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Die Kampagne des Bundesverkehrsministerums soll jungen Leuten den Helm schmackhaft machen.

© imago images / Reiner Zensen

Fahrradhelm-Kampagne: "Peinlich" und "sexistisch" - oder nur augenzwinkernde Werbung?

"Sieht blöde aus, aber rettet mein Leben": Die Kampagne des Verkehrsministeriums mit nackter Haut polarisiert. Ist der Aufschrei gerechtfertigt? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Wie die Plakate tatsächlich aussehen, wie sie sich im Straßenbild machen, ob sie auffallen, ob man sie einfach übersieht, zeigt sich erst jetzt. Denn erst jetzt werden sie aufgehängt: Bilder von jungen Frauen und auch jungen Männern mit Fahrradhelmen, aber ohne Fahrrad, am Fenster stehend, allein oder zu zweit auf einem Bett liegend, leicht bekleidet, versehen mit dem Spruch: „Looks like Shit, but saves your Life.“ Sieht blöde aus, aber rettet dein Leben.

Es sind Motive einer Kampagne, mit der junge Leute zum Tragen von Fahrradhelmen animiert werden sollen. So weit, so üblich, könnte man denken. Aber der Auftraggeber ist das Bundesverkehrsministerium von CSU-Mann Andreas Scheuer, und eine der ersten bekannt gewordenen Reaktionen auf die zuerst nur angekündigte Kampagne kam von sogenannten „SPD-Frauen“ und lautete: „peinlich“ und „sexistisch“.

Das waren drei Buzzwords – CSU, SPD-Frauen, sexistisch –, die im Nu einen Aufgeregte-Debatten-Turbohumus ergaben, und los ging es mit großer Ernsthaftigkeit. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass eins der Models eine Bewerberin von Heidi Klums "Germany's Next Topmodel"-Show ist, so dass der gern gehassten "Model-Mama" die Ehre zuteil wird, für Regierungszoff zu sorgen.

Hat die Kritik das wahre Problem des Sexismus nicht vernebelt?

Schimpf und Häme drehten sich überwiegend um die Frage, ob ausgerechnet ein Bundesministerium eine Kampagne fahren sollte, in der halb nackte junge Frauen als sexy Blickfang genutzt werden – und so ein sexistisches Bild festigen, wo in einer progressiven Gesellschaft doch dessen Aufweichung das Ziel sein müsste. Das ist eine sehr große Frage an eine sehr kleine Aktion. Und damit ist die Debatte auch ein Beispiel dafür, wie die reine Lehre einem Tatbestand erst jene Bedeutung beimisst, die sie dann wieder beklagt.

Hätten die SPD-Frauen sich nicht oder weniger empört geäußert, wären dieser Tage in Berlin 250 Plakate aufgehängt worden. Vielleicht wären sie beachtet worden. Wahrscheinlich nicht. Ironischerweise kann der Verkehrsminister samt seiner Verbündeten jenen Frauen, die ihn attackieren, dankbar sein für die Aufmerksamkeit, die sie seiner Kampagne verschaffen.

Dass die Frauen umgekehrt davon profitieren, dass sie in Sachen Sexismus in dieser Weise aktiv geworden sind, ist nicht so sicher. Wenn etwa Bundesfamilienministerin Giffey via Soziale Medien ein Foto von sich mit Fahrradhelm postet und dazu schreibt: „Lieber Andreas Scheuer: MIT HELM GEHT AUCH ANGEZOGEN!“ stellt sich eher die Frage, ob sie das Prinzip Werbung verstanden hat, als die nach strukturellem Sexismus oder gefährlichem Straßenverkehr.

Ein Augenzwinkern fällt zunehmend schwer

Halb nackte junge Menschen werden zur Verkaufsförderung vieler Dinge eingesetzt, als Dreingabe – ob für Sonnencreme, Margarine oder alkoholfreies Bier. Sie eignen sich nach der Marktlogik einer jugend- und dynamikfixierten Gesellschaft besser als alte. Auch das kann man als Verlogenheit, als Ungerechtigkeit und Diskriminierung beklagen, keine Frage. Das Problem ist aber, dass unter den maximalen Ansprüchen maximaler Richtigkeit alles einen Makel hat – und nur noch sehr wenig passieren dürfte.

Eine Plakatkampagne für Fahrradhelme wird gestartet, sie soll junge eitle Menschen erreichen, denen ihre Frisur wichtiger ist als ihr Leben, und bemüht sich darum, die Zielgruppe dort abzuholen, wo sie ist. Aus werbestrategischer Sicht ist das richtig und erfolgversprechend. Was heißt, dass vielleicht ein paar junge Leute mehr als bisher Helme aufsetzen werden und vielleicht verhindert das dann sogar ein paar entsetzliche Unfallfolgen. Warum reicht das nicht?

Der Deutsche Rat für Public Relations lobt, diese Werbeidee verzichte auf den sonst üblichen „appellativen Zeigefingercharakter“, den Kampagnen staatlicher Institutionen in der Regel hätten. Man erkennt zudem „ein Augenzwinkern“ in der Kombination von Helm, Models und Spruch, was die „Binsenweisheit ,Sex sells’“ ironisch als Nonsense entlarve. So könnte man es also auch sehen.

Doch das Augenzwinkern scheint schwerer zu fallen. Die Bereitschaft sinkt, Dinge nicht so ernst zu nehmen. Es ist nicht alles eine gesellschaftspolitische Vollkatastrophe, was nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Es sollte so auch nicht behandelt werden.

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