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Gemeinsam? Ach wirklich? Doch wohl nur mit der SPD.

© picture alliance / dpa

Europapolitik der Union: Jetzt mal im Unernst

Ist Merkels CDU geschlossen, urteilssicher, verlässlich? Das war einmal. Erst kam die falsche Haltung zum Irakkrieg. Nun verändert die Europapolitik das Image der Union. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Auch in der Politik gibt es Unernst. Dann tut man so als ob, setzt Zeichen, meint etwas anderes. Die Fraktion der Linken hat im Bundestag gegen das dritte Hilfspaket für Griechenland gestimmt, obwohl ihr Alexis Tsipras und die Syriza-Partei nahestehen. In Athen hätte er zugestimmt, sagte Fraktionschef Gregor Gysi. In Berlin wiederum konnte er sich fest darauf verlassen, dass das Paket beschlossen wird, es auf die Stimmen der Linken also gar nicht ankam. Ähnlich wird der eine oder andere der 63 Neinstimmer aus der Union gedacht haben. Weil das Ergebnis feststand, konnten sie es sich leisten, Unmut zum Ausdruck zu bringen, Denkzettel zu verpassen, Grenzen aufzuzeigen.

Seit Anfang der achtziger Jahre, als Helmut Schmidt wegen des Nato-Doppelbeschlusses von der eigenen Partei entmachtet wurde (die Genscher-Lambsdorff-FDP tat das Ihrige), haften der Union drei wichtige positive Merkmale an. Sie gilt als geschlossen, verlässlich in der Außenpolitik, berechenbar in der Währungs- und Europapolitik. Doch in zwei der elementar wichtigen Fragen seit der Wiedervereinigung – Wie hältst Du es mit dem Irakkrieg? Tust Du alles zur Rettung Europas? – haben sich CDU und CSU verrannt.

Den Irakkrieg der Amerikaner hat Angela Merkel verteidigt. „Man hatte einen Punkt erreicht, an dem Krieg unvermeidbar geworden war“, sagte sie, „bei einem Nichthandeln wäre der Schaden noch größer gewesen.“ Außerdem veröffentlichte sie unter der Überschrift „Schröder spricht nicht für alle Deutschen“ einen Gastbeitrag in der „Washington Post“, in dem sie das kategorische Nein der rot-grünen Bundesregierung hart kritisierte. Diese Haltung war falsch. Das dürfte heute unstrittig sein, obwohl die Union das nie wirklich aufgearbeitet hat.

Es führt eine direkte Linie vom Nato-Doppelbeschluss zu Michail Gorbatschow

In der vergangenen Woche nun demonstrierte jeder fünfte Unions-Abgeordnete, dass auch in der Europapolitik ein Kompassverlust zu beklagen ist. Man stelle sich vor, ihr Votum wäre nicht symbolisch-spielerisch gemeint gewesen, sondern ernst: Dann hätte es ein drittes Hilfspaket für Griechenland nicht gegeben, Deutschland wäre innerhalb des Euro-Raumes isoliert, die Kanzlerin blamiert bis auf die Knochen, ihr Rücktritt unausweichlich, ein „Grexit“ mit unabsehbaren Folgen bis hin zu schweren humanitären Krisen wahrscheinlich, die Südflanke der Nato geschwächt, dem Einfluss Russlands auf Athen Tür und Tor geöffnet.

Bauch schlägt Kopf: Dieser Mechanismus war auch Anfang der achtziger Jahre am Werk, als viele Sozialdemokraten ihrem Bundeskanzler in der Außen- und Sicherheitspolitik die Gefolgschaft verweigerten. Das war ebenfalls ein Fehler, wie die meisten von ihnen heute sicher zugeben würden. Denn es führt eine direkte Linie vom Nato-Doppelbeschluss zu Michail Gorbatschow und von diesem zur Wiedervereinigung. Lange hat es gedauert, bis sich die SPD von diesem Fehler erholte.

Der Union geht es dieser Tage besser. Das europapolitische Grummeln in den Reihen von CDU und CSU bedeutet für Merkel keine Gefahr. Aber das Image von der Trias aus geschlossener Partei, verlässlich in der Außenpolitik, berechenbar in der Währungs- und Europapolitik hat Kratzer bekommen. Die mögliche Ausrede, viele der 63 Neinstimmer hätten nur so unernst abgestimmt wie die Linken, tröstet nicht wirklich.

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