zum Hauptinhalt
Bereits jetzt kommt es immer häufiger zu Dürren.

© Getty Images/iStockphoto

Fake News bei Youtube: 21 Millionen Klicks für Leugner des Klimawandels

Youtube tut zu wenig gegen Fake News zum Klimawandel. Im Gegenteil: Der Empfehlungs-Algorithmus verbreitet die Videos der Leugner weiter.

Was auf Youtube läuft, wird geschaut. Pro Monat nutzen zwei Milliarden Menschen die Plattform. Bei US-Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren ist Youtube sogar der beliebteste Videodienst. Mit so viel Einfluss geht Verantwortung einher. Der Kampf gegen Falschinformationen ist für Youtube und seinen Mutterkonzern Alphabet (zu dem auch Google gehört) seit Jahren ein beherrschendes Thema.

Ecosia und Greenpeace laufen im Leugner-Video 

Probleme mit Falschinformationen gibt es auch beim Thema Klimawandel. 2015 startete Youtube deshalb eine Kampagne, die die „Art und Weise“, wie über Klimawandel diskutiert wird, ändern sollte. Die Konsequenzen müssten für die Menschen relevanter und greifbarer werden, hieß es damals.

Passiert ist nicht allzu viel, wie die Ergebnisse einer Studie der Kampagnenorganisation Avaaz zeigen, die dem Entscheider-Briefing "Tagesspiegel Background Background Energie & Klima" vorliegt: Durch seinen Empfehlungs-Algorithmus lenke Youtube Millionen Nutzer weltweit zu Videos von Klimaleugnern, schreiben die Autoren.

Bemerkenswert: In diesen Videos ist nicht nur Werbung von großen Unternehmen wie Samsung oder L'Oréal geschaltet, sondern auch von Umweltverbänden wie Greenpeace oder Friends of the Earth. „Die Unternehmen wissen in der Regel nicht, in welchen Videos ihre Werbung gezeigt wird“, sagte Fadi Quran, Kampagnendirektor von Avaaz, im Gespräch mit dem "Tagesspiegel Background Energie & Klima". Für die Studie filterte Avaaz die Top-Empfehlungen englischer Youtube-Videos zu den Begriffen „Erderwärmung“, „Klimawandel“ sowie „Klimamanipulation“ heraus – gesucht wurde für jedes Wort und für alle drei zusammen. „Das aufgeladene Wort ‚Klimamanipulation‘ haben wir gewählt, weil wir überprüften wollten, ob Youtube dem Nutzer, der für das Thema affin ist, immer weiter mit Videos aus dieser Richtung empfiehlt – sozusagen in die Abwärtsspirale“, erklärte Quran. Mehr als 5000 Videos wurden angezeigt, die 100 wichtigsten Empfehlungen schaute sich Avaaz genau an.

Vier Beispiele zum Klimawandel sind in der Studie näher beschrieben

16 Prozent der Top-100-Videos, die vom Algorithmus basierend auf dem Suchbegriff „Erderwärmung“ empfohlen wurde, enthielten Avaaz zufolge in hohem Maße Fehlinformationen über den Klimawandel. Für verwandte Videos mit dem Suchbegriff „Klimawandel“ waren es acht Prozent, bei „Klimamanipulation“ 21 Prozent. Die gefundenen Videos hatten insgesamt bereits 21,1 Millionen Zuschauer, wie die Autoren schreiben.
Avaaz will nach eigenem Bekunden wissenschaftliche Maßstäbe angelegt haben, um Desinformationen über den Klimawandel zu identifizieren. „Wir haben beispielsweise die Berichte des Weltklimarats IPCC und begutachtete Studien gewälzt: Am Ende hatten wir ein Dokument von drei Seiten mit den wichtigsten Fakten“, erklärt Quran.

Ein großes Problem ist die mangelnde Medienkompetenz sehr vieler Mitmenschen. [...] Vielmehr muss die Bildung, insbesondere im Umgang mit allen Auswüchsen des www, drastisch qualitativ verbessert werden.

schreibt NutzerIn Sciaridae

Keine Stellungnahme von Greepeace

Vier Beispiele sind in der Studie näher beschrieben: In einem behauptet der Klimawandelskeptiker und ehemalige Greenpeace-Gründer Patrick Moore, es gäbe keine signifikante Erderwärmung seit dem 21. Jahrhundert und zwischen dem Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der Erderwärmung gäbe es keine Korrelation. „Damit ignoriert Moore den Berg von begutachteten Studien, die zeigen, dass Veränderungen des CO2-Gehalts die Ursache für die Erwärmung sind“, heißt es in dem Avaaz-Report. Unter anderem die ökologische Suchmaschine Ecosia hat Werbung in dem Video geschaltet. Das Video hat seit seinem Hochladen 2015 bereits 2,6 Millionen Klicks. In einem anderen Video mit knapp zwei Millionen Klicks werden die Erkenntnisse des IPCC-Reports verdreht und gegen ihn verwendet. In diesem Video wird eine Anzeige von Greenpeace auf Spanisch gezeigt, die auf die Gefahren des Klimawandels hinweist. Eine Stellungnahme von Greenpeace Deutschland dazu gab es bis Redaktionsschluss nicht.

Unabhängige Faktenprüfer könnten Youtube helfen

Campaigner Quran zufolge sind die im Report analysierten Videos „absoluter Durchschnitt“, was den Gehalt von Desinformation angeht. „Es gibt sehr viel krasseres Material“, sagte er. Ihn hat erschreckt, dass Youtube keinen Blocker eingebaut hat, der den Nutzern nicht noch weitere, krassere Videos empfiehlt. „Solche Blocker werden ja bereits angewandt, etwa wenn es um Videos der Terrororganisation Isis geht.“

Youtube verfügt bereits über die technischen Mittel, die Verbreitung von Klimawandelleugner-Videos zu unterbinden. Auf Anfrage von "Tagesspiegel Background" verweist Google Deutschland darauf, dass bei Klimawandelleugner-Videos eine Hilfeseite verlinkt würde, damit die Nutzer das Video „einordnen“ könnten.

Deutliche Forderungen an Youtube

Avaaz lobt in seinem Report auch, dass die Plattform bereits „lobenswerte Schritte“ unternommen habe, was die Herabstufung von Fehlinformationsinhalten betrifft. Avaaz ist auch mit Youtube beziehungsweise Google in Kontakt. „Unsere Empfehlungen, die wir mit Experten entwickelt haben, nehmensie sehr ernst“, sagte Quran.

Die Forderungen von Avaaz sind deutlich: Klimawandelleugner-Videos müssten aus dem Empfehlungsalgorithmus entfernt werden. Fehlinformationen über den Klimawandel gehörten den Monetarisierungs-Richtlinien von Youtube hinzugefügt. Wer mit Youtube-Videos Geld verdienen will, müsse sich an diese Regeln halten. Und Videos sollten von unabhängigen Faktenprüfern gecheckt werden. An die Unternehmen hat Avaaz auch eine Empfehlung: Sie müssten ethische Anforderungen an die Anzeigenschaltung für Plattformen stellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false