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Soundcheck. Ein Chor probt beim Evangelischen Kirchentag.

© imago images / Cord

Evangelischer Kirchentag in Dortmund: Christen ohne AfD

Wie politisch darf Religion sein? Der Evangelische Kirchentag startet kontrovers. Die AfD hatte man im Vorfeld wieder ausgeladen.

Selten zeigt sich eine so große Menge gläubiger Christen so präsent in der Öffentlichkeit wie bei evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen. Und selten erhält sie dafür eine so große Bühne, auf der sich nicht nur Kirchenvorstände, sondern auch prominente Gäste aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft tummeln. Beim Evangelischen Kirchentag in Dortmund, der am Mittwochabend begann, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel über Vertrauen als Grundlage internationaler Politik sprechen, der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff über den Islam in Deutschland und Bundesumweltministerin Svenja Schulze über Weichenstellungen in der Energie- und Klimapolitik.

Nur eine Partei fehlt: Parteifunktionäre der AfD waren im Vorfeld des Kirchentags von allen Podien als Sprecher ausgeladen worden. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, verteidigte den Beschluss am Montag. Die Entscheidung sei nach den Ereignissen in Chemnitz im September 2018 gefallen, „die eine deutliche Radikalisierung der AfD zeigten“. Christen hätten keine Angst vor der AfD als Diskussionspartner, aber „die Grenzen des Dialogs sind erreicht, wo sich jemand menschenverachtend oder rassistisch äußert“, sagte Bedford-Strohm „Bild“.

AfD wirft den Veranstaltern Scheinheiligkeit vor

AfD-Sprecher Volker Münz hat die Ausladung seiner Partei scharf kritisiert. Auf dem Presseportal der AfD-Fraktion im Bundestag nannte er die Haltung des Kirchentagspräsidiums scheinheilig: „Auf der einen Seite wird der Kirchentag von den Veranstaltern als Ort der Vielfalt und Toleranz, wo verschiedene Meinungen aufeinandertreffen sollen, bezeichnet. Auf der anderen Seite wird der Dialog mit Mitgliedern der größten Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag verweigert.“ Münz, der auch im Kirchengemeinderat und Bezirkssynodaler in der Evangelischen Landeskirche ist, kündigte zusammen mit anderen AfD-Abgeordneten an, die Kirchentagsbesucher außerhalb des Kirchentagsgeländes zu Gesprächen einzuladen. Dazu werde extra ein Informationspavillon der „Christen in der AfD“ eingerichtet. Beim Kirchentag vor zwei Jahren in Berlin hatte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Markus Dröge, noch mit der damaligen Vorsitzenden der „Christen in der AfD“, Annette Schultner, diskutiert. Schultner, die sich auf dem Kirchentag unter anderem für eine traditionellere Familienpolitik ausgesprochen hatte, war im Oktober 2017 aus der AfD ausgetreten.

Wie politisch darf Religion sein? Diese Frage stellen sich auf dem Kirchentag am Samstag auch die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, Margot Käßmann, und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

118.000 Teilnehmer

Für die Kirchentagsbesucher bedeutet der Kirchentag aber nicht nur Politik, sondern auch fünf Tage Gemeinschaft mit anderen Gläubigen, spirituelles Auftanken, Festivalfeeling in einer Kirche, in der die Mitgliedszahlen schrumpfen und die bis 2060 die Hälfte ihrer jetzigen Mitglieder verloren haben könnte. „Was für ein Vertrauen" – so lautet das Motto des Kirchentags.

Insgesamt 118 000 Teilnehmer werden erwartet. Mit den grünen Kirchentagsschals werde die Stadt in ein grünes Meer getaucht, sagte Stephan Menzel vom Finanzvorstand des Kirchentages vor dem Auftakt des Protestantentreffens. Unter den knapp 2400 Veranstaltungen gibt es thematische und geistliche Veranstaltungen sowie Bibelarbeiten und zahlreiche Konzerte.Nora Tschepe-Wiesinger

Nora Tschepe-Wiesinger

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