalt. Das baden-württembergische Justizministerium wirft ihm fehlende Neutralität vor.

© Sebastian Gollnow/dpa

Fall Thomas Seitz: Wenn Staatsanwälte rechte Reden schwingen

Das Stuttgarter Justizministerium will den radikalen AfD-Abgeordneten aus dem Amt entfernen. Trifft es den richtigen? Oder nur den ersten? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Irgendeiner muss immer der erste sein. Der erste Staatsanwalt, den rechtes Gerede das Amt kosten soll, heißt Thomas Seitz. Er sitzt für die AfD im Bundestag, gehört zum völkischen Flügel und ist unter anderem damit aufgefallen, gern das Wort „Neger“ zu benutzen, Politiker anderer Parteien als „erbärmliche Systemlinge“ zu bezeichnen und von „Gesinnungsjustiz“ zu sprechen. Das Richterdienstgericht am Landgericht Karlsruhe hat nun entschieden, dass er aus dem Job entfernt werden darf. Eine Rolle wird dabei auch gespielt haben, dass bei Facebook-Posts des Politikers schwarze Roben und weiße Langbinder zu sehen waren, Insignien der deutschen Justiz.

Politische Mäßigung verlangt das Gesetz - keine Enthaltsamkeit

Von Beamten wird Mäßigung verlangt, jedoch keine politische Enthaltsamkeit. Seine Verteidigung hat Seitz auf drei Ebenen angelegt. Auf der einen betont er, dass seine Äußerungen im jeweiligen Kontext gelesen werden müssten. Er ist damit schon einmal durchgekommen, als er im Parlament einen Ordnungsruf kassierte, der dann zurückgenommen werden musste, weil er uneindeutig war. Auf der zweiten spricht er davon, nicht mit dem Florett fechten zu können, wenn die anderen zur Keule greifen. Auf der dritten heißt es: Im Dienst habe er sich nie etwas zuschulden kommen lassen; außerhalb müsse Meinungsfreiheit herrschen.

Sarrazin ist ein Verfemter. Gegen Seitz ist er harmlos.

Einer, der auch mal der erste war, war Thilo Sarrazin. Die politische Diskursverschiebung hin zur modischen Betonung des guten Deutschseins gegenüber schlechten Einwanderern ist nicht sein Verdienst, hat mit ihm aber ihren Anfang genommen. Sarrazin ist heute ein Verfemter. Gegen Seitz ist er eher harmlos.

Einer, der auch mal der erste werden sollte, nämlich erster Bundespräsident aus dem wiedervereinigten Osten, war Steffen Heitmann, ehemals CDU. Er scheiterte, weil er Dinge sagte wie diese: „Eine multikulturelle Gesellschaft kann man nicht verordnen, sie kann allenfalls wachsen.“ Oder: „Es gibt eine intellektuelle Debattenlage, die nicht unbedingt dem Empfinden der Mehrheit der Bürger entspricht, die man aber nicht unbestraft verlassen kann. Und dazu gehört das Thema Ausländer.“ Verglichen mit Sarrazin war Heitmann ein Leisetreter.

Beamte sitzen einige im Bundestag

Ein Vierteljahrhundert liegt zwischen Heitmann und Seitz. In einem weiteren Vierteljahrhundert wird Seitz seinen Job ohnehin los sein, er wäre dann im Ruhestand. Möglich, dass er dann wie Heitmann und Sarrazin sagen kann: Mein Problem war, dass ich der erste war. Der, den man noch für etwas bestraft hat, das später alle machen durften.

Beamte sitzen einige im Bundestag. Am Fall Seitz werden nun Maßstäbe herausgearbeitet, wie es der Staat sanktionieren kann, wenn einer seiner Diener politisch über die Stränge schlägt. Hat man sich mit dem radikalen Staatsanwalt den richtigen ausgesucht? Vielleicht ist es nur der Anfang, und Seitz ist ein Anfänger.

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