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Arbeitsminister Heil (SPD), Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) und Innenminister Seehofer (CSU)

© Michael Kappeler/dpa

Fachkräftezuwanderungsgesetz: Einwanderung erwünscht

Die Bundesregierung macht Migranten Hoffnung, in Deutschland arbeiten zu dürfen. Wie weit reicht das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz?

Das neue „Fachkräftezuwanderungsgesetz“ zielt erklärtermaßen darauf, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhalten und seine Sozialsysteme zu sichern. Neben Hochschulabsolventen soll es jetzt auch für Menschen mit Berufsqualifikation gelten – und nicht nur in Mangelberufen. Wer eine Berufsausbildung hat und nachweisen kann, den eigenen Lebensunterhalt in Deutschland zu sichern, darf kommen und sich sechs Monate nach einer Stelle umsehen – oder, soweit bereits im Land, hier bleiben. In Berufen mit akutem Fachkräftemangel, zum Beispiel in der IT oder in der Pflege, müssen nicht einmal Qualifikationen nachgewiesen werden, wenn eine Arbeitsplatzzusage vorliegt. Gleichzeitig verpflichtet sich die Regierung, mögliche Bewerberinnen und Bewerber im Ausland besser zu informieren und durch den deutschen Verwaltungsdschungel zu begleiten.

Wie sehen die Regeln bisher aus und was ist neu?

Das Einwanderungsgesetz wiederholt im Kern bereits bestehende Möglichkeiten. Nicht-EU- Bürger mit Hochschulabschluss können schon seit Jahren nach Deutschland kommen, um sich Arbeit zu suchen. Der unabhängige Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) stellte bereits in seinem Jahresgutachten 2015 fest, Deutschland sei „im Bereich der Arbeitsmigrationspolitik vom ,Nachzügler‘ zum ,Vorreiter‘ geworden und kann infolgedessen zumindest auf rechtlich-institutioneller Ebene wenig lernen“. Die OECD zählte Deutschland schon seinerzeit zu den liberalsten Einwanderungsländern der Welt. Die Fachleute mahnten 2015 aber, die Anwendung der liberalen Regeln sei „in der Praxis allerdings vielfach noch zu schwerfällig und bürokratisch“.

Dass dies die guten Absichten des Gesetzgebers oft zuschanden macht, entdeckte etwa die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat auf einer Reise durch den Westbalkan im Frühjahr. Deutsche Botschaftsangehörige haben dort mit einer hohen Zahl Visaanträgen einer vor allem im Kosovo sehr jungen Bevölkerung zu tun. Dennoch wird aufwendig geprüft, ob die angegebenen Arbeitsstellen nicht fingiert oder ausbeuterisch seien – eine Aufgabe, die eigentlich die deutschen Arbeitsagenturen betrifft. Das belastet die Visaabteilungen immens und macht es zu einem fast aussichtslosen Unterfangen, jemals an ein deutsches Arbeitsvisum zu kommen. Für das neue Gesetz wird es insofern stark darauf ankommen, dass es in der Praxis nicht aufläuft.

Welche Bedeutung hat das Gesetz?

Die politische Symbolkraft des Einwanderungsgesetzes ist hoch. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hofft, dass die Regelung einen „Schlussstrich“ unter eine Debatte zieht, „die ein Vierteljahrhundert lang die politische Auseinandersetzung mitbestimmt hat“. Gemeint ist die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht. Statistisch gesehen ist die Antwort klar. Inzwischen hat jeder Vierte in Deutschland familiäre Wurzeln im Ausland. Trotzdem hieß es noch 2010 in einem Positionspapier von CDU und CSU: „Deutschland ist kein klassisches Einwanderungsland“ und könne es auch niemals werden. Davon ist die Union inzwischen abgerückt. Innenminister Horst Seehofer (CSU) steht heute hinter der „Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“.

2010 war er noch überzeugt, „dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen“. Dieser Auffassung ist von allen im Bundestag vertretenen Parteien mittlerweile nur noch die AfD. Union, SPD, FDP, Linke und Grüne hingegen sprechen sich für mehr Zuwanderung aus. Zwar kritisieren die Oppositionsparteien die Details des geplanten Einwanderungsgesetzes. Dennoch bedeutet seine Einführung einen durchaus historischen Moment: Ähnlich wie beim Atomausstieg ist aus einer Minderheitenmeinung („Deutschland ist ein Einwanderungsland“) ein breiter politischer Konsens geworden.

Was bedeutet das Gesetz für Flüchtlinge?

„Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest“, heißt es in dem Eckpunktepapier der großen Koalition. Tatsächlich wird das Einwanderungsgesetz keine Folgen für das Asylsystem in Deutschland haben. Die Bundesrepublik bleibt nach der Genfer Konvention dazu verpflichtet, Menschen aufzunehmen, die vor Verfolgung aus anderen Ländern fliehen. Streit könnte es zwischen Union und SPD noch geben, wie die „3+2-Regelung“ umgesetzt wird, die berufstätige Asylbewerber maximal fünf Jahre vor Abschiebung schützt. Unionsgeführte Länder haben die Regelung bislang eher restriktiv ausgelegt – und im Zweifel lieber abgeschoben, als eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Nun soll es einen bundesweit einheitlichen Umgang mit „3+2“ geben – die Frage ist aber noch, wer sich dabei durchsetzt.

Integration setzt Ausbildung voraus. Unter den vielen Schutzsuchenden sind gewiss viele Tausend dabei, die sich qualifizieren lassen wollen. Bitte erst mal deren Wunsch erfüllen.

schreibt NutzerIn klausbork

Kommt der umstrittene „Spurwechsel“?

Das heikle Wort vom „Spurwechsel“ fiel nicht, als Seehofer und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Koalitionsentwurf vorstellten. Gemeint ist damit, dass Asylbewerber, die mit ihrem Antrag auf Schutz vor Verfolgung gescheitert sind, anschließend die Möglichkeit nutzen, zu Arbeitsmigranten zu werden. Darum gab es einen zähen Streit zwischen den Koalitionspartnern, die Union lehnte ab. Formal hat sie das durchgesetzt. Aber faktisch soll das kommende Gesetz verhindern, dass zwar abgelehnte, aber arbeitende Asylbewerber Deutschland wieder verlassen müssen. Im Entwurf heißt es: „Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.“

Gibt es überhaupt genug ausländische Fachkräfte?

Um den Bedarf deutscher Unternehmen an Angestellten zu decken, brauche es eine jährliche Fachkräftezuwanderung im sechsstelligen Bereich, sagen Experten. Ob tatsächlich so viele Menschen zum Arbeiten in die Bundesrepublik kommen wollen, ist fraglich. Auch wenn Deutschland in Europa das beliebteste Einwanderungsland ist, wollen die meisten Arbeitsmigranten aus aller Welt in die USA. Deshalb will die Groko „Fachkräfte gezielt für Deutschland gewinnen“. Dafür soll es künftig spezielle Werbekampagnen im Ausland geben. Doch ein Problem löst das nicht: Um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, müssen ausländische Bewerber Deutschkenntnisse vorweisen. „Das ist für mich auch nicht verhandelbar“, sagt Heil. Doch abgesehen von rund 100 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz spricht kaum jemand auf der Welt Deutsch.

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