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...zeig die schönen Stunden nur.

© picture alliance / dpa

Facebook und Depressionen: Mach es wie die Sonnenuhr

Facebook-Posts zeigen nur den Erfolg, nie das Scheitern. Das erweckt den Eindruck, allen anderen geht es besser. Und der führt zu Schwermut. Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Wer dieser Tage bei Facebook unterwegs ist, der hat allen Grund, in Depressionen zu verfallen. Nur ein Beispiel: Sehr viel herumgeschickt wird gegenwärtig ein dreigeteiltes Foto, das zwei grimmig blickende Generäle in vollem Lametta zeigt, Verteidigungsminister offenbar, und dazu AKK, gähnend, in unvorteilhafter Position. Die Aussage ist eindeutig: Die anderen haben die richtigen Kerle, wir nur eine müde Frau. Hähä!

Nun waren es in der Vergangenheit meist die grimmig blickenden Generäle und nicht die ermüdeten Frauen, die sich und ihresgleichen mitsamt Soldaten und Zivilbevölkerung in die Luft gesprengt haben. Aber auch ohne diesen Befund, der nichts als leichtes Nachdenken voraussetzt, erstaunt die Leichtigkeit, mit der keineswegs nur rechtsradikale Facebook-Exhibitionisten jeden Unsinn teilen, der da gerade so durch den Raum fliegt. Ist doch lustig!

Aber Depressionen? Dazu gehört ein wenig mehr, wie eine frische Studie der Bochumer Ruhr-Universität zeigt. Die Forscher haben herausgefunden, dass vor allem die passive Teilnahme an sozialen Netzwerken depressive Stimmungen auslösen oder fördern kann, weil sie den Eindruck erweckt, es gehe allen anderen besser.

So ist es wohl auch beabsichtigt von denen, die da mit Bildern protzen. Der eine lümmelt gerade mit Gin Tonic am Fünf-Sterne-Pool in Mauritius, der Zweite fotografiert den Tacho seines selbstverständlich brandneuen Proll- SUV bei Tempo 265, der Dritte zeigt vergammelte Weinflaschen-Etiketten, die ihn als Zierde der Zunft der Meistersommeliers kenntlich machen, der Vierte präsentiert seinen Sohn, der angeblich gerade in Harvard in Rekordzeit durch die Prüfungen geschossen ist und nun eine Wallstreet-Karriere mit Penthouse und blonder Model-Gefährtin startet.

Scheitern, wie es viel häufiger ist, kommt dagegen nicht vor, wenngleich pro circa tausend Freunde jährlich eine schwere Erkrankung offenbart werden dürfte, sowie ein Trauerfall. Das volle Leben wird nicht verschwiegen in den Netzwerken, aber es ist komplett verzerrt nach dem bekannten Motto: Mach es wie die Sonnenuhr, zeig die schönen Stunden nur.

Wer so handelt, schützt sein Selbstwertgefühl, denn die Untersuchung erklärt ja gerade die passive Teilnahme für gefährlich: Die Gegenwehr besteht in aktivem Tun, notfalls mit Prospektfotos oder geliehenen Autos. Man kann aber auch ganz aussteigen und es mal wieder mit dem eigenen Leben versuchen.

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