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Fall Kurnaz: Vernehmung vertagt - wichtige Akten fehlen

Eklat im Untersuchungsausschuss zum Anti-Terror-Kampf: Wegen fehlender Akten aus Bremen ist die Vernehmung prominenter Zeugen abgesagt worden. Damit wird wohl auch Ex-Kanzleramtschef Steinmeier erst später aussagen.

Berlin - Einstimmig entschieden die Mitglieder des Ausschusses in Berlin, die Befragung von Innenstaatssekretär August Hanning, BND-Präsident Ernst Uhrlau und Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche um eine Woche zu verschieben. Ausschussvorsitzender Siegfried Kauder (CDU) sagte, die angeforderten Akten insbesondere des Landesverfassungsschutzes Bremen seien bisher nicht eingegangen: "So ist die Arbeit in einem Untersuchungsausschuss nicht möglich." Zu dem Vorwurf, die Akten würden zensiert, wollte Kauder kein Urteil abgeben. Die gesamte Zeugenreihe verschiebt sich nun. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) käme somit voraussichtlich am 22. März als Zeuge.

Dem Ausschuss fehlt insbesondere ein Vermerk des Landesverfassungsschutzes vom Februar 2002, in dem der Bremer Türke Murat Kurnaz als terrorverdächtig eingestuft wird. Diese Einschätzung gilt als wichtige Grundlage für das Urteil des Bundesverfassungsschutzes über Kurnaz. Dessen Votum wiederum hatte die Entscheidung der Bundesregierung vom Oktober 2002 beeinflusst, die Einreise von Kurnaz nach Deutschland im Falle seiner Freilassung aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo zu verhindern.

"Durcheinander" im Bremer Verfassungsschutz

Die Bremer Akten wurden laut Kauder bereits am 1. Februar 2007 angefordert. Am 21. Februar sei der Bremer Innensenat ermahnt worden, dass die Akten dringend benötigt würden. Die Unterlagen gingen aber bis Donnerstag nicht beim Ausschuss ein. Sie lagen - nach einem Zwischenstopp im Bundesinnenministerium - offenbar in der Bremer Landesvertretung, wo die Auswahl überprüft werden sollte.

SPD-Obmann Thomas Oppermann forderte, die Akten öffentlich zu machen. Er ging davon aus, dass es "eher Dummheit" der Bremer Behörden gewesen sei, dass die Akten noch nicht angekommen seien. Zugleich bezweifelte er die Aussagekraft der Einschätzung des Bremer Verfassungsschutzes. Dass Kurnaz von der Bundesregierung als Sicherheitsrisiko eingestuft worden sei, sei in erster Linie auf die Bremer Polizei und deren Zeugenaussagen zurück gegangen. Der Verfassungsschutz habe sich indes nur auf "Hörensagen" gestützt. Oppermann sprach von einem "Durcheinander" im Bremer Verfassungsschutz und regte an, diese "Mini-Behörde" mit einem "überforderten Chef" aufzulösen.

Opposition spricht von "Skandal"

Die Opposition sprach angesichts der fehlenden Akten von einem "Skandal" und äußerte ernste Zweifel, ob der Ausschuss die vollständigen Akten je erhalten werde. FDP-Obmann Max Stadler sprach von einem "Sieg der Vernunft", die Sitzung zu verschieben. Es sei nötig gewesen, einmal ein Signal zu geben, sagte er in Anspielung auf mehrfache Beschwerden über unvollständige Akten. Grünen-Obmann Christian Ströbele sprach von einer "Ohrfeige für die Bundesregierung". Er vermutete, dass "wesentliche Schriftstücke" ausgetauscht werden sollten. "Ich befürchte, die Akten sollen zensiert werden." Dies stehe im "krassen Gegensatz" zu dem bekundeten Aufklärungswillen der Regierung. Auch Wolfgang Neskovic (Linksfraktion) sprach von einem "Sieg des Aufklärungswillens". Es äußerte sich überrascht, dass Union und SPD der Argumentation einstimmig gefolgt seien.

Die Opposition hatte die Verschiebung der Zeugenbefragung angeregt, woraufhin Ausschussvorsitzender Kauder in der Sitzung am Morgen den Vorschlag gemacht hatte, die Zeugenbefragung abzusagen. Neben Hanning, Uhrlau und Fritsche sollte auch ein weiterer Vertreter des Kanzleramts gehört werden.

Der Ausschuss befasst sich besonders mit der Frage, ob die frühere rot-grüne Bundesregierung während ihrer Amtszeit die Freilassung von Kurnaz aus Guantanamo verhindert hat. Kurnaz, der nicht mehr als terrorverdächtig gilt, saß mehr als vier Jahre lang in dem US-Gefangenenlager und wurde nach eigenen Angaben auch gefoltert. (tso/AFP)

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