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Für den Berliner Senat ergeben sich aus dem Gerichtsurteil eine Reihe konkreter Verpflichtungen.

© dpa/ Arne Immanuel Bänsch

Fahrverbote in Berlin: Welche Folgen das Diesel-Urteil hat

In der Hauptstadt werden ab 2019 elf Abschnitte auf acht Straßen für Dieselautos gesperrt. Was sind die Folgen für Berliner, Pendler und Besucher der Hauptstadt?

Nach Hamburg und anderen deutschen Städten wird künftig auch in Berlin für bestimmte Straßen ein Fahrverbot gelten. Das entschied das Verwaltungsgericht am Dienstag und gab damit einem Antrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) statt. Welche Folgen hat die Entscheidung für die Berliner, Pendler aus Brandenburg und Besucher der Stadt?

Für welche Fahrzeuge gilt das Fahrverbot?

Die gute Nachricht: Benziner mit Otto-Motor sollen nicht in die Fahrverbote einbezogen werden. Das war aber auch nicht anders erwartet worden. Auch neuere Dieselwagen mit den Abgasklassen Euro 6 a, b und c sind ausgeschlossen, obwohl auch das Gericht in der Verhandlung darauf verwies, dass diese Modelle teilweise schmutziger sind als ältere Euro-5-Diesel. Im Urteil wurden aber keine Aussagen zu Euro-6-Diesel gemacht. Hier muss der Senat entscheiden. Einbezogen werden Diesel-Pkw und Lkw mit den Abgasnormen Euro 1 bis Euro 5. Für bestimmte Haltergruppen – zum Beispiel Kranken- oder Behindertentransporte – soll es Ausnahmen geben. Diese muss der Senat nun definieren – etwa Anwohner oder Handwerker, die ihren Firmensitz oder ihre Kunden in den gesperrten Straßen haben. Das Gericht hält auch Ausnahmen für Diesel-Halter für denkbar, die die Hardware ihres Wagens nachrüsten lassen.

Was muss der Senat jetzt tun?

Für den Berliner Senat ergeben sich aus dem Gerichtsurteil eine Reihe konkreter Verpflichtungen. Unmittelbar – „ab morgen“, wie der Richter vor der Urteilsverkündung sagte – könne die Verwaltung etwa Leitfäden für die Bezirke erstellen, in denen zum Beispiel Ausnahmen für die Fahrverbote festgelegt werden, für Handwerker, Lieferanten, Busse, Taxis und andere Gewerbetreibende. Auch über die Art der Beschilderung könne bereits entschieden werden. Vor Erstellung des Luftreinhalteplans bis Ende März 2019 muss zunächst die Öffentlichkeit beteiligt werden. Das Gericht hielte einen früheren Zeitpunkt für einen neuen Luftreinhalteplan für wünschenswert, aber nicht für realistisch. Generell billigt das Gericht dem Senat Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der Fahrverbote zu. „Nicht wir verhängen Fahrverbote oder erstellen einen Luftreinhalteplan“, sagte der Vorsitzende Richter Hans-Ulrich Marticke. „Wir reduzieren nur die Komplexität.“ Umsetzen müsse das Urteil der Senat. Dies sei eine Frage der Gewaltenteilung. Aber: Zwingend notwendige Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxid-Emissionen dürften nicht mit der Begründung hinausgeschoben werden, dass die Ergebnisse weiterer Untersuchungen – etwa zu den Tempo-30-Zonen – abgewartet werden sollten.

Welche Folgen hat das Urteil für das Diesel-Konzept der Bundesregierung?

Berlin wird sehr wahrscheinlich in die Liste jener bislang 14 „Intensivstädte“ aufgenommen, für die besondere Maßnahmen beschlossen wurden. Oder besser: In denen der Bund besondere Angebote der Autohersteller für betroffene Dieselfahrer erwartet – also attraktive Kauf- oder Umtauschprämien sowie Hardware-Nachrüstungen. Letztere lehnt die Industrie bislang ab, die Gespräche mit den Unternehmen waren bis heute nicht erfolgreich. Ein Förderprogramm für Handwerker und Lieferdienste kann bereits jetzt in der Region Berlin/Brandenburg in Anspruch genommen werden. Auch die Umrüstung kommunaler Fahrzeuge, Bus-Flotten und Taxis sowie die Anschaffung von Elektrowagen wird schon vom Bund und dem Land Berlin finanziell gefördert.

Wie sind die Erfahrungen mit Fahrverboten – zum Beispiel in Hamburg?

Hamburg hat Ende Mai auf zwei Straßenabschnitten ein Fahrverbot für Diesel bis Euro5 eingeführt. Zu einer sichtbaren Verminderung des Verkehrs auf den stark befahrenen Strecken haben die Verbote bislang nicht geführt. Ob die Luft dadurch besser geworden ist, lasse sich aus den aktuellen Messdaten nach so kurzer Zeit noch nicht herauslesen, weil zu viele Faktoren – etwa die Wetterlage – dort mit hineinspielten, teilte ein Sprecher der dortigen Umweltbehörde mit. Entscheidend sei nur der Jahresmittelwert. Bei der ersten Großkontrolle drei Wochen nach dem Aufstellen der Verbotsschilder erwischte die Polizei 173 „Sünder.“

Werden andere Straßen bei einem Fahrverbot stärker belastet?

Wenn sich alle Autofahrer ans Verbot halten: Ja. Der Schadstoffausstoß verringert sich ja nicht, sondern verteilt sich nur anders. Da das Fahrverbot aber ohne blaue Plakette für Autos, die die Vorgaben einhalten, nur schwer zu kontrollieren ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Fahrverbot nicht großflächig eingehalten wird. Um die Verbote flächendeckend kontrollieren zu können, sind nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei rund 3000 zusätzliche Beamte beim Verkehrsdienst erforderlich.

Gibt es Alternativen?

Ja. Die Hersteller könnten die Hardware nachrüsten, wo es technisch möglich ist. Da sie die Käufer betrogen haben, sollte der Schritt endlich freiwillig kommen. Ansonsten mit politischem Druck. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes würde auch ein generelles Tempo-30-Limit den Schadstoffausstoß verringern, was der ADAC jedoch bezweifelt. Gesünder würde die Luft zudem beim Einsatz von mehr Elektrofahrzeugen. Hier gibt es zwar Förderprogramme für den Kauf; richtig bemerkbar haben sie sich aber noch nicht gemacht. Auch ein attraktiver Nahverkehr, zu dem günstige Preise gehören, könnte zu weniger Verkehr auf der Straße führen. Allerdings sind in Berlin vor allem U- und S-Bahnen schon heute oft rappelvoll; neue Fahrzeuge lassen noch Jahre auf sich warten.

Was will die Deutsche Umwelthilfe?

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wollte vor Gericht ein Fahrverbot innerhalb der Umweltzone erreichen. Die einfachste Lösung wäre, für jeden Diesel eine Strafe von 5000 Euro zu verhängen, sagte Jürgen Resch, DUH-Geschäftsführer. In Deutschland kämen auf diesem Wege 22 Milliarden Euro zusammen: „Damit könnte man alle Diesel nachrüsten“. Die DUH hat mehr als 30 Städte auf Fahrverbote verklagt, sieben Entscheidungen fallen noch 2018.

Wie reagiert die Wirtschaft auf das Urteil?

Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) erklärten, Fahrverbote brächten „mehr Schaden als Nutzen – vor allem für die Wirtschaft“. Der UVB forderte den Senat noch am Dienstag dazu auf, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

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