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Erleichtert über das Tabakwerbeverbot: Ex-Agrarminister Christian Schmidt (CSU).

© dpa/ Jörg Carstensen

Ex-Minister Schmidt zum Tabakwerbeverbot: „Falls neue Löcher gerissen werden, müssen wir nachsteuern“

Als Agrarminister hat Christian Schmidt das Tabakwerbeverbot schon 2016 ins Kabinett gebracht. Nun wird es umgesetzt. Doch im Interview warnt der CSU-Politiker.

Vier Jahre nach dem Beschluss des Bundeskabinetts soll das Tabakwerbeverbot heute vom Bundestag endlich beschlossen werden. Wie finden Sie das?
Da kann ich nur mit Friedrich Schiller sagen: „Spät kommt ihr, doch ihr kommt. Allein die vielen Interessen entschuldigen euer Säumen.“ Ich bin sehr froh und erleichtert. Es hätte schon längst über die Bühne gebracht werden können.

Die WHO-Konvention, die ein solches Verbot von ihren Mitgliedsstaaten verlangt, wäre schon vor zehn Jahren umzusetzen gewesen. Und alle anderen in der EU waren schneller damit. Kein Ruhmesblatt für Deutschland, oder?
Der Bundestag hat das Rahmenabkommen nach meiner Erinnerung bereits im Jahr 2005 ratifiziert. Allerdings kamen in den darauffolgenden Regierungskoalitionen dann immer wieder Fragen auf, wie weit diese Verpflichtung geht, so dass der WHO-Auftrag in der Tat zehn Jahre unerledigt blieb.

Wie haben denn die Nachbarländer darauf reagiert, dass Deutschland nicht zu Potte kam?
Das wurde nicht gerade freundlich kommentiert. Alle anderen EU-Länder waren, wie Sie schon sagen, schneller damit. Ich erinnere mich etwa an eine intensive Diskussion mit der damaligen französischen Gesundheitsministerin, die sehr dezidiert darauf gedrängt hat, beim Verbot der Tabakaußenwerbung eine gemeinsame Position zu haben. Zumal im Jahr 2006 ja ein Tabakwerbeverbot für gedruckte und elektronische Medien bereits EU-weit umgesetzt war.

Weshalb hat das mit dem Außenwerbeverbot bei uns denn so immens lange gedauert?
Ich halte den Kritikern eines zugute: Manche von ihnen hatten schlicht die Sorge, dass Verbote weniger bewirken als Überzeugungsarbeit. Diese Sichtweise teile ich normalerweise auch für andere Produkte. Aber bei Zigaretten, die zwangsläufig zur Sucht und für viele nachgewiesenermaßen zum Tode führen – Experten sprechen von bis zu 120.000 Todesfällen hierzulande pro Jahr – ist die Verbotsschiene für Werbung unverzichtbar.

Der größte Bremser war ja Ihre Unionsfraktion, mit Fraktionschef Volker Kauder vorneweg. Reden wir offen: Sind CDU und CSU empfänglicher für die Einflüsterungen der Tabaklobby als andere Parteien?
Ich würde das nicht nach Parteien unterscheiden. Der liberale Koalitionspartner hat ebenfalls nicht mitgezogen – und teilweise haben auch die Sozialdemokraten gebremst, wenn auch aus etwas anderen Gründen. Nein, das Vorhaben war insgesamt umstritten wegen grundsätzlicher Bedenken gegen Werbeverbote für legale Produkte.

Ich bin meiner CDU-Kollegin Gitta Connemann jedenfalls sehr dankbar, dass sie als stellvertretende Fraktionsvorsitzende das Thema weiter am Köcheln gehalten hat. Ohne sie und einige andere wären wir heute nicht da, wo wir sind. Und auch nicht ohne die Bundeskanzlerin, die sich ja im vergangenen Jahr sehr eindeutig positioniert hat.

Haben die Befürworter in Ihren Reihen zu wenig Druck gemacht? Die Drogenbeauftragte zum Beispiel?
Nein, das nicht. Es gab wirklich intensive Diskussionen, bei denen es keineswegs bloß um irgendwelche Lobbyinteressen, sondern um ganz Grundsätzliches ging. Auf meiner Seite waren der damalige Gesundheitsminister Hermann Gröhe und die ehemalige Drogenbeauftragte Marlene Mortler.

Und bei gesundheitspolitisch nicht so Interessierten war die Überzeugungsarbeit wirklich nicht leicht. Im Bundeskabinett ist es mir gelungen, im Bundestag hat es bis heute gedauert. Aber jetzt, zum Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, ist das Werbeverbot ja auch ein gutes Signal. Vielleicht hat das als Argument sogar noch mal geholfen.

Es gibt immer noch Lücken im Gesetzentwurf. So sind Flächen des Fachhandels vom Werbeverbot ausgenommen. Und auch das Sponsoring von Konzerten oder politischen Parteien soll den Tabakkonzernen weiter erlaubt bleiben. Wie finden Sie das?
Zigaretten und andere Tabakprodukte bleiben legale Handelsgegenstände. Da darf in den Geschäften schon darauf hingewiesen werden. Spannender wird es bei den kreativen Umgehungen, die möglicherweise noch konstruiert werden, im Social-Media-Bereich oder sonst wo. Darauf müssen wir sehr genau achten – und falls hier neue Löcher gerissen werden, auch nachsteuern.

Der Rest beunruhigt mich nicht sehr, obwohl ich es auch da gerne noch etwas deutlicher gehabt hätte. In meinem ersten Gesetzentwurf war die kostenlose Abgabe von Tabakprodukten zu Werbezwecken auf die Fachgeschäfte beschränkt. Deshalb musste ich damals eine gewaltige Suada über mich ergehen lassen.

Was halten Sie denn von der Gleichsetzung von Tabakprodukten mit Tabak-Verdampfern und E-Zigaretten im Gesetz? Manche sehen in den neuen Produkten ja auch eine Möglichkeit zur Entwöhnung...
Ich finde das richtig. Bei Produkten mit Nikotin und anderen suchterregenden Stoffen haben wir ja eine ähnliche Problematik wie beim Tabak. Und im Detail wurden ja Differenzierungen gemacht. Grundsätzlich müssen aber auch Verdampfer und E-Zigaretten unter das Werbeverbot fallen. Vor allem, weil wir wissen, dass solche Produkte oft der Einstieg in den klassischen Tabakkonsum sind.

Für Dampfer und E-Zigaretten gibt es lange Übergangsfristen, bis 2023 beziehungsweise 2024. Ist das in Ordnung?
Dafür gibt es Argumente, die ich ein Stück weit nachvollziehen kann. Die Umstellung ist hier etwas schwieriger. Allerdings: Wenn wir das Gesetz wie vorgesehen bereits im Jahr 2016 verabschiedet hätten, wären auch diese Übergangsfristen längst ausgelaufen.
Christian Schmidt (CSU) war vom 17. Februar 2014 bis 14. März 2018 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Vom 24. Oktober 2017 bis 14. März 2018 war der heute 62-Jährige dann kommissarischer Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.  

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