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Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko und seine Fraktion Die Linke traktieren die Bundesregierung seit Jahren immer wieder mit Anfragen zur Entwicklung bei Europol. Immerhin beantwortet die Bundesregierung das meiste. Soviel Glück haben die europäischen Kollegen von Hunko bei der Kommission oft nicht.

© Yuri Mashkov/TASS/picture alliance / dpa

Europol und die Internetüberwachung: "Ein Schritt zur Entdemokratisierung"

Europol will mehr Rechte. Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko berichtet im Interview unter anderem, wie schwierig es ist, Europol zu kontrollieren.

Von Anna Sauerbrey

Europol hat seine Zuständigkeiten und Kompetenzen in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut. Gibt es dafür aus Ihrer Sicht eine ausreichende Rechtsgrundlage?

Seit Jahren kritisieren wir den Ausbau polizeilicher Informationssysteme bei Europol. Der im Eiltempo durchgepeitschte Aufwuchs der Agentur bestätigt unsere Befürchtungen. Das Bundeskriminalamt gehört auch zu den Power-Usern bei Datenlieferungen und –abfragen. Möglicherweise umgeht das Bundesinnenministerium auf diese Weise den deutschen Datenschutz, denn Europols gleichzeitige Suche in mehreren Datenfeldern (das sogenannte Data Mining) ist vom Bundesverfassungsgericht hierzulande an hohe Auflagen geknüpft. Nach Vorbild Deutschlands baut Europol jetzt „Fusionszentren“ auf: Nach einem Zentrum zur Verhinderung von Terrorismus folgt ein Zentrum zur Verhinderung unerwünschter Migration. Beide Zentren werden von einer ebenfalls bei Europol angesiedelten „Meldestelle“ zum Aufspüren und Entfernen bestimmter Internetinhalte unterstützt. Durch die Hintertür erhält Europol dadurch die Kompetenz zum Großreinemachen im Internet. Im Visier stehen etwa Facebookgruppen, mit denen syrische Geflüchtete Landwege in die EU suchen, um halsbrecherische Überfahrten mit Schlauchbooten zu vermeiden. Das ist nicht nur unmoralisch, sondern auch rechtswidrig.

Europol will mehr Rechte, um auf Daten zuzugreifen, die bei privaten Unternehmen liegen. Wie bewerten Sie das?

Europol darf schon jetzt auf europäische Finanztransaktionen zugreifen, geplant ist nun die Analyse aller Passagierdaten, die auf Linienflügen anfallen. Beide Vorratsdatenspeicherungen werden von privaten Firmen geführt. Jetzt sollen auch Facebook, Twitter, Youtube und Google Nutzerdaten an Europol herausgeben. Dies wäre ein Eingriff in die telekommunikative Privatsphäre. Europol darf das nach jetziger Rechtslage gar nicht, denn die Agentur soll lediglich koordinierend tätig sein, polizeiliche Zwangsmaßnahmen sind untersagt.

Welche Möglichkeiten haben der Bundestag und das Europäische Parlament, um Europol zu kontrollieren - und wie funktioniert die Kontrolle in der Praxis?

Mit den neuen Zentren und Kompetenzen ist Europol auf dem Weg zur Superbehörde. Leider stehen die geforderten neuen Kompetenzen in keinem Verhältnis zu den parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten. Die Bundesregierung hat beispielsweise nach eigenem Bekunden keine Ahnung zu den millionenschweren digitalen Analysewerkzeugen bei Europol – wir wissen aber, dass das Bundeskriminalamt diese Fähigkeiten dort aufgebaut hat. Mit unseren befreundeten Europaabgeordneten reichen wir solche unbeantworteten Fragen dann noch einmal bei der Kommission ein. Dort wird die ohnehin äußerst lange Antwortfrist von drei Monaten fast immer überschritten. Die Internet-Meldestelle bei Europol wurde aber in einer Rekordzeit von wenigen Monaten beschlossen und eingerichtet. Wie soll das also kontrolliert werden?

Das Bundesinnenministerium muss sich deshalb in den gegenwärtigen Diskussionen zur Neufassung der Europol-Verordnung für mehr parlamentarische Kontrolle einsetzen. Richtig wäre, bis zur neuen Europol-Rechtssetzung ein Moratorium zu beschließen und bis dahin keine neuen Kompetenzen an die Agentur zu übertragen. Jede weitere Kompetenzübertragung an Europol ist deshalb ein Schritt zur Entdemokratisierung.

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